Krankenhauskeime - Acinetobacter baumannii

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Deutsches Ärzteblatt: Größerer Ausbruch mit multiresistentem Acinetobacter-Stamm am Universitätsklinikum Kiel
26. Januar 2015

Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) Standort Kiel, gibt es seit zweieinhalb Monaten einen größeren Ausbruch eines gramnegativen Bakteriums, das gegen die vier relevanten Antibiotikagruppen Resistenzen aufweist (Penicilline, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Carbapeneme und Fluorochinolone). Inzwischen sind 31 schwerkranke, zum Teil ältere Intensivpatienten mit diesem sogenannten 4 MRGN-Stamm von Acinetobacter baumannii kolonisiert, zwölf Patienten starben …Der Erreger löst vor allem Wundinfektionen oder Lungenentzündungen aus. …..Nach Angaben der Klinik war die Infektion bei neun der Patienten aber nicht die Todesursache, bei den beiden übrigen sei ein Zusammmenhang nicht auszuschließen ….

Multiresistente Stämme von Acinetobacter baumannii - die meisten Stämme mit Antibiotikaresistenzen bilden auch Carbapenemasen - werden weltweit als Verursacher von Hospitalinfektionen immer häufiger und gelten als hochgefährliche Erreger. Sie erhöhen die Mortalität bei schwerkranken Patienten und solchen mit Immunsuppression.

„Das Auftreten von Erregern, die Carbapenemasen bilden, muss generell als hygie¬nischer Notfall gewertet werden", so der Infektiologie und Hygieneexperte …
KOMMMENTAR
Staphylococcus rex:
4MRGN + Umweltresistenz= tödliche Mischung
Eine Carbapenemasebildner allein wäre schon schlimm genug. Bei Acinetobacter baumanii kommt noch eine erhebliche Umweltresistenz hinzu. Wenn man der Literatur glauben darf, kann der Keim locker 3-4 Wochen auf trockenen Oberflächen überstehen. Bei über dreißig besiedelten Patienten dürfte die auf die Umgebung verteilte Keimlast so groß sein, dass eine Dekontaminierung der unmittelbaren Patientenumgebung nicht mehr ausreicht, um im laufenden Betrieb den Ausbruch einzudämmen.

Aus hygienischer Sicht würde ich den Erreger nicht wie eine Schmierinfektion handhaben, ich würde Maßnahmen ergreifen, die Aerosolbildner und Sporenbildner eindämmen. Auch wenn das ein Geschäftsführer nicht gern hören wird, aber solange noch besiedelte Patienten auf der ITS sind, kann man nur versuchen, durch Desinfektion die Keimlast zu senken. Erst wenn die ITS komplett geräumt ist, kann man entweder den gesamten Gebäudetrakt mit Formaldehyd begasen oder man muss mindestens 4 Wochen warten (besser sogar 6 Wochen).

Ein Acinetobacter-Ausbruch ist so ziemlich der absolute Albtraum. An Stelle der lokalen Verantwortlichen würde ich mir für die nächsten 6-8 Wochen eine internistische Ersatz-ITS zulegen.

Und dreißig besiedelte Patienten sind dreißig tickende Zeitbomben. Ich kenne mindestens einen Fall, wo jemand einen derartigen 4MRGN Acinetobacter über zwei Jahre ausgeschieden hat. Das heißt die Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen der Umgebung werden noch über Jahre hinaus die Nachwehen dieses Ausbruchs spüren.
 
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Deutsches Ärzteblatt: Deutschland fehlen mindestens 1.000 Infektiologen
22. Januar 2015
Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) hat die Politik aufgefordert, die Infektiologie in Deutschland strukturell zu stärken statt neue Gesetze und Verordnungen auf den Weg zu bringen. …. In der akuten Situation hänge alles von einer zügigen und korrekten Diagnose, dem Einsatz der geeigneten Medikamente und der richtigen Therapiedauer ab. „Dafür brauchen wir keine neuen Screenings, sondern mehr und gut ausgebildete Infektiologen – sie fehlen Deutschland heute“, so Fätkenheuer. Den Bedarf alleine im Krankenhausbereich schätzt die DGI auf mindestens 1.000 Fachkräfte. Aktuelle Studien zeigen laut der Fachgesellschaft, dass die Überlebenschancen von Infektionspatienten steigen, wenn ein Spezialist für Infektions¬krankheiten sich an der Behandlung beteiligt.
KOMMENTAR
Staphylococcus rex
Ohne Mikrobiologie keine Infektiologie
Offen bleibt in diesem Artikel, woher die 1000 Infektiologen kommen sollen. Gerade das notwendige Fachwissen um die Erreger, deren Pathogenitätsfaktoren, die Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik und die geeigneten Antibiotika setzen ein mikrobiologisches Fachwissen voraus, was mal nicht eben einfach so in ein paar Wochenendkursen erworben werden kann. Als Infektiologe sollte man mindestens ein halbes Jahr in einem gut geführten bakteriologischen Labor verbracht haben, besser noch den doppelten Facharzt Mikrobiologie und Innere besitzen.

Die Geringschätzung der Mikrobiologie in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass die Ausbildungskapazitäten mittlerweile so begrenzt sind, dass selbst Mikrobiologen mittlerweile eine aussterbende Spezies sind. Erst wurden in den 90-ern die Hygieneinstitute abgewickelt, dann wurden die LUA’s gesundgeschrumpft und in den letzten Jahren haben auch die Uni’s ihr Personal deutlich reduziert.

Mittlerweile wird der Mangel nur noch verwaltet. Dabei sind es die Mikrobiologen, die trotz aller Schwierigkeiten eine Basisversorgung aufrecht erhalten haben, die antibiotic stewardship betrieben haben, bevor der Begriff erfunden wurde, nur hieß es damals Stationsbetreuung. Den Stellenwert der Mikrobiologie in den Augen der Geschäftsführer erkennt man zum Beispiel ganz einfach daran, wie viele Krankenhäuser überhaupt noch ein eigenes mikrobiologisches Labor besitzen, meiner Erfahrung nach sind es nur noch die Unikliniken und ein Teil der Häuser der Maximalversorgung.

Auch die Bemerkung, die Krankenhaushygieniker und Mikrobiologen sollten doch bloß die Sicherheit überwachen, zeugt von einem erheblichen Maß an Ignoranz. Der Mikrobiologe hat durch seinen Einblick in die Rohdaten (der Primärablesung) einen Informationsvorsprung von mindestens 24 Stunden gegenüber jedem anderen ärztlichen Kollegen. Das heißt, wer die Therapieempfehlungen gibt, ob Infektiologe, Hygieniker oder Mikrobiologe ist eigentlich egal, aber er sollte unmittelbaren Zugriff auf die Rohdaten haben und das Fachwissen haben, diese Rohdaten zu lesen. Da aber die meisten Krankenhäuser kein eigenes Bak-Labor mehr besitzen, sind Infektiologen und externe Hygieniker aus Datenschutzgründen beim Laborprogramm automatisch ausgeschlossen. Das ist umso bedauernswerter, da man durch MALDI-TOF und Kenntnis der regionalen Resistenzlage heute deutlich schneller ist als noch vor wenigen Jahren.

Es würde mir als Mikrobiologen sehr viel Kraft und Zeit ersparen, wenn ich bei meinen Anrufen einen Infektiologen als Gesprächspartner hätte. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich dagegen schon froh, wenn ich jemanden antreffe, der ein korrektes Hochdeutsch spricht. Und wenn es gelingen würde, die Mikrobiologie nicht nur als Kostenfaktor zu sehen und den Teufelskreis von immer mehr Untersuchungen zu immer schlechteren Preisen zu durchbrechen, dann hätten wir auch mehr Zeit für das was von uns erwartet wird, nämlich unsere klinischen Kollegen zu beraten und einen Teil von ihnen bei uns auszubilden.
 
Die Infektiologie soll gestärkt werden, lese ich. Jahrzehntelang haben Schulmediziner mit immer neuen Antibiotika multiresistente Keime förmlich herangezüchtet. Diese Antibiotika haben das Immunsystem der Menschen geschädigt, sind selbst bei Virusinfektionen verordnet worden sie schwächen das Immunsystem nachhaltig, während verbliebene Erreger resistent wurden. Diese Entwicklung ist ebenso lange bekannt, wie es diese Antibiotika gibt. Jetzt ruft dasselbe Klientel, das der Entwicklung zulange zugeschaut hat, nach mehr Finanzmitteln. Bedenklich!! Andere Wege in der Infektiologie zu beschreiten, wird auch weiterhin Wunschdenken bleiben, die Pharma-"Allmacht" wird weiterhin Möglichkeiten der alternativen Behandlung und Bekämpfung solcher resistenten Keime nicht sehen wollen, solange sie nicht patentierbar und profitabel sind. Das ist das ganze Dilemma!
 
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