schön dass du diesen thread ins leben rufst.


aus den nachwehen von oben genannten thread möchte ich doch zuerst einmal auf den ist zustand näher eingehen und meine sicht der dinge darlegen.


egal von welcher seite wir bildung auch betrachten, ich befürchte seit längerem schon, dass es ein mißverhältnis zwischen der "sozialen entwicklung" selbst und dessen vermittlung gibt.


sollte diese annahme richtig sein, dann hat das sehr gravierende folgen.


ein leistungssystem dass durch die dynamik so gut wie jeden winkel dieser welt erreicht hat und dadurch im grunde alle bewohner unter druck setzt (war früher auch nicht anders, nur die richtung aus welcher der druck kam, war eine ganz andere), spielt ganz klar dem verdrängungswettbewerb in die hände.


leistungsabhängige systeme entsprechen voll und ganz auch dem prinzip der natur und auch ich bevorzuge am ehesten dieses ordnungsprinzip.

doch in der entwicklung der letzten 200 jahre kristalliesiert sich doch nun ein grundlegender wandel.

manuelle fertigkeiten manigfaltiger art rücken immer weiter in den hintergrund, währenddessen kognitive fähigkeiten sich immer mehr in den vordergrund spielen.

viele fähigkeiten und tätigkeiten, welche früher weitgehend die existenzen sicherten gibt es heute gar nicht mehr.

was nun ein viel größeres spielfeld mit sehr viel mehr mitspielern am selben spielbrett bedeutet.


was naturgemäß auch eine großen wettbewerb nach sich zieht.

nun wissen wir aus eigener beobachtung und auch aus beobachtung gewisser gesetzmäßigkeiten, dass großer wettbewerb auch immer sehr viele "verlierer" nach sich zieht. eine der folgen von verdrängungswettbewerb, was ja aus dem wortstamm "verdrängung" schon abzulesen ist.
(ist sowohl in der geschichte der menschheit, als auch in der entwicklung der natur selbst, sehr gut zu beobachten).


nun, wir haben die möglichkeit diesen "wettkampf" ohne besondere regulative ablaufen zu lassen und diesen prozess unter "entwicklung" einzuordnen, oder aber wir greifen massiv in diesen prozess ein und schaffen eine art "wettbewerbsbedingung".


das derzeitig einzig erkennbare kriterium ist soziale herkunft in verbindung mit kaufkraft.


dies ist aber ein rein willkürliches, von uns selbst erschaffenes kriterium.
was auch in keinster weise einen erkennbaren vorteil zur allgemeinen entwicklung beiträgt. denn wie ein vorschreiber aus dem anderen thread richtig bemerkte, ist die möglichkeit zugang zu bildung zu erhalten kein garant dafür, dass dieser auch den gewünschten erfolg zeitigt.

andererseits kennen wir aber alle die statistiken wonach sozial bevorzugte schichten die größere lebenserwartung, den besseren gesundheitsstatus und letztendlich auch die viel höheren bildungsstandard aufweisen.


um also einen ausgleich zur wettbewerbsgleichheit zu schaffen ist es meines erachtens notwendig, den zugang zu bildung vom sozialen status völlig abzukoppeln.


"bildung für alle" ist ein schlagwort welches wir schon so oft gehört haben, dass wir es schon verinnerlicht haben.

das dies aber aus oben genannten gründen überhaupt nicht der realität entspricht ist uns gar nicht bewußt.


ein sehr komplexes thema, was viele bereiche direkt und indirekt streift.

denn nicht nur steuerungen von außen (staat, religionen, traditionen) spielen eine rolle, sondern auch einfache normale (instinktive) einflüsse von uns menschen selbst sind sehr entscheidend.


denken wir nur daran, wie lange es bei uns, und in anderen regionen auch heute noch, es völlig "normal" ist, bildung für frauen als "nicht notwendig" und auch nicht erwünscht, einzustufen.


der erleichterte zugang zu informationen, ist unter diesen gesichtspunkten keinesfalls ein ausgleichender faktor, sondern im gegenteil ein sehr bevorzugender, für jene gruppen welche diese auch nutzen können.


die kluft wird sehr schnell immer größer.
und ob sich später, wenn sich systeme dadurch enorme vorteile verschafft haben, diese sich wieder aus der hand nehmen lassen, wage ich sehr zu bezweifeln.


ich denke wir befinden uns gerade heute an einem scheideweg.


lassen wir wirklich ALLE an bildung teilhaben. oder ermöglichen wir weiterhin bestimmten gruppen sich einen vorteil zu verschaffen.

beides stünde mit der menschlichen natur im "einklang". aber wofür sollten wir uns entscheiden, und welcher wäre der bessere weg?



richter
 
ohne der sozialkritischen Aus- und Überlegung widersprechen zu wollen, meine Sicht.

Bildung wird in unseren Breitengraden weitestgehend mit Wissen gleichgesetzt. Dummerweise gibt es extrem viele gebildete Menschen im Sinne von ausgebildet, der Begriff Bildung sagt aber nichts darüber aus, wie ich dieses Wissen tatsächlich einsetze.
Da scheidet sich der Gebildete vom Könner.

Bildung wird weitestgehend als kognitive, rationale Bildung verstanden, also das, was wissenschaftlich nachprüfbar ist bzw. nachlesbar ist (d.h. wenn genügend Menschen einen Sachverhalt immer wieder als wahr bestätigt haben, gilt er unter Umständen auch als bewiesen, diesen Sachverhalt zu kennen, fällt dann auch unter Bildung).

Was der Begriff Bildung als im herkömmlichen Sinne nicht erfasst sind zwei für mich wesentliche Elemente: die "irrationale" Bildung, sprich die Ausbildung und das Training der intuitiven Fähigkeiten und die emotionale Bildung/Herzensbildung, also die innere Haltung, die persönlichen Qualitäten wie Mitgefühl, Mut etc. das ethische Grundgerüst würde ich hier auch subsumieren.

Ebenso wie Intuition und Herzensbildung fällt für mich auch Weisheit in den Bereich Bildung wird aber vom herkömmlichen Begriffsverständnis eigentlich nicht erfasst.

Das mal ein Versuch einer begrifflichen Interpretation.

lg
Cheyenne
 
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Hallo Cheyenne!


womit ich dir mit dieser aussage inhaltlich vollkommen zustimme:


...egal von welcher seite wir bildung auch betrachten, ich befürchte seit längerem schon, dass es ein mißverhältnis zwischen der "sozialen entwicklung" selbst und dessen vermittlung gibt...




richter
 
Dieses Miss Verhältnis wird auch in den vielen neuerlichen Kalauern umgesetzt, wenn von Miss Bildung, Miss Erfolg, usw. die Rede ist, wobei das sicherlich bei beiderlei Geschlecht zum Problem wurde und unsere Gesellschaft immer weiter in den nicht mehr komischen Abgrund reißt.

Wenn es dann heißt, das Suffix "-istisch", bedeutet "fundamentalistisch und gewaltbereit" aus berufenem Politiker-Munde, dann wird es kritisch bei der Humboldtschen "humanistischen" Bildung, die dem preuß. Soldaten schon damals NUR das "Gefühl" gab, gebildet ein besserer Mensch zu sein, wenn er für König und "Vaterland" geopfert wurde, obwohl auch dort nur (sinnlos) auswendig gepaukt wurde, katastrophal wird es bei buddhistisch und atheistisch, fragt sich also auch ist das Bildung oder Miss Bildung in Politik-Gestalt und wie weit weg sind wir von Zeiten für die gilt: "Am Anfang war das Wort..." - und das ist nichts religiöses! Erst wird nachgeplappert und dann im Kreis marschiert, gelernt vielleicht, verstanden nichts, insb. nur Leeren, aber keine Lehren daraus gezogen.

In 3000 Jahren wird dieses "aufgeklärte" Zeitalter wohl als die Periode des generalisierten Schwachsinns in die Archäologie eingegangen sein, wenn man sich ansieht, welche Tragik aus unserer Zeit eine Chance hat, diese ferne Zeit zu erreichen und von hoffentlich gebildeteren Menschen wiederentdeckt zu werden - stellt sich nur die Frage, ob die Menschheit nicht bis dahin ihre eigene Ausrottung ohnehin besiegelt haben wird - Dinosaurier waren daher wohl wenigstens intelligenter, das nicht selbst geschafft zu haben!

Und erst recht nicht: Auf ihre Pseudo-Gescheitheit auch noch stolz zu sein!
 
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Ich möchte mich hier Cheyenne anschließen!

Ich sehe stark differente Unterschiede zwischen Bildung in Form von "Ausbildung einer Funktion" und "Bildung im menschlichen Sinne", die Bildung sprich Anhäufung von Wissen kann hierbei nur als Instrumentarium der eigentlichen Menschlichen Bildung und des Erhalts des Psychischen und Physischen Körper dienen.
Für den reinen Erhalt bedarf es jedoch nicht wirklich viel!
Die Frage ist doch auch, was macht die "Würde des Menschen" aus, in Deutschland gerade wieder ein Thema (wegen Hartz-4).
Meiner eigenen Überzeugung nach ist es jedenfalls nicht einfacher "Kaufwert"!
Aber genau auf diesen Kaufwert zielt leider die heutige "Bildung" immer noch ab.
Erschreckend fand ich in diesem Zusammenhang die Äusserung eines Verantwortlichen für das, in Deutschland eingeführte, Eliteschulensystem;
Eliteschulen sollen "keine" Entscheidungsträger heranziehen, sondern lediglich "absolute Spezialisten" auf dem entsprechenden Fachgebiet heranbilden.
In meinen Augen führt dieses in unserer heutigen Zeit nur zu funktionellen Arbeitsdummies.
Auf der anderen Seite besteht selbstverständlich die Gefahr bei Bildung einer Führungselite, das sich diese im Monarchisch-, Aristokratischen Sinne abkapselt.
Ziel sollte es sein den Menschen zum Homo Humanis zu bilden, dem Verantwortlichen Mensch welcher die Gesamtheit Mensch versucht im Blickfeld zu behalten, dies schließt selbstverständlich seine gesamte Lebensgrundlage mit ein!

Es bleibt schwierig!


Gruß Andreas
 
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Bild Dir eine Meinung ;)

Hai, einen Gruß an alle,

inhaltlich möchte ich mich auch ein wenig an Cheyenne dran hängen.

Der bürgerlich-humanistische Bildungsbegriff ist das Eine, doch das meine ich nicht, wenn ich einen Menschen als "gebildet" betrachte.

Eigentlich könnte man Bildung, meiner Ansicht nach, ganz gut analog zu den Ebenen der "Intelligenz", nach Salovey, Mayer und Gardner Emotionale Intelligenz - Wikipedia usowie vor allem Goleman Emotionale Intelligenz betrachten.
(Siehe bitte auch https://www.symptome.ch/threads/intelligenz-kontra-bewusstsein.47396/#post-283079 )

Die "Ebenen der Bildung"

- kognitive Bildung ist meiner Ansicht nach das, was das Individuum benötigt, um in In- und Peergroups zurecht zu kommen, seine gesellschaftlichen, beruflichen, individuellen Perspektiven zu planen und zu gestalten.
- emotionale und soziale Bildung umfasst nach meiner Auffassung die Fertigkeiten, die man im interaktiven Austausch, in der Beziehungsgestaltung, in familiären, sozialen und politischen Systemen und Subsystemen (auch in der Karrieregestaltung, zum Beispiel) benötigt.
Die "Herzensbildung" ;) gehört unbedingt mit dazu, finde ich.

Kathy hat den Begriff der "Spirituellen Intelligenz" https://www.symptome.ch/threads/spirituelle-intelligenz.47945/ hier im Forum eingebracht :) (danke Kathy). Auch diesen Bereich würde ich mit einbeziehen. Spirituelle Bildung - wobei ich diesen Begriff sehr weit fasse und hier auch die Philosophie und die weltanschauliche "Platzbestimmung" von Atheisten und das was man an "Bildung" dazu benötigt, mit einbezogen sehen würde.
Auch hier sehe ich wieder einen individuellen, persönlichen aber auch einen sozialen Aspekt.

So viel erst mal von mir zum Thema.
Herzliche Grüße von
Leòn
 
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Ich glaub, Bildung kann sehr dumm machen.

Bildung läuft in der Regel ohne Überlegung bzw. ohne größere Verarbeitung der Sachverhalte ab.
Da aber vieles gar nicht stimmt (z.B. wird die Hälfte der Studien unter Verschluss gehalten!) ist Bildung nicht nur wertlos, sondern u.U. sogar noch sehr gefährlich!

Da mein Vater Dozent war, weiß ich genau wovon ich spreche :D

Allerdings muss man das extreme Risiko der (Falsch-)Bildung letztlich doch eingehen! Die Griechen hatten ja schon mal ca.300 Jahre die Schrift wieder abgeschafft. Brachte sie aber auch nicht weiter! :bang:
 
Weil ich eine Freundin der Freiheit bin, bin ich der Meinung, dass Bildung/

Pädagogik einen Menschen in die Lage versetzen sollte, seine eigenen Wege

und seine eigenen Lösungen zu finden.

Ein bekannter Reformpädagoge sagte dazu sehr eindrucksvoll:

Einer der härtesten Sätze lautet: in der Diktatur wurden die Menschen

abgerichtet, in der Demokratie unterrichtet.

Unterrichten ist nämlich die Erzeugung von Untertanen.

Damit das ganze ein Ende hat, sollte an den Schulen nicht mehr unterrichtet,

sondern aufgerichtet bzw. aufgebaut werden.


Wie sieht die Bildung heutzutage, am einzelnen Menschen aus?

Die Pädagogen laufen häufig Gefahr, Defizite aufzuspüren, und zwar aufgrund

eines an sich edlen Motivs, weil sie nämlich anschließend Defizitausgleich

betreiben wollen. Das Problem ist aber: Die wenigsten Menschen haben es

gerne, von professionellen Pädagogen mit einem defizitorientierten Blick

verfolgt zu werden, damit diese anschließend an jenen einen Defizitausgleich

betreiben können. Vor solchen Menschen wie diesen Pädagogen flüchtet man.

Deswegen ist es wichtig, dass man als Pädagoge die Haltung entwickelt, als

Erstes die Stärken an Personen zu sehen, dass man in den

Bildungseinrichtungen den Menschen die Möglichkeit gibt, dass sie ihre

Stärken leben können. Und wenn sie das können, dann sind sie auch bereit,

es anzunehmen, wenn ihnen gesagt wird: "Schau mal, da hast du eine

Schwäche. Jetzt widmen wir uns mal dieser Schwäche, dann kommst du auch

noch darüber hinweg." Es geht also darum, die Gelingensbedingungen zu

stützen und zu stärken. Das schafft man, indem man von den Fähigkeiten und

Ressourcen der einzelnen Person ausgeht und nicht von ihren Defiziten.


Kayen
 
...Der Mensch sollte endlich aufhören mit dem "Gut- und Böse-Spiel".

diesen satz ausgerechnet von dir zu lesen, überrascht mich ehrlich gesagt ein wenig. aber sei´s drum.



Das thema lautet ja WAS ist bildung.

ich werde sehr aufmerksam dieses thema verfolgen. wenn dieses dann ausreichend erörtert wurde, dann könnte man ja vielleicht auch ein thema starten, wie man bildung "gerecht" verteilt.

aber zuvor wird es wahrscheinlich sehr hilfreich sein mal zu ergründen was wir unter bildung verstehen, und welche erwartungen wir in bildung setzen können.


ich möchte eine zeile aus einem lied zitieren:

"traurig aber Wahr.....

dass ein Kind betrogen wird,
dadurch das es erzogen wird."


bei der frage "was ist Bildung" muß ja auch sofort wahrheit ins spiel kommen.

denn bildung kann ja im eigentlichsten sinn nur wahrheiten bedeuten.


es gibt aber nicht nur eine wahrheit. vor allem wenn sie durch dritte vermittelt werden (müssen).

aber viele individuen, viele "wahrheiten".

müßte dann nicht um bildung wirklich zu vermitteln, eine losgelöste, andere instanz, eine der absoluten wahrheit verplichteten, diese vermitteln?

denn jedes individuum verfälscht ja, wenn auch nicht zwingend absichtlich oder vorsätzlich, jede wahrheit tendenziell in richtung eigener sichtweise.


gibt es da eine lösung?



richter
 
Ich habe auch nichts zu sagen, was RRichter nicht schon geschrieben hätte.:wave:
Mich regen die Willkür und Ungerechtigkeiten des vorh. Bildungssystems schon lange auf. Daher bin ich der Meinung, dass eine Reformation längst überfällig ist.
Das ist hier aber nicht das Thema.
 
Ein Aspekt von Bildung ist auch:

Ich muss nicht alles wissen, aber wissen, wo ich was nachlesen kann.

Da mir schon der Name eher schweizerisch schien, reicht meiner Meinung nach Wikipedia als Quelle aus ;).

Hast du den Artikel gelesen?

Liebe Grüsse
pita
 
Hallo richter,

er hält seine Vorlesungen in Berlin und wird daher, wie er auch selbst sagt und schreibt als "Deutscher" gesehen.

vGH peter
 
Bildung ist für jeden Menschen etwas anderes. Daher ist es nicht möglich, das richtig zu definieren. Das zu versuchen ist der Anfang von etwas unmöglichem.

Jedenfals ist es ganz sicher, dass Bildung nichts mit finanziellem Erfolg zu tun hat. Und auch nichts mit irgendwelchen Diplomen.

Gruss Ruedi:wave:
 
Hallo zusammen,
ja so ist das mit der schlechten Philosophie. Man nehme einen Begriff und schwadroniere, was man sich darunter vorzustellen habe. Noch "besser" wird es, wenn man diskutiert, was man sich eigentlich darunter vorzustellen habe.

Die Frage was es sei, ist fruchtlos. Wollt ihr "Erhellung", geht philosophiehistorisch vor. Fragt nach der Geschichte des Begriffs. Das ist aber eine andere Frage.
 
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