ADHS + Tourette?

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13.03.11
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Es trug sich zu im vergangenen Jahrhundert...


Gibt es den Fall, dass jemand gleichzeitig an ADHS und Tourette leidet und das in der Kindheit (und Jugend) fachmedizinisch nicht nur nicht auseinanderzuhalten bzw. es extrem schwierig ist, jemand Fachkundiges zu finden, sondern in „der Gesellschaft“ schlicht fälschlich auf die „Erziehungsunfähigkeit“ der Eltern/Mutter/Vater zurückgeführt wird?

Ich frage das, weil ich vor ca. 30 Jahren eine sehr nette Kollegin hatte (wir waren beide alleinerziehend), wir uns damals immer mal wieder mit unseren Kindern gemeinsam zu Unternehmungen verabredet hatten, wo wir auch Passanten bzw. Publikum um uns herum hatten und von denen die Worte oder nur die Blicke eindeutig waren in unsere Richtung zur Bestätigung dieses oberflächlichen Vorurteils.

Die Mutter hatte aber zumindest intuitiv gewusst, dass ihr damals kleiner Sohn sich so richtig austoben muss, allerdings in relativ ruhiger natürlicher Umgebung, damit er handhabbarer ist, dem sie z.B. bei der "Dekoration" der Kinderzimmer-Tapete wohlweislich alle Freiheiten ließ und ihn für seine Kunst lobte. Wir haben auch viel Sportliches gemacht, manchmal aber eben auch ein Restaurant besucht, was schnell peinlich für die Mutter wurde. Wir haben dann sofort bezahlt und sind gegangen. Sie ging indes mit ihrem Sohn IMMER verständnisvoll um, gerade auch in dieser Situation. Sie war aber beileibe nicht unfähig, unwissend oder gar ein Weichei, wie ich durchaus gemerkt und sie bestärkt habe. Vor allem hatte sie alles „ertragen“ und Medikamente strikt abgelehnt, war für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich eingestellt, was ich für mich auch immer versuche rüberzubringen, weil es so ist.


Gibt es jemand, der sich in meiner Beschreibung des Kindes meiner ex-Kollegin wiederfindet und diese Dinge gedanklich zusammenbringt?
Was bringt das im Erwachsenenalter für Schwierigkeiten mit sich?
(Vor ein paar Jahren hatte ich mal eine Frau mit MCS + Tourette telefonisch kennengelernt, die dann aber bei einer von mir freudigen plötzlichen Äußerung ins Telefon sich vorerst leider verabschieden musste. Da kamen dann halt Sachen, die wohl nur Betroffene richtig kennen.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Philia,

ich kenne das zwar nicht aus meinem Umfeld und kann auch theoretisch Deine Frage nicht beantworten (das könntest Du aber recherchieren).

Allerdings sind mir die konkreten Besonderheiten des Jungen auch nicht ganz klar geworden - das wäre ja vielleicht wichtig, damit andere etwas dazu sagen können.

Gruß
Kate
 
Guten Morgen,

1. Ja, beide Dinge können gemeinsam auftreten.
2. Ja, es kann sein, dass diese im Kindesalter aus diversen Gründen noch nicht festgestellt werden/wurden. Wenn Diagnosen wie Autismus, AD(H)S oder auch Tourette/Tic-Störungen dann nicht gestellt werden ist es sogar typischerweise so, dass die Erziehungsfähigkeit und der Umgang der Eltern verantwortlich gemacht werden durch das Umfeld und das teilweise sogar durch die Fachleute, die eigentlich Diagnostik machen sollten.

3. Zu dem speziellen Fall kann ich nichts sagen und sehe auch keine Symptome, in denen jemand etwas wiederfinden könnte.

4. Welche Schwierigkeiten bis ins Erwachsenenalter bleiben ist ganz verschieden. Bei vielen Kindern werden die Tic-Störungen weniger wenn sie ins Erwachsenenalter kommen, bei einigen bleiben sie gleich und bei anderen nehmen sie sogar zu. Tics sind stressig und anstrengend und leider oft immer noch von negativer Aufmerksamkeit geprägt. (Habe selbst eine Tic-Störung und bin erwachsen.)
Bei AD(H)S gibt es Erwachsene die große Probleme im Alltag haben und Hilfe brauchen/bräuchten, teilweise dann auch noch eine Diagnostik machen, um diese zu bekommen. Und es gibt Erwachsene, die für sich Wege gefunden haben, um gut zurechtzukommen. Letztlich geht es hier oft um die gleichen Symptome wie in der Kindheit, nur der Umgang damit und ggf. das Überspielen/Verstecken der Symptome vor dem Umfeld wird geübter.

LG Mango
 
Nur zur Information und Ergänzung von dem, was MangoMango schreibt:
...
Meist begleiten noch andere Krankheiten und Gesundheitsprobleme das Tourette-Syndrom. Einige Beispiele:

  • Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) oder Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS): etwa 50 bis 75 Prozent
  • Zwangserkrankungen: bei 30 bis 65 Prozent
  • Lernschwierigkeiten: Schwächen beim Lesen, Schreiben, Rechnen (ca. 24 Prozent)
  • Angststörungen: ca. 19 Prozent
  • Schlafstörungen: etwa 14 bis 26 Prozent
  • Aggressives Verhalten gegen sich selbst (Autoaggression): etwa 14 bis 33 Prozent
  • Depressionen
Die intellektuellen Fähigkeiten sind nicht beeinträchtigt bei einem Tourette-Syndrom. Eine Behinderung, sogar eine schwere, kann die Störung für Betroffene im Alltag, in der Schule und im Berufsleben trotzdem sein. Kinder mit Tourette-Syndrom erhalten in der Schule eventuell einen Nachteilsausgleich nach dem Schwerbehindertengesetz. Das Versorgungsamt erkennt das Tourette-Syndrom auf Antrag als Behinderung an. Je nach Art und Intensität der Symptome sowie der Verlaufsform und der therapeutischen Beeinflussbarkeit, liegt der Grad der Behinderung (GdB) zwischen 50 und 100 Prozent. ...

Grüsse,
Oregano
 
Danke für eure Reaktionen. Auch ich als damals völliger medizinischer Laie konnte erkennen, es war unwillkürlich, z. B. im Restaurant, wo der kleine Knirps wegen des Betriebs natürlich durch den Laden lief und jeweils an den Tischen dann die typischen "schlimmen Ausdrücke" ausstieß und auch mit den Armen unwillkürliche Bewegungen machte, wobei so manch Geschirr klirrte. Klar waren die anderen Gäste aufgebracht. Aber wir sind ruhig geblieben, haben bezahlt und sind gegangen. Draußen haben wir Mütter dann ein Treffen woanders ausgemacht, wo es nicht so auffiel.

Damals haben die Kinder (meine Tochter 6 und ihr Sohn, ich glaube 5 Jahre alt, jedenfalls ging er noch nicht zur Schule) zusammen gespielt.

Da ich dann wegzog, ist der Kontakt - vor allem wegen anderer Dinge - abgerissen.
 
Mhm..., Symptomverbesserung scheint nicht gewünscht zu sein o_O
Es ist schon Jahrzehnte her... was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass die Symptome sich sicherlich verändert haben, hoffentlich zum Positiven; wollte ja eigentlich bloß wissen, ob es diese Kombination so gibt und hatte das als Erfahrung genannt. Und wie jemand, wo das so ist, damit umgehen kann.

Ich würde gern mein Verständnis vertiefen...☺️
 
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