Kurzzeitmedikament für einen Flug

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Hallo zusammen,

ich habe keine Flugangst, aber Klaustrophobie. Wobei diese sich nur über einen längeren Zeitraum manifestiert. Ich habe z.B. keinerlei Probleme in einem voll besetzten Aufzug zu fahren, denn das dauert ja höchstens eine Minute. Dito voll besetzte U-Bahnen, Busse, etc.

Für Flüge bis ca. 2 Stunden habe ich auch keine Probleme, da reicht mir mein Antistress V/L völlig. Auch längere Zugfahrten sind kein Problem, denn zum einen ist es dort idR nicht so beengt und zum anderen hält der ja auch mindestens alle 30 Minuten. Deshalb ist da im Kopf immer die Gewissheit, dass ich bald aussteigen könnte, wenn ich wollte.

Aber bei einem 8-Stunden-Flug oder länger kriege ich echt die Krise, vor allem über dem Gedanken, definitiv *nicht* rauszukönnen.

Daher würde ich gerne für den einen längeren Flug im Jahr (ok, Hin- und Rückflug sind 2) mal irgendein "Leck mich forte" nehmen, das mich für etwa 6-10 Stunden schön runterbringt, idealerweise auch schlafen lässt, aber von der Wirkung her auch einigermassen rasch wieder nachlässt.

Ich habe mir mal Bromazepam 3mg für den Notfall verschreiben lassen.
Das habe ich dann mal an einem normalen Tag (nicht auf einem Flug) ausprobiert. Ich habe nur eine halbe genommen, abends 1h vor dem schlafen gehen. Vor dem Schlafen habe ich nichts gemerkt, aber am nächsten Tag war ich sowas von "neben der Spur", wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht hatte und mir auch nie hätte träumen lassen. Mein Schwindel (mein Hauptproblem) war stärker denn je, aber es hat mir nichts ausgemacht. Das war eine fast maximale "Sch....egal"-Erfahrung. Insofern war der gewünschte Effekt durchaus gegeben. Aber er hat eben 24h angehalten und das ist mir ehrlich gesagt doch etwas zu lange, denn nach dem Flug sollte ich mich ja irgendwie orientieren können und nicht in einem fremden Land komplett verpeilt in der Gegend herumirren.

Frage: gibt es etwas, was schnell wirkt und dann auch schnell wieder nachlässt, ca . für 8-12h. Evtl. auch nur 4h, denn zum einen könnte ich ggf. dann nochmal nachlegen, zum anderen brauche ich wahrscheinlich auch nichts mehr, wenn ich weiß, dass es nur noch 2-3 Stunden bis zur Landung sind.

Wie gesagt: ich habe absolut 0 Angst vor dem Fliegen, auch nicht vor dem Landen, es ist alleine die beengte Situation über einen längeren Zeitraum.

Hat jemand von Euch damit Erfahrungen und könnte mir da was empfehlen ?

Vielen Dank und Gruß
Frank

P.S.: Ja, ich bin auch gegen Psychopharmaka und habe sie bislang auch konsequent vermeiden können. Aber wie gesagt, für 1x im Jahr ... :eek:)
 
Hallo Frank,

1x pro Jahr wird Dir auch ein Diazepin nicht schaden.

Aber ich persönlich fände es schade, wenn Du es einnehmen würdest.

(Ich habe vor Jahren relativ viel Valium eingenommen. Es machte mich so schön cool, vor allem angstfrei, pseudolocker bei Kontakten. Optimale Tagesdosis 3,75 mg. Erst später, als ich mich mit Selbsterfahrungsmethoden beschäftigte, sie lernte, wurde mir klar, was für einen Schatz ich mir da jeweils amputiert hatte.)

Denn die Angst ist ein Stück, eine Spielart, eine Variante Deiner Lebensenergie. So ähnlich, wie jede Farbe zum Regenbogen gehört - auch die, welche wir nicht mögen.

Einfach wahrnehmen - nicht verurteilen, nicht abwehren, nicht wegatmen usw. Körperlich (!) spüren: wo sitzt sie? wie was fühlt sie sich an? wo will sie hin? was will sie mir sagen? verändert sich die Empfindung? usw. Geht wohl eher nicht vorbeugend sondern im Flugzeug. Von dem Augenblick an, in dem die Türen sich schließen und Du weißt, für wieviele Stunden. (Vorbeugend würde ich die Tranquillizer in den Sondermüll geben.)

Die Grundhaltung: Offenheit, Neugier. Fragend, teilnehmend.

Woher überhaupt die Idee, wir sollten angstfrei sein? "Das Ich ist die Stätte der Angst", schrieb Freud. Und: "Mut bedeutet nicht, ohne Angst zu sein, sondern sich seiner Angst zu stellen" (Trungpa).

Die Antworten nicht eigenmächtig selber geben (wie Mütter, die Fragen selber beantworten, welche ihrem Kind gestellt wurden). Sondern auf Antworten warten. Das angsterfüllte Kind, das Du bist, braucht seine Zeit; es muß erst Vertrauen gewinnen.

(Und: die Augen offen - keine Trance; Haltung aufrecht und entspannt; Atem nicht blockieren.)

Angst ist übrigens auch eine wichtige Quelle von Kreativität. (Aus Wellness kommt diese nicht.)

Mir hat ein Buch sehr geholfen: Eugene Gendlin: "Focusing. Technik der Selbsthilfe . . ." (In deutscher Sprache. "Focusing", schwer zu übersetzen, bezeichnet eine bestimmte Art der offenen Aufmerksamkeit.) Kein Therapeut notwendig.

Unsere Angst weiß aus langjähriger Erfahrung, daß wir von ihr weglaufen, auf zahllose Arten. Wenn wir das plötzlich nicht mehr tun, wird sie unsicher. Es kann passieren, daß sie rebelliert, d.h. sich steigert - aber nur ganz vorübergehend. Bald stolpert sie, hat Aussetzer, Schwächeanfälle. Irgendwann verkrümelt sie sich. Oder sie verwandelt sich, z.B. in Vorfreude. Das gibt es.

Übrigens: Verhaltenstherapeuten gehen u.U. noch ein Stück weiter. "Flooding" nennt man das; deutsch könnte man es "Draufsatteln" nennen. Du könntest Dir so konkret wie irgend möglich ausfantasieren, daß die Türen noch ein paar Stunden länger geschlossen bleiben. Ein paar Tage länger. Auf unbestimmte Zeit. Für immer, weil ein finsterer Diktator die Macht ergreift, während Du überm Atlantik bist. Daß Du einmal in einem Sarg liegst und bestimmt nicht mehr rauskommst. (Oder - eine Schreckensfantasie meiner Kindheit - daß Du scheintot bist, aber es gibt keine Klingel . . .) Es kann vorkommen, daß Du urplötzlich lächelst, lachst. Nein, ich bin kein Sadist; Verhaltenstherapeuten sind typischerweise auch keine. Flooding ist eine seriöse, etablierte Methode, getestet nach den Regeln der Kunst, fehlt in keinem der Standardlehrbücher.

Das Beste wäre, im Flugzeug einen Begleiter zu haben. Einen, der Dir seine volle Aufmerksamkeit schenkt, dem Du mitteilen kannst, was in Dir vorgeht. Der Dir natürlich Deine Angst nicht wegredet, Dich nicht ablenkt usw. Der Dich höchstens gelegentlich erinnert: "Bleib dabei!" "Was ist jetzt?" "Was sagt die Angst?") Eine der besten Arten von Verbindung zwischen Menschen.

Ich wünsche Dir Sieg. Hoch überm Atlantik.
Und alles Liebe,
Windpferd


PS: Ich wollte mal von Frankfurt nach Denver fliegen. Knapp 10 Minuten nach dem Start teilte der Pilot mit, wir würden eben nochmal ganz kurz landen, um ein Detail zu checken. Völlig natürlich, nur zur Sicherheit. Er flog einen erstaunlich weiten Bogen. Es war völlig still in der Kabine. Mir wurde klar, daß es ernst war: Vielleicht war's das dann. Ich meditierte. Was denn sonst. Dann landeten wir, glatt. In einer völlig entlegenen Ecke dieses riesigen Flugfelds. Rechts und links jeweils ein Dutzend von Feuerwehr- und Notarztfahrzeugen. Die Türen blieben noch ca. 3/4 Stunden geschlossen; stattdessen etliche Ventilatoren (gut 2 m hoch und breit) auf beiden Seiten, vielleicht auf's Fahrwerk (oder den Gepäckraum)gerichtet. Der Pilot verlautbarte, dieses Flugzeug werde nicht weiterfliegen; wir würden auf andere Flüge nach Denver umgebucht. Was auch gelogen war: es gab nirgends mehr Plätze. (Trotz Recherchen konnte ich nicht erfahren, was los gewesen war.)

Wichtig in meiner Erinnerung: daß ich meditiert hatte, erstaunlich gelassen. Eigentlich wie immer. Und: daß man im Ernstfall erbarmungslos angelogen wird, einfach zwecks Ruhigstellung. (Vielleicht haben die inzwischen Diazepin-Sprays?)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Habe herzlichen Dank für Deinen Beitrag. Und ja, ich beschäftige mich intensiv mit diesem Thema und mache auch Fortschritte. Aber ganz ehrlich: ich habe im Moment einfach keine Lust 10 Stunden so zu leiden.

Aber ich habe auch was für Dich: Auf Deinem Flug gab es nach dem Start irgendein technisches Problem. Was genau es war und wie ernst es war, wird man wahrscheinlich nicht mehr erfahren. Aber ich bin ziemlich sicher, dass es nichts wirklich schwerwiegendes war, sonst wäre der Pilot *sofort* wieder gelandet und hätte nicht noch irgendwas durchgesagt. Dann ist er einen ganz weiten Bogen geflogen um Treibstoff abzulassen. Vollgetankt ist ein Langstreckenflugzeug zu schwer für eine sichere Landung. Aber er hat nur soviel Treibstoff abgelassen wie notwendig und ist dann gelandet. Das FLugzeug war immer noch sehr schwer, deshalb musste er mit ziemlich hoher Geschwindigkeit aufsetzen und deshalb sehr stark bremsen. Dabei erhitzen sich die Reifen und Bremsen ziemlich und sie müssen erstmal gekühlt werden. Der Pilot hatte außerdem einen Notfall deklariert ("Emergency"), in dem Fall bekommt er nicht nur Priorität vor allen anderen Flugzeugen, sondern die Rettungsteams (Feuerwehr, medizinisches Personal) stehen bereit für den Fall des Falles.

Ach ja, was passiert ist, kann man beim Luftfahrtbundesamt nachlesen, denn die untersuchen solche Vorfälle.

LG
Frank
 
Hallo Frank,

interessant und überzeugend, was Du, auf der Ebene der Tatsachen, schreibst. Du bist ja anscheinend ziemlich sachkundig.

Andererseits: hätte ich diese beruhigenden Fakten damals gewußt - mir würde etwas fehlen. Die Gelegenheit, mich mir meiner Todesangst zu konfrontieren. Vermutlich hätte ich's längst vfergessen.

Aber: Du würdest gewiß nicht "10 Stunden lang" leiden, wenn Du Dich, untranquillized, auf Deine Angst einließest. Da unterschätzt Du Dich, Deine Möglichkeiten. Richtig unangenehm wär's am Anfang, vielleicht eine halbe Stunde (das kann variieren). Und dann stellt man erstaunt fest, daß Angst (wie Sehnsucht, Zorn, Begehren usw.) keine Naturkonstante ist wie die Lichtgeschwindigkeit, die Gravitationskonstante, das Planck'sche Wirkungsquantum. Sondern daß es im Gegenteil lebendig ist, wandelbar und sich wandelnd, kommunikativ und im Austausch.

Daß es ist wie wir selber, wenn wir uns nur ein klein wenig entspannen.

Herzlich,
Windpferd
 
Probier es mal mit ein bisschen Tavor. Eine 10er Packung bekommst Du beim Neurologen oder Psychiater so als Giveaway aus dem Schrank auf die Hand. Und das ist auch eine Menge mit der man sich nicht süchtig machen kann. Kannst ja die nierigste Dosis mit 0,5mg nehmen; müsste für einen Menschen ohne Gewöhnung reichen.
Wenn Du allerdings häufiger lange fliegen oder Zug fahren solltest ist das keine Alternative.
 
. . . der Angst über den Wolken irgendwie Angst machen, hört sich doch cool an, oder . . . ?

Da Du ja ein Medikament suchst, hast Du schon mal an das "Medikament" Alkohol gedacht? Da wären die Wirkungen und Nebenwirkungen ja doch recht überschaubar.

Gruß, Gerd
 
Tja, Alkohol hat eher nicht so den gewünschten Effekt, bis zu einem gewissen Grad putscht es mich eher auf.

Hat jemand schon mal Tavor selbst probiert ? Wie lange hält die Wirkung denn an ? Wie gesagt, die von Bromazepam ist 24h und das ist mir echt zu lange ...

LG
Frank
 
Hallo zusammen,

ich würde gerne noch mal auf das Thema zurück kommen, Hier und auch in anderen Foren/Fachartikel wird allgemein gerne Tavor empfohlen, auch als "expedit".

Allerdings ist eine der häufigsten Nebenwirkungen davon Schwindel und Ataxie. Sowie ich es auch unter Bromazepam erlebt habe.

Das aber ist seit Jahren mein Hauptproblem und mutmaßlich auch an meinen Angstproblemen beteiligt.

Gibt es irgendein Beruhigungsmittel (Valium o.ä.), das relativ schnell, aber nur kurz wirkt und *nicht* Schwindel als Nebenwirkung hat ?

LG
Frank
 
Hallo Frank,

eine Bekannte nimmt bei solchen Gelegenheiten tranxilium - eine am Morgen des Abflugs. Sie kommt damit sehr gut zurecht. Aber das ist sicher individuell verschieden, und ich bin im Prinzip gegen solche Medikamente.

Tranxilium 5 mg-Kapseln - netdoktor.at

Grüsse
Oregano
 
Vielen Dank !

Hat sie davon Schwindel ?

Und wie lange hält die Wirkung an ?

Lg frank
 
Hallo Frank,

nein, sie hat keinen Schwindel, und am übernächsten Tag nach Einnahme ist sie auch wieder "normal".

Grüsse,
Oregano
 
Ja hatte ich mir schon gedacht, dass das eine so lange Halbwertszeit hat. Vielleicht sollte ich doch ein Schlafmittel probieren ?
 
Hallo Oregano,

Rescue habe ich schon probiert, habe keinen Effekt feststellen können.
Aber ich habe neulich von Dreamquick gelesen, das werde ich mal probieren, außerdem werde ich wohl mal wieder Lasea ausgraben.

Ich habe echt Schiß vor Psychopharmaka, die erscheinen mir irgendwie unkontrollierbar. Andererseits habe ich mal gelesen, dass mehr als 1/3 der Passagiere auf Langstreckenflügen irgendwas genommen haben - und zwar nicht nur Baldrian.

LG
Frank
 
Habe herzlichen Dank für den Tipp, aber ich habe ja keine Flugangst, ich habe Klaustrophobie. Irgend so eine Art davon. Bei mir ist da nicht nur das Maß der Enge ein Faktor, sondern auch -und gerade- die Zeit. Ich kann problemlos in einem extrem vollen Aufzug fahren, denn da bin ich ja in 30 Sekunden wieder raus. Aber je länger es geht, umso schlimmer. Der Gedanke, für die nächsten 10 Stunden nicht raus zu können, erzeugt das Problem.

LG
Frank
 
Hallo Frank183,

vielleicht könnte Ablenkung helfen?
Man kann Filme anschauen, Hörbücher hören (CD-Player mitnehmen), versuchen die Augen möglichst oft geschlossen zu halten (da sieht man nichts von der "Enge"...).

Wie Du geschrieben hast - "der Gedanke", für die nächsten Stunden nicht raus zu können, ist das Problem... deshalb wäre es gut, die Gedanken auf eine andere Schiene zu bringen. Kennst Du Autogenes Training, Meditation oder ähnliches?

Liebe Grüße,
Malve
 
Liebe Malve,

ja, Ablenken hilft in der Tat. Musik hören, Spiele auf dem Smartphone spielen ... einmal habe ich eine Geschichte geschrieben. Das funktioniert für 4-5 Stunden ganz gut, für einen Urlaub auf den Kanaren geht das. Aber 10-12 Stunden .... *uargh* ...

Ich habe irgendwann mal gezählt und bin auf knapp 60 Langstreckenflüge gekommen, die ich bisher absolviert habe. Früher hatte ich null Probleme damit. Das war im schlimmsten Fall mal etwas lästig. So dahin gehend, dass man irgendwann nicht mehr sitzen kann und einem die Knochen weh tun. Und wenn man in der Nähe der Toiletten sitzt, dann wird das von Stunde zu Stunde auch nicht gerade besser. Aber ein Problem ist das nie gewesen.
Zum Glück muss ich zur Zeit beruflich nicht reisen, aber privat reise ich eigentlich soooo gerne. Diese Einschränkung ist echt schrecklich und dachte ich mir halt, ok, 1x im Jahr könnte ich mich irgendwie "wegbeamen", zumindest vielleicht für 6 der 10 Stunen oder so.

Aber da habe ich bisher noch nichts gefunden, was ich mich trauen würde.

LG
Frank
 
Hallo Frank

Also von Diazepam (Valium) würde ich dir abraten. Das hat eine sehr lange Halbwertszeit. Tranxilium auch. Die Beiden können ziemlich balla balla machen.

Wenn du unbedingt etwas brauchst, dann könnte Zopiclon eventuell helfen. Es hat eine Halbwertszeit von 5 Stunden und soll keine Matschbirne geben. Oder dann Zolpidem, wirkt einfach weniger lang. Beides sind Schlafmittel und daher mit Vorsicht zu geniessen! Das ist natürlich nicht die Lösung für das Problem, aber wenn es für den Moment nicht anders geht...
 
Vielen Dank für den Tipp !!!!

Aber: was ist denn der Unterschied zwischen den beiden ? Die haben lt. Wikipedia die gleichen Handelsnamen ?

VG
Frank
 
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