Depressionen
Beim Reizdarmsyndrom wird oft eine „psychische
Komponente“ als ursächlicher Faktor in der Entstehung der
Beschwerden verantwortlich gemacht. Auch bei der
Fruktosemalabsorption sieht man wie beim Reizdarmsyndrom
häufig psychische Veränderungen, die jedoch
meistens typische Serotoninmangelsymptome waren. In
früheren Studien konnten wir zeigen, das Fruktosemalabsorption
tatsächlich mit signifikant höheren Depressionsscores
im Vergleich zu Personen mit normaler Fruchtzuckerresorptionskapazität
einhergeht [9]. Als Ursache
dafür kann angenommen werden, daß die Fruktosemalabsorption
mit einer Resorptionsstörung der essentiellen
Aminosäure Tryptophan einhergeht [10] und es daher zu
einer chronischen Tryptophandepletion kommt. In jedem
Fall zeigen Personen mit Fruktosemalabsorption signifikant
niedrigere Serumtryptophanspiegel im Vergleich zu
einem Normalkollektiv [11]. Durch den Mangel an
Tryptophan kommt es zu einer Verminderung der Serotoninsynthese
und dadurch neben Depressionsäquivalenten
auch zum Symptom „Süßhunger“. Der den Psychiatern
wohlbekannte Kohlenhydrathunger bei Depressiven
entsteht dann, wenn das Gehirn „Serotoninmangel“
signalisiert. Durch die Aufnahme von Süßem kommt es
zum Anstieg von Insulin, welches nicht nur Einfluß auf den
Glukosehaushalt hat sondern auch die Blut-Hirnschranke
für die Aufnahme von Tryptophan in das ZNS öffnet [12].
Diese „Öffnung“ der Blut-Hirnschranke für Tryptophan
wird durch die Insulin-induzierte vermehrte Aufnahme von
neutralen Aminosäuren (LNAA; Leucin, Valin und Isoleucin)
in die Muskulatur bedingt: Durch die vermehrte muskuläre
Aufnahme von LNAAs in die Muskulatur erfährt die
in nur sehr geringer Konzentration vorkommende Aminosäure
Tryptophan, die an der Blut-Hirnschranke das gleiche
Transportsystem wie die LNAAs verwendet, eine geringere
kompetitive Hemmung und kann dadurch leichter
ins Gehirn aufgenommen werden, wo es substratabhängig
die Serotoninbildung anregt und damit zur Stimmungsaufhellung
führt [13]. Dieser physiologische Vorgang ist
für das Verständnis der Entstehung von Depressionen bei
Fruktosemalabsorption sehr wichtig. Bedenkt man, daß
Patienten mit Fruktosemalabsorption eine Tryptophanresorptionsstörung
aufweisen und dies zu Süßhunger führt,
so ist die Wahrscheinlichkeit, daß wiederum Fruktose vermehrt
zugeführt wird und es so zu einer weiteren Verschlechterung
der Stimmungslage kommt, besonders groß.
Vor allem mit der zunehmenden Verwendung von Fruchtzucker
in der Herstellung von industriellen Nahrungsmitteln
und der allgemeinen Propagierung von „zuckerfreien“
(und damit meist Sorbit- oder Xylit-haltigen) Nahrungsmitteln
kommt es so zu einer chronischen Verschlechterung
für die Betroffenen. Auch die allgemeine Empfehlung, daß
Obst oder Ballaststoffe wie z. B. Inulin gesund sei und daher
vermehrt eingenommen werden sollte, führt so bei diesen
Patient zu einer stetigen Verschlechterung ihrer depressiven
Symptomatik. Wir konnten in einer eigenen Studie
zeigen, daß bei diesen Patienten durch eine Reduktion
der Fruchtzuckerzufuhr, insbesondere durch die Einschränkung
des Verzehrs von Obst, eine signifikante Verbesserung
des Beck’schen Depressions-Scores erreicht werden
kann. Die Koexistenz der Fruktosemalabsorption mit
anderen Kohlenhydratmalabsorptionssyndromen, wie z.
B. der Laktosemalabsorption, kann die Depressionsneigung
und Serotoninmangelsymptomatik weiter verstärken
[14]. Depressionen scheinen auch bei Patienten mit Reizdarmsyndrom
gehäuft vorzukommen [15], weshalb man
geneigt ist, diese klinische Entität als typische psychosomatische
Krankheit anzusehen. Nach den oben dargestellten
Fakten sind psychische Veränderung bei Patienten mit
Reizdarmsyndrom aber eher als Folge, denn als Ursache
für die Entstehung der klinischen Beschwerden anzunehmen!