Werte - Wertvorstellungen

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Jede Gesellschaft und jeder Gesellschaftsform verfügt über einen bestimmten Wertekanon. Die Werte variieren und verändern sich, von Generation zu Generation. Dies war schon immer so und dies wird immer so bleiben.

Wenn von einem Wertewandel gesprochen wird, kann ich für mich sagen, dass ich dieses Wort sehr treffend finde. Denn dieser Wandel findet statt, kontinuierlich. Sicher gibt es auch Situationen, in denen dieser "Wandel" sich radikaler vollzieht und als Bruch erlebt werden kann.
Auch das gab es schon immer. Ein Wandel der Werte geht mit den gesellschaftlichen Veränderungen einher und ist zum einen Folge, zum anderen aber auch treibende Kraft der Entwicklung.

Manchmal beklagt eine Generation den Verlust der alten Werte (möglicherweise ohne wahrzunehmen, welches Neue und Gute dies beschert hat :) ) . Dies hat es immer gegeben und ist, literarisch, spätestens ab dem hohen Mittelalter dokumentiert.

Bestimmt kann es auch gut sein, sich auf "alte Werte" zu besinnen und sie sozusagen zu "reaktivieren".

Wobei ich denke, dass die Kern - Bestandteile dieser "Werte" (oder meinetwegen auch "Tugenden" :eek:)) immer Gültigkeit haben.


Und was denkt Ihr?


Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leon

Deinem prägnaten Text zustimme. Das Thema ist auch sehr wichtig.

Werte bauen auf einer Weltanschaung auf, weshalb sie starkt Glaubens-/ Religionsbeeinflusst sind.
Die Werte des Westens bauen auf einer christlichen Weltanschauung auf. Die Werte des westens sind in Teilbereichen aber unterschiedlich, vor allem, weil die Religionen nicht überall gleich sind (Katholizismus, Protestatismus als Hauptunterschiede). Man kann an den Werten (Stellung der Frau zB) und des materiellen Reichtums eines europäischen Landes meist dessen Religion erkennen. Die Werte beeinflussen so viel wie nichts anderes den materiellen Reichtum, die Regierungsform (Demokratie), die Stellung zur Wissenschaft, die Ansicht der Menschenrechte etc etc.

Es gibt beklagbare Verluste von "alten" Werten, dh gewissen christlichen Werten. Diese haben wie alle werte bzw deren Verlust wie Du schriebst einschneidende Auswirkung auf gesellschaftliche Veränderungen und damit auch auf Sicherheit, Gewalt, materieller Reichtum, freie Meinungsäusserung etc.
Die negativen Auswirkungen dieser Werteverluste (besser Werteabbau, da alles noch nicht verlustig ist) macht sich sehr stark in den letzten Jahren bemerkbar (Jugendgewalt, Schmierereien, Scheidungen, sexueller Missbrauch etc etc).
Werte wie Ehrlichkeit, Treue, Familiensinn etc werden dem Relativismus geopfert. Nichts mehr ist Absolut, ausser das Relative. Orientierungslosigkeit etc sind weitere Auswirkungen.
Gemäss Offenbarung wird es leider noch schlimmer werden.
 
Hallo Beat,

danke für Deine Antwort!

Werte bauen auf einer Weltanschaung auf, weshalb sie starkt Glaubens-/ Religionsbeeinflusst sind.

Ja, das sehe ich teilweise auch so, ich sehe allerdings, dass ja auch die Glaubensvorstellungen bzw. die Auslegung und Auslebung von weltauschaulichen und religösen Inhalten, sich unter verschiedenen Einflüssen, zeitabhängig unterschiedlich gestalten kann.

Aus meiner Sicht gibt es außer religiösen auch weltanschaulich inspirierte Werte. Wie zum Beispiel das "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" der bürgerlichen Bewegungen im 18./ 19. Jahrhundert.


Meine Frage an alle: welches sind denn heute dieentscheidenden prägenden Werte unserer mitteleuropäischen Gesellschaften? So etwas wie: Individualität, Freiheit, Gemeinschaft?

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leon
Auch die weltanschaulichen Werte sind meist im weiteren Sinne religiös (alle -ismen)inspiriert. In einem islamischen Land wäre zB die drei franz Revolutionsworte nicht möglich.

Zur Frage: Individualität, Freiheit und Relativismus würde ich sagen
 
Hallo Beat,

danke für Deine Antwort. Wenn wir beiden wieder loslegen und über die Entstehung der heutigen mitteleuropäischen Kultur diskutieren,;) dann sind wir ruckzuck weg vom Thema! :D

Aber zu den heutigen Werten:
Ich habe den Eindruck, dass der Begriff der Menschenwürde (und deren Schutzwürdigkeit) schon einen wesentlichen Wert in weiten Teilen der Welt darstellt. In der deutschen Verfassung (Grundgesetz) ist er festgeschrieben, In Artikel 1, Satz 1:
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Der Begriff tauchte übrigens auch in den Verfassungen der DDR auf.

Andererseits ist der Begriff, bzw. die darin steckenden Ideen, uralt und findet sich Grundzügen im alten Judentum, in der antiken Philosophie und im frühen Christentum. (Übrigens gibt es diese Ideen auch im Konfuzianismus und im Buddhismus).

Zu einem umfassenden philosophischen Konzept ausformuliert wurde der Begriff der Menschenwürde aber erst im Zuge der europäischen Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert.
https://www.symptome.ch/threads/werte-wertvorstellungen.15611/#post-126179

Nun stellt diese Menschenwürde, der ja zum Beispiel die die Inhalte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte amnesty international Deutschland - Themenbericht inneliegt, sicher einen Wert, aber dennoch eine schwer zu fassende Begrifflichkeit dar. Wird sie doch, selbst in westlichen Kulturen, teilweise höchst unterschiedlich ausgelegt.

Und dass sie außerdem immer wieder ignoriert wird, ist leider auch wahr.

Herzliche Grüße von
Leòn

Menschenrechte - Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Okay, dann mache ich alleine weiter. ;)
Ein weiterer Wert scheint - auch in unserer Gesellschaft - die Gerechtigkeit zu sein. Auch hierbei handelt es sich, so denke ich um eine sehr alte Wertvorstellung. Er taucht wohl in allen, auch in allen bekannten historischen, Kulturen auf.
Ich denke, unter anderem steckt inhaltlich "recht" also richtig darin, aber auch der Begriff Recht (der ja wiederum auf "richtig" basiert) ist wohl ableitbar.

Ich selbst interpretiere den Begriff der "Gerechtigkeit" so, dass darin so etwas wie der Anspruch auf Gleichbehandlung steckt und auch eine gleiche Beurteilung aller Taten (in früheren Kulturen waren die Menschen nicht gleichberechtigt, also hatte der Begriff abgestuftere Inhalte, richtig wurde sozusagen anders interpretiert, so nach dem Motto: "wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe" (Wie zum Beispiel im antiken und mittelalterlichen Standesrecht)!

Heutzutage, so denke ich, wird in dem Begriff zum Einen der Gleichbehandlungs-, der Gleichwertigkeits- und der Gleichberechtigungsgedanke impliziert. In manchen Kulturen, bei uns war das früher auch so, waren nur die Angehörigen einer jeweiligen Schicht' (Stand, Klasse) "gleich" und wurden nur auf der jeweiligen gesellschaftlichen Ebene als "gleichwertig" angesehen. Gleichberechtigung wurde also nur im Zusammenhang mit der jeweiligen gesellschaftlichen Schicht wahrgenommen.
Also war die Gleichbehandlung nur im Rahmen der "gleichwertigen und gleichberechtigten" Schicht gefordert und gesellschaftliche Norm. Dies gilt für unsere mitteleuropäischen Gesellschaften, nach meiner Auffassung, mindestens bis zum Ende des ersten Weltkrieges.

Also gab es, gesellschaftlich gesehen, keinen umfassenden, alle Individuen einbeziehenden Gerechtigkeitsbegriff. Das ist heute wohl anders:

Die wichtigste praktische Anwendung der Idee der Gerechtigkeit findet sich auf dem Gebiet des positiven Rechts. Dabei ist die Gleichheit vor dem Gesetz eine der entscheidenden Grundlagen des juristischen Bemühens um die Gerechtigkeit. In den meisten Verfassungen wird diese als Grundlage des Rechtsstaates eingefordert: „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ (Artikel 1, Grundgesetz der BRD) sowie „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (Art. 3 Abs. 1 GG)

Die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 formuliert: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. [...] Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen."
Gerechtigkeit - Wikipedia

Ich weiß ja nicht, ob Ihr mir da zustimmt, wenn ich diesen Begriff als Wert postuliere?

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Herr der flachen Lande, der städtischen Sozial-Ethik, der Balkon-Katzen und der Vielosovieh.

Werte-Wandel oder Werte-Verlust? Vor Jahren, zu unseren "wilden" Zeiten stellten wir uns vor, dass das was wir Zivilisation nennen, eine gar dünne Farbschicht wäre, die ganz schnell ein paar Kratzer drinn hat. Noch viel dünner schätze ich, ist der Lackglanz der Gerechtigkeit und der Menschenrechte. Gerechtigkeit muss man sich leisten können und wollen. Dazu braucht es wohl auch Sicherheit und Vertrauen in sich selber und ins Leben. Moralvorstellungen entstehen aus der Angst, ethische Vorstellungen aus dem Erkennen der wirkenden Naturprinzipien. Ob dies für Ethiken mit Anhängsel wie sozial-..., Wirtschafts-... usw. auch noch zutrifft, wage ich zu bezweifeln. Was stimmig ist, ist in sich einfach und für das simpelste Gemüt verständlich. So ist es angelegt. Allerdings - aber das hatten wir woanders schon mal - leben wir im Zeitalter der totalen Zerstreuung. Da wandeln sich die Werte nicht mehr, nein, sie lösen sich auf, werden bis zur Unkenntlichkeit zerstreut, landen in der Entropie.

Würden sie sich wandeln, wäre die Welt reicher, aber sie verarmt zusehends. Es verarmt die wahrnehmbare Vielfalt. Was alles ist nur innerhalb einiger weniger Jahrzenhnte an altüberliefertem Wissen verloren gegangen? Von dem Augenblick an, wo ein Ding nicht mehr gebraucht wird, ihm durch seine Anwendung und Beachtung Sinn gegeben wird, fängt es an zu zerfallen, sich zu zerstreuen, sich aufzulösen, in der anonymen Entropie in der Sinn- und Formlosigkeit sich aufzulösen.

Dies ist ein Wirkprinzip und gilt sowohl für Gegenstände als auch für Menschen, wie die deutlich zunehmenden tagtäglichen menschlichen Tragödien beispielhaft zeigen.

Es mag vereinzelt Werte geben die sich wandeln, also evoluieren, sich weiterentwickeln - vieles aber zerfällt ganz einfach, ersatzlos.

Das einzige was uns letztendlich da raushaut, sind wir selber, unsere eigenen persönlichen Wertvorstellungen. Und je genauer diese mit den in der Natur für jedermann beobachtbaren Prinzipien übereinstimmen, um so besser für einen selber, und somit für das Allganze.

Manchmal wäre es gut sich daran zu erinnern, was man schon einmal wusste.
 
Hallo Leon

Man kann Werte von Kultur schlicht nicht trennen und zum Verständnis muss man die Wurzel kennen. Man geht also bei der Diskkussion um Entstehung nicht weg vonmm Thema sondern an den Ursprung.

Ich habe den Eindruck, dass der Begriff der Menschenwürde (und deren Schutzwürdigkeit) schon einen wesentlichen Wert in weiten Teilen der Welt darstellt. Du könntest Dixch mit diesem Eindruck täuschen. Das dieser Wert in den zumindest ehem. christlich geprägten Ländern wesentlich ist, heisst nicht, das er überall so ist. Du hast selbst interessanterweise Konfuzius und nicht Japan erwähnt. In Japan hat er auch einen gewissen Wert, weil Japan eben durch Konfuzius beeinflusst wurde.
Am Beispiel von Idien möchte ich zeigen, das dieser wert eben nicht einfach so da ist.
In Indien sterben täglich auf der Strasse sichtbar viele Menschen an Krankheit, Unterernährung etc. Täglich sammelt man die Toten einfach ein, tag für tag. Es ist teilweise ein unnötiges, sicher ein völlig unwürdiges Sterben. Dagegen wird kaum angegangen, bzw die externe Mutter theresa ging dagegen an, eben weil die Menschenwürde für sie infolge Ihres Glaubens sehr wichtig war. Das nichts dagegen tun widerspricht dem Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Dieses Nichtstun ist nur mit einem anderen Menschenbild vereinbar, sei es einem menschenbild bei dem der Mensch maximal nicht viel mmehr als ein Tier ist, oder bei dem man karmaartig die Situation als nicht beeinflussbar oder als richtig erachtet.

Stimme Dir aber zu, das der schön formulierte Begriff als Wert postuliert/ angesehen wird.
 
Hallo Phil

Allerdings - aber das hatten wir woanders schon mal - leben wir im Zeitalter der totalen Zerstreuung. Da wandeln sich die Werte nicht mehr, nein, sie lösen sich auf, werden bis zur Unkenntlichkeit zerstreut, landen in der Entropie.
Findf ich schön und treffend gesagt.
 
Hallo Beat,

ja - Du hast Recht. Ich bin außerdem der Auffassung, dass unsere heutige Kultur, mit ihren modifizierten Wertauslegungen, das Produkt einer langen Entwicklung ist. Hier stecken heidnische, jüdische und christliche, humanistisch - aufklärerische, vor allem auch die materialistischen Auswirkungen von Feuerbach, Hegel, Marx und vor allem auch Kant und ein bisschen Nietzsche, spielen heute eine Rolle. Dass unsere Sach- und "Geisteskultur" im Mittelalter von islamisch - arabischen Einflüssen mitbeeinflusst wurde, brauche ich einem gebildeten Menschen wie Dir ja nicht zu erzählen!

So, und so schließe ich hier gleich an ;)


Hallo Herr der Berge und Täler, der Wiesen, Wälder und Auen, Herr des Pendels und der Rute, Kundiger der Energien und Strahlen und des Nachtischs, kurz Phil ;),

ja - ich kann mir gut vorstellen, dass man auf die Idee kommen kann, dass sich die "Werte auflösen" und manche nur noch auf dem Papier existieren. Wenn man aber der Überzeugung ist, dass ohnehin alles in einem Wechselspiel aus Beharrung und Veränderung existiert, und somit sowohl konservierend, als auch im (auch geschichtlichen) Fluss ist, dann mag es sich etwas anders darstellen.
Einer der zentralen "Werte" unserer Zeit, ist ganz offenbar die Individualität. Die Wahrnehmung des Menschen als Einzelwesen. Völlig anders als im Mittelalter, selbst noch als in den frühen Industriegesellschaften oder noch in den ländlich - bäuerlichen Gegenden im frühen 20. Jahrhundert.

Erscheint nun die Individualität (Freiheit des Einzelnen, Recht auf Selbstverwirklichung) als zentraler gesellschaftlicher Wert, dann relativieren sich m.E. die übrigen Werte. Alles wird in Bezug zu dem zentralen gesetzt und erscheint als in "Auflösung begriffen". Dennoch, so denke ich, sind andere ("alte", prinzipielle) Grundwerte vorhanden und wirken auch mit!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leon

dass unsere heutige Kultur, mit ihren modifizierten Wertauslegungen, das Produkt einer langen Entwicklung ist. Hier stecken neuheidnische, christliche, humanistisch - aufklärerische, vor allem auch die materialistischen Auswirkungen von Feuerbach, Hegel, Kant und ein bisschen Nietzsche, spielen heute eine Rolle.
im wesentlichen zustimme, einige wenige da kaum relevant aber oben gestrichen oder ergänzt. Auch die araabisch islamischen Einflüsse sind kaum relevant, dafür die griechischen / helenischen.

Erscheint nun die Individualität (Freiheit des Einzelnen, Recht auf Selbstverwirklichung) als zentraler gesellschaftlicher Wert, dann relativieren sich m.E. die übrigen Werte. Alles wird in Bezug zu dem zentralen gesetzt und erscheint als in "Auflösung begriffen". Dennoch, so denke ich, sind andere ("alte", prinzipielle) Grundwerte vorhanden und wirken auch mit!
Schön gesagt, speziell den Zusammenhang im ersten Satz find ich gut getroffen.
 
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