Matriarchat - kulturgeschichtliche Bedingungen

Horaz

in memoriam
Themenstarter
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05.10.06
Beiträge
4.009
Hallo Leòn,

die Dämonisierung der Frau ist keine christliche "Leistung". Sie fing viel früher an.
In den wohl anzunehmenden matriachalen "Gesellschaftsstrukturen" waren sicher die Frauen dominant, "göttlich" und durch ihre Fähigkeit Kinder zu gebären, in ihrer Bedeutung weit über den Männern stehend.

Dann kam die neolithische Revolution. Die Menschen wurden seßhaft und zu Bauern und Viehzüchtern. Erst dadurch bekamen die Männer mit, dass sie bei Kindern wohl auch eine Rolle spielten. In ihrer Begeisterung darüber hoben sie nun ihre Rolle besonders hervor und in Verbindung mit ihrer stärkeren Körperlichkeit übernahmen sie die führende Rolle in ihren "Gesellschaften". Im Zuge der gesellschaftlichen Umschichtungen spielte auf einmal Besitz eine Rolle, über Grund und Boden, über Tiere - und über Frauen.

Wenn sich Frauen gegen manche Entwicklungen wehrten - sie hatten ja gegenüber ihren früheren Rollen einiges zu verlieren - wurden sie dämonisiert. Männer brachen in die Domänen der Frauen ein, wurden Priester und Heiler, alles Rollen, die früher die Frauen ausfüllten. Ihre besonderen Fähigkeiten wurden nun nicht mehr geschätzt, sondern als Konkurrenz empfunden. Die Dämonisierung war eine gute Möglichkeit, sie auszugrenzen. Lilith war mythologisch die erste Frau, die das voll auskosten durfte.

Viele Grüße, Horaz

PS: Auch wenn Bachofens Matriachats-Thesen heutzutage oft widersprochen wird, so sind sie deshalb nicht grundsätzlich anzuzweifeln.
Amazon.de: Der Mythos vom Matriarchat. Über Bachofens Mutterrecht und die Stellung von Frauen in frühen Gesellschaften: Uwe Wesel: Bücher
 
die Dämonisierung der Frau ist keine christliche "Leistung". Sie fing viel früher an.
In den wohl anzunehmenden matriachalen "Gesellschaftsstrukturen" waren sicher die Frauen dominant, "göttlich" und durch ihre Fähigkeit Kinder zu gebären, in ihrer Bedeutung weit über den Männern stehend.

Dann kam die neolithische Revolution. Die Menschen wurden seßhaft und zu Bauern und Viehzüchtern. Erst dadurch bekamen die Männer mit, dass sie bei Kindern wohl auch eine Rolle spielten. In ihrer Begeisterung darüber hoben sie nun ihre Rolle besonders hervor und in Verbindung mit ihrer stärkeren Körperlichkeit übernahmen sie die führende Rolle in ihren "Gesellschaften". Im Zuge der gesellschaftlichen Umschichtungen spielte auf einmal Besitz eine Rolle, über Grund und Boden, über Tiere - und über Frauen.

Salve Horaz,

Du siehst also einen Zusammenhang zwischen sesshaft werden und Patriarchat. Ziemlich wilde Theorie. ;) Dann wären die Jäger und Sammler alles matriarchalische Gesellschaften? Ausserdem ist zwischen Jägern und Hirten (= Nomaden) strikte zu unterscheiden. Nomadenkulturen sollen Matriarchate sein? Meinst du das wirklich ernst? Ausserdem gibt es interessante ethnologische Untersuchungen über das Besitzdenken in Jäger und Sammler-Kulturen. Der Ablauf ist genau umgekehrt, wie du schreibst. Zuerst Besitz über die Frau, dann über die Tiere und viel später über Grund und Boden. :wave:
 
Lilith, Adams erste Frau

Hallo Leon,

Ich tu mir jetzt das Kopfzerbrechen betreffend deines Grusses nicht an ;)

Schön, dass du "Jägerkultur" sagst und nicht Jäger und Sammler.

Und laut dem Ethnologen C. Valiente Noaille ist es so, dass Jäger keine Nomaden sind. Sie teilen ihre Gruppen aufgrund von Versorgungsengpässen vorübergehend auf, um danach immer wieder in ihre angestammten Jagdgründe zurückzukehren. Daher lassen sich Jäger nicht einfach so umsiedeln. Hirtenkulturen hingegen ziehen mit ihren Herden von Weideland zu Weideland. Dies ist die engere Definition von "Nomaden"........... Hats "Klick" gemacht. :)
 
Lilith, Adams erste Frau

zum Thema Jäger und Sammler:

Die Indianer der Great Plains in Nordamerika sind sowohl Jäger, als auch Nomaden, da ihre Beutetiere wandern. Und sie hinterdrein.
 
Lilith, Adams erste Frau

Hallo ratio,

ich sehe es eher wie Valentin:

Die ursprünglichen Jäger- und Sammlergesellschaften wandelten sich - beginnend in Kleinasien etwa 15-10.000 v. Chr. - zu sesshaften Gesellschaften, die Ackerbau und Viehzucht betrieben.
Jäger und Sammler ? Wikipedia

Es mag aber durchaus in den Übergangsphasen Mischformen zwischen relativem Nomadentum (Herumziehen in begrenzten Gebieten) und relativer Sesshaftigkeit (Unterhaltung von Winterlagern) gegeben haben!

Ich tu mir jetzt das Kopfzerbrechen betreffend deines Grusses nicht an ;)
Das ist Mittelhochdeutsch, ratio ;): "Gottes Gruß entbiete ich Euch"! und spielt auf Deine römische Gruß/ Segensformel an!

Schön, dass du "Jägerkultur" sagst und nicht Jäger und Sammler.

Naja, entsprechend der modernen Matriarchatsforschung wäre es korrekt, von "Jägern und Sammlerinnen" zu sprechen, weil das Sammeln wohl den Frauen vorbehalten war.

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Lilith, Adams erste Frau

Hallo Valentin und Leon,

Um die engere Definition des Nomadentums zu verteidigen, würde ich darauf hinweisen, dass der Mensch zu gezähmten Tieren als Nahrungsgrundlage, welche ihn von der Natur unabhängiger machen, eine andere Beziehung gehabt haben muss als zu wilden Tieren. Nomadentum ist eine gesellschaftliche Errungenschaft, die nicht mehr direkt von der Natur abhängt. Der Jäger hat sein Zuhause in seiner Familie, seiner Grossfamilie und in der Gegend, die er genau kennt. Er verfügt nicht über den Besitz seiner ökonomischen Grundlage wie der Hirte. Für einen Hirten ist dieser Besitz wichtiger als der Ort, der quasi austauschbar ist.
 
Lilith, Adams erste Frau

Naja, entsprechend der modernen Matriarchatsforschung wäre es korrekt, von "Jägern und Sammlerinnen" zu sprechen, weil das Sammeln wohl den Frauen vorbehalten war.

Die Feldforschung C. Valiente-Noailles bezieht sich v.a. auf die Jägervölker im Kalahari. Es stimmt natürlich, dass die Frauen Pflanzen, Früchte und Wurzeln sammeln und sich um das Feuer (=Kochherd) kümmern, während die Männer jagen und aus dem Leder für die ganze Familie Kleider nähen. Aber was soll das mit Matriarchat zu tun haben???????
 
Lilith, Adams erste Frau

Hallo ratio,

ich denke, der Entwicklungsverlauf war eher anders herum!
Naja, vielleicht meldet sich eine/r der ExpertInnen für Matriarchatsgeschichte und frühe Kulturen mal zu Wort? ;)

Hallo Leon,

Die Jäger leben in der ungezähmten Natur. Sie sind daher die ursprünglichste Gesellschaftsform............richtig? Die Hirten können nicht (umgekehrt) die Vorgänger der Jäger gewesen sein. Sonst hätte der Mensch ja zuerst eine gezähmte Natur geschaffen, bevor er fleischgeworden als Hirte darin lebte, worauf die Natur verwilderte und der Mensch zum Jäger wurde. Nun gut, wir reden hier ja von Lilith und Adam, dem Schöpfungsmythos.
 
Lilith, Adams erste Frau

Hallo ratio,

verstehe ich Dich richtig: Du gehst von 1. einer ursprünglichen Sesshaftigkeit (Jägerkulur), dann einer 2. folgenden Nichtsesshaftigkeit (Hirten-/ Nomadenkultur) und 3. einer dann folgenden zivilisatorischen Sesshaftigkeit (Ackerbau/ Viehzucht)?

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Lilith, Adams erste Frau

Off Topic
weil ich eigentlich über Lilith diskutieren wollte.

Hirtenvolk ? Wikipedia
Als Hirtenvolk wird eine ethnische Gruppe bezeichnet, deren primäre Lebensgrundlage die Viehzucht ist. Sie sind in der Regel unsesshaft, haben also eine nomadische oder halbnomadische Lebensweise. Hirtenvölker sind dort verbreitet, wo sich ein kontinuierlicher Ackerbau klima- oder witterungsbedingt (Kälte, Wassermangel) oder wegen Nährstoffarmut der Böden nicht lohnt, aber eine offene Graslandschaft vorherrscht.

Die ersten Hirten haben sich mit dem Ende der Eiszeit vor mehr als 13.000 Jahren, vermutlich früher als die Ackerbauern (die etwa seit 11.000 v. Chr. belegt sind), aus Jägern und Sammlern entwickelt. Der schnell folgende Ackerbau verdrängte diese Hirten (durch Wasser- und Felderkontrolle). Seither besteht zwischen Ackerbau und Viehzucht ein Konflikt (Kain-und-Abel-Motiv).


Für die Zeit vor der neolithischen Revolution haben wir wenige Informationen. Das wenige, was wir wissen, spricht dafür, dass die Rolle der Frau bedeutsamer war. Von matriachalen Strukturen sprechen deshalb Forscher, nicht von einem "Herrschaftssystems".

Viele Grüße, Horaz
 
Lilith, Adams erste Frau

Hallo ratio,

verstehe ich Dich richtig: Du gehst von 1. einer ursprünglichen Sesshaftigkeit (Jägerkulur), dann einer 2. folgenden Nichtsesshaftigkeit (Hirten-/ Nomadenkultur) und 3. einer dann folgenden zivilisatorischen Sesshaftigkeit (Ackerbau/ Viehzucht)?

Herzliche Grüße von
Leòn

Hallo Leon,

Ja ungefähr so. Die Jäger sind insofern sesshaft, als sie ein Jagdrevier ihr Zuhause nennen. Die gezähmten Tierherden der Hirten erlauben eine grössere Unabhängigkeit von der Natur, bedingen aber Nomadentum, da die Tiere ein Weideland mit der Zeit abgegrast haben. Die Bauern erlangen dann eine noch weitergehende Unabhängigkeit von der Natur, indem sie Pflanzen kultivieren und somit nicht dem Weideland hinterherziehen müssen...............und Städte und Dienstleistungsgesellschaften erlangen wiederum eine noch weitergehende Unabhängigkeit von der Natur......................, bis die ganze Geschichte baldeinmal kolabiert. :chat:
 
Lilith, Adams erste Frau

Was mir direkt einfiel, sorry in deinen Augen wahrscheinlich noch mehr Off-Topic", dass die von dir obengenannten Entwicklungen zusammenfallen mit der frühesten Geschichte des Hundes - also die "Domestizierung der Wölfe" - Ich würde es, anders als Traditionell betrachtet, eher das zusammenfinden von Wolf/Hund und Mensch nennen - was ja in betracht auf obengenannte Entwicklungen beim Mensch ein sehr wichtiger erfolgsfaktor gewesen sein könnte.

Hallo Kim,

Betreffend der Entwicklung hätte ich da noch eine andere Sicht ;)

In den Jägerkulturen gab es sicher irgendwelche Leute, die konnte man für die Jagd nicht brauchen. Die mussten zuhause bei den Frauen bleiben, Fallen stellen und die Hunde füttern........................genau von hier kommt die neue Wirtschaftsform.

In den Hirtenkulturen gab es sicher irgendwelche Leute, denen konnte man die Verantwortung über eine Herde nicht anvertrauen. Die mussten sich um ein paar Nutzpflanzen ums Zelt herum kümmern.................genau von hier kommt die zukünftige Wirtschaftsform.

In der Bauernkultur gab es Knechte, die durfen nicht heiraten, keinen Grund und Boden besitzen und mussten für den Besitzer wie Sklaven schuften....................und wieder kommt genau von hier die zukünftige Wirtschaftsform.

Fazit: Der Schatten einer Gesellschaft bestimmt die längerfristige Zukunft................hmm :confused: ;) :p)
 
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