Zitat von
Leòn
Hallo Rudi,
ich denke, ich weiß was Du meinst. Ich bin der Meinung, dass die hiesige Armutsverwaltung (in anderen mitteleuropäischen Ländern ist es leider nicht viel anders) ein Skandal ist. Dass man strukturell damit nicht einverstanden sein kann, liegt auf der Hand. Inhaltlich ist das sogenannte "Hartz IV" meiner Ansicht nach eine Zumutung, unter anderem weil - meiner Auffassung entsprechend - die Regelsätze viel zu gering bemessen sind.
So, das ist das Eine.
Das Andere ist, dass wir diese gesellschaftliche und gesetzliche Lage nun mal augenblicklich so haben. Und da bin ich eigentlich sehr froh, dass es für Einzelne und Familien dieses Angebot der Tafel und vergleichbarer Einrichtungen gibt, mit dem das viel zu knappe ALGII - Budget "entlastet" werden kann.
Vor allem die Sätze für Jugendliche sind, meiner Efahrung nach, vollkommen zu niedrig angesetzt und erlaubt zum Beispiel keine adäquate Ernährung.
Dass "gesunde Ernährung" meiner Auffassung nach mit ALG II nicht leistbar ist, habe ich schon an anderer Stelle beschrieben. Nun, ob die Tafeln hier einen Beitrag leisten können, vermag ich nicht wirklich generell einzuschätzen.
Na, ich sehe noch einen anderen Aspekt. Der Gedanke, dass Lebensmittel, die vor lauter "Überfluss", den wir offensichtlich gar nicht haben, bzw. der wohl an anderer Stelle über fließt

, weggeworfen werden würden, nun eine Verwendung finden, kommt mir sehr sympathisch vor.
So weit meine Gedanken dazu.
Herzliche Grüße von
Leòn
Denkst du mit Letzterem bitte auch daran, dass somit die Einen den Abfall der Anderen essen dürfen? Wie schlimm ist es geworden, dass alleine die Aufrechterhaltung der nackten Existenzgrundlage das Versorgen der Anderen mit Abfall und Überresten der Einen rechtfertigen kann - und was ist dann mit der tatsächlichen Humanität, was ist mit einem Erhalt des Menschen- und Grundrechtes Artikel 1 GG:
Die Würde des Menschen ist unantastbar?
Auf der einen Seite finde ich, dass es sicherlich wünschenswert ist wenn eine schnelle Hilfe in Lebenslagen, in welchen solche wirklich gebraucht wird, vorhanden wäre.
Auf der anderen Seite bedeutet es für Menschen in manchen Lebenssituationen eine Dauerabhängigkeit, eben da, wie schon genannt, Hartz 4 und andere soziale / staatliche / gesellschaftliche Grundlagen nicht ausreichend vorhanden sind. Das müsste und sollte vorrangig geändert werden.
Auch ich habe als Alleinerziehende eine Weile auf die Tafel zurückgreifen müssen, Betonung auf dem Verb. Du stehst in etwa zwei Stunden und wartest, egal ob es schneit (bei mir war es im Winter) regnet oder stürmt oder deine Kinder unruhig werden oder du eigentlich arbeiten müsstest, aber dann nicht tafeln kannst oder tafeln kannst aber dann nicht arbeiten kannst, weil die Ausgaben nur einmal wöchentlich am frühen Nachmittag stattfinden aber deinen einen ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen. Wärest du jetzt abhängig von Lohnarbeit und verdientest nicht genügend, so dass du ebenfalls tafeln gehen könntest/müsstest, so ginge das schon einmal gar nicht denn die Zeit hast du nicht - das Geld aber auch nicht. Und die Zahl der unter ALG2-Satz verdienenden Arbeitenden ist nicht einmal so gering.
Und die Qualität ist wirklich sehr unterschiedlich. Teilweise handelt es sich um Lebensmittel, welche du aus Überzeugung deinen Kindern nicht einmal bei grossem Hunger zu essen geben wollen würdest: Brot mit unendlich viel E-Stoffen, Produkte welche in den Läden mangels Konsumentenvertrauen nicht gekauft wurden, darunter seltsame Brotaufstriche die du nie kaufen würdest, von dem Gemüse mussten oft 50% weggeschnitten werden. Aber du bist ja dankbar, dass du wenigstens etwas zu essen hast. Wenigstens zum Beispiel für die Zeit, welche du eben selbst ganz und gar nicht überbrücken kannst.
Es soll sich einfach jeder einmal selber fragen, ob er oder sie das für sich selber wünschen würde.
Und ich befürchte, dass die Armut gerade bei Familien mit Kindern noch viel mehr zunehmen wird, denn alle Steuer- und Vergünstigungsgesetzgebung in Deutschland ist jedenfalls nicht für Kinder gemacht, da werden lieber Ehefrauen und Abzocker subventioniert.
Da wäre es, sicherlich neben einer spontanen Hilfe, doch sicher zielführender wenn wirklich alle, auch die denen es noch gut geht oder die denken, dass sie in solche überlebenstechnischen Situationen nie kommen werden, sich engagierter für eine Kinder und Familien gerecht behandelnde Politik einsetzen und den Politikern wo es eben nur geht, verbal die Ohren langziehen würden.
Schwache oder auch nur zeitlich begrenzt Schwache können einfach immer nur unheimlich schwer für ihre Rechte kämpfen.
Aber wenn wir allgemein und so lange wir die Kräfte haben, uns für eine Struktur einsetzen in denen jeder Einzelne das Recht auf Existenz und Würde besitzt, ist sogar auch uns geholfen. Denn kein Starker bleibt ewig stark, und manch Schwacher bleibt das auch nicht, so zum Beispiel Kinder, und alle sind Teil einer Gemeinschaft. Was wir den einen zahlen bekommen wir morgen zurück - so oder so. Jeder.
Lieben Gruss
Christiane