Wirtschaft -Freitag, 21. Januar 2011
Waffen für die Welt" - Deutschland müsste genauer hinsehen"
Der Fall des russischen Waffenhändlers Viktor Bout wirft ein Schlaglicht auf eines der lukrativsten globalen Geschäfte, den Handel mit Waffen und Rüstungsgütern. Jan Grebe vom Bonner Institut für Konversion sieht die steigenden Handelszahlen - jenseits aller nationalen und internationalen Gesetze, oft genug aber mit dem Wissen der Geheimdienste - mit Sorge. Auch weil sich mit den Transaktionen so praktisch politische Interessen verfolgen lassen.
Der frühere Offizier der Sowjetarmee, Viktor Bout, soll Diktatoren und Rebellen in aller Welt mit Waffen versorgt haben.
n-tv.de: Wir wissen alle, dass Waffenhandel ein riesiges Geschäft mit moralisch fragwürdigen Grenzen ist. Warum ist die moralische Entrüstung nicht zuletzt im Fall Victor Bout dennoch so groß?
Jan Grebe: Natürlich werden Waffen als Instrumente zur Ausübung von Gewalt wahrgenommen. Im Fall von Victor Bout haben viele zudem die zahlreichen Konflikte in Afrika vor Augen, wohin er in den letzten zwei Jahrzehnten Waffen geliefert hat. Das empfinden wir als unmoralisch und entrüsten uns.
Nun ist Rüstungsexport auch Wirtschaftspolitik. Kann man denn Waffen auch einfach als normales Exportgut sehen?
Man muss das differenziert sehen. Sicher ist es schwierig, sich über den skrupellosen Waffenhändler Bout zu entrüsten und gleichzeitig zu tolerieren, dass viele Staaten haufenweise Waffen in Regionen liefern, die von Konflikten dominiert werden. Aber ein Rüstungsgut ist eben auch ein Wirtschaftsgut, das prinzipiell natürlich normal gehandelt werden darf. Aber man muss da andere Maßstäbe ansetzen als bei anderen Gütern und das wird in Deutschland ziemlich restriktiv gehandhabt. Dennoch gibt es auch hier immer wieder Fälle, wo auch aus Deutschland Waffen in Länder geliefert werden, die als bedenklich eingestuft werden müssen. Brasilien ist beispielweise einer der größten Exporteure von Klein- und Leichtwaffen. Das Land hat sicher nicht die gleichen Lieferstandards wie wir.
Die vielen Waffen in Ländern wie Somalia sind einer der Gründe, warum die Konflikte immer wieder neu aufflammen.
Welche Kriterien müssen denn für den Waffenhandel gelten?
Innerhalb der Europäischen Union und der NATO-Länder wird natürlich nicht angezweifelt, dass der Handel untereinander legal und auch moralisch in Ordnung ist. Bei den Handelspartnern handelt es sich um stabile Demokratien, die keine bewaffneten Konflikte untereinander zu befürchten haben. Im Fall von Griechenland haben wir allerdings gesehen, dass auch massive Rüstungsexporte den Staatshaushalt enorm belasten. Bei vielen Drittstaaten, vor allem bei Entwicklungs- oder Schwellenländern, muss man schon genauer hinsehen. Wie ist die Situation im Land und in der Region? Dabei zählen vor allem die Menschenrechtslage und die möglichen internen Konflikte dieser Länder.
Nun hat Deutschland aber auch Tunesien mit Waffen beliefert. Da sehen die Kriterien doch sehr fragwürdig aus.
Angesichts der Tatsache, dass Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist, gibt es genügend Beispiele von Exporten in Länder, die nach den geltenden Maßstäben eigentlich hätten untersagt werden sollen. Das fängt an mit den G36-Gewehren, die Heckler und Koch nach Mexiko verkaufen wollte. Das ist untersagt worden. Ein höchst problematisches Beispiel ist auch der geplante Verkauf von U-Booten nach Pakistan. Das sind meiner Ansicht nach alles Belege dafür, dass Deutschland die Kriterien viel restriktiver anwenden müsste.
Was müsste dafür geschehen?
Das Posieren mit Waffen gehört nicht nur für die Fatah zum Selbstbild.
In erster Linie müsste die Bundesregierung sich wieder mehr auf ihre außen- und friedenspolitischen Grundsätze besinnen und von dem extrem wirtschaftszentrierten Denken der vergangenen Jahre weggehen. Außerdem müssen wir darauf hinwirken, dass die Kriterien auf europäischer Ebene harmonisiert werden. Damit auch andere Länder nicht in Regionen liefern, wo Deutschland als Lieferer ausfällt. Da sollte es keine Konkurrenz unter europäischen Partnerländern geben. Und Deutschland müsste sich dafür einsetzen, dass der internationale Waffenhandelsvertrag ATT, der derzeit auf UN-Ebene verhandelt wird, bald zum Abschluss gebracht wird. Wir brauchen weltweit verbindliche Regeln für den Handel mit Waffen.
Wie realistisch sind denn diese Überlegungen, wenn man auf die Summen schaut, die da umgesetzt werden?
Da befinden wir uns in einem immerwährenden Konflikt zwischen sicherheitspolitischen und wirtschaftspolitischen Interessen, aber auch unseren friedenspolitischen Überlegungen. In dem Konflikt müssen wir eine gewisse Balance finden. Gleichwohl hat natürlich auch die gegenwärtige Regierung die Grundsätze anerkannt, in denen ausdrücklich steht, dass Rüstungsexporte nicht auf Grund von wirtschaftspolitischen Überlegungen genehmigt werden dürfen. Das gilt es immer wieder einzufordern, dass das auch künftig so bleibt und dass Exporte auch weiterhin genau geprüft werden. Da darf eben nicht geschaut werden, wie viele Arbeitsplätze damit im Inland gesichert werden oder wie groß der Gewinn für deutsche Unternehmen ist.
Inwiefern kann Waffenhandel ein transparentes Geschäft sein?
Jan Grebe ist Experte für Rüstungsexporte am Bonner Institut für Konversion.
Die meisten Waffen werden an Sicherheitskräfte verkauft. Aber es wird immer illegalen Waffenhandel geben. Außerdem werden legal produzierte und exportierte Waffen von Konflikt zu Konflikt weiter getragen. Rüstungsgüter sind eben extrem langlebig, da kann man von mehreren Jahrzehnten ausgehen. Deshalb ist das UN-Kleinwaffenprogramm so wichtig, bei dem es unter anderem darum geht, Waffen zu kennzeichnen und sicher zu lagern, um dieses Weitertragen zu verhindern. Hinter Rüstungsgeschäften stecken aber auch immer Interessen. Deswegen gelangen Waffen auf verschlungenen Wegen manchmal doch in Regionen, in die eigentlich keine Waffen verkauft werden dürften. Durch die Offenlegung von Zahlen und Daten haben wir in den vergangenen Jahren aber schon an Transparenz gewonnen. Aber es bedarf auch krimineller Einzelpersonen, die bereit sind, diesen Handel abzuwickeln. Richtig gefährlich wird es, wenn sich diese Länder und die Kriminellen zusammentun.
Wie entwickelt sich denn der globale Waffenmarkt?
Wir hatten Mitte der 1980er Jahre einen Höhepunkt, bis zu den 2000er Jahren gingen die Zahlen dann deutlich zurück. Inzwischen sehen wir wieder einen Anstieg, von 2005 bis 2009 ist der weltweite Handel um 22 Prozent gestiegen, im Vergleich zum Zeitraum von 2000 bis 2004. Das ist auf Abnehmer wie China, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Südkorea zurückzuführen. Das sind alles Länder, die über die finanziellen Ressourcen verfügen, große Rüstungsgeschäfte abzuschließen. Und es sind Länder mit starkem Interesse, ihre weltpolitische Rolle auch militärisch auszubauen.
Mit Jan Grebe sprach Solveig Bach
Quelle:
Waffen für die Welt: "Deutschland müsste genauer hinsehen" - n-tv.de