Liebe Fauna,
Die Konfrontation mit dem Abbau der geistigen Kräfte einer Mutter, macht große Angst. Das habe ich auch feststellen müssen, als meine Mutter mit 85 ins Heim kam. Sie wollte sich um nichts in der Welt von mir helfen lassen,es war sogar so, daß sie, wenn wir sie abgeholt haben, schon geschniegelt und gebügelt auf der Straße stand. Hütchen, Handschuhe, Schal, Schuhe, alles Ton in Ton wie es halt so war in ihren jugnen Jahren.
Monatelang kamen wir nicht in ihre Wohnung, auch ehemalige Freunde nicht, sie stand einfach schon draußen und keiner merkte, wie verwahrlost alles schon war. Bis sie eines Tages zusammenbrach und 3 Tage lang nicht mehr hoch kam vom Boden, auch nicht, um zu telefonieren, das hing nämlich schon immer in stirnhöhe an der Wand. Keiner war in der Lage, ihr nahe zubringen, daß es vielleicht einmal nötig wäre, das Gerät unten bedienen zu müssen.
Ein Notfallsenderchen um den Hals lehnte sie auch ab, das Ansinnen trug mir sogar ein volles Jahr "Funkpause" ein.
So war sie immer schon, eigenverantwortlich und energisch, trotzig und auch oft nicht zu verstehen.
Vor ziemlich genau einem Jahr ist meine Mutter ins Altersheim gekommen. Mittlerweile hat sie ziemlich geistig abgebaut.
Auch das habe ich erlebt und gehandelt.
Das Bett, in dem sie lag war umstellt von elektromagnetischen Geräten. Alles, was man sich vorstellen konnte war in Kopfnähe. Wochenlang schob ich ihr Bett immer wieder von der Wand weg, auf dessen anderer Seite das Fernsehgerät der Nachbarin stand. Es war zum Verzweifeln, immer wieder stand das Bett in der Ecke. Es half kein Gespräch mit den Pflegern, weil sie dauern gewechselt haben und die Putzkolonne auch.
Die Gehirnaktivität ließ zusehens nach und die Medikamente, die sie bekam waren von 3 verschiedenen Ärzten, die sich nicht einmal kannten, geschweige denn abgesprochen hatten, ob das was die Mutter bekommt, denn nicht als nicht verträglich gelten müßte. Bis sie einen kleinen Herzinfarkt hatte und ins Krankenhaus kam. Dort spürte ich schnell, daß sie ihrem Ende zuging. Sie erkannte mich nicht mehr und sprach mich mit Sie an und wer ich denn wäre.
Eines Tages kam ich und küßte sie auf die Stirn, da bekam ich einen Blick, der hätte töten können, begleitet von den Worten: "Ach Du schon wieder". Da erkannte ich, daß meine Mutter die Tatsache, daß ich uneingeladen ihr Leben betreten hatte als ich geboren wurde und sie ein Leben lang meine Existenz nicht mehr aus der Welt gebracht hatte, daß sie eigentlich mit mir nie zusammengewachsen war.
Das tut weh, auch heute noch und ich wünsche mir, daß mein Gehirn so lange frisch bleibt, bis ich verstehen kann, wie das alles gekommen ist.
Momentan schreibe ich an meiner Biografie. Mal sehen was da herauskommt dabei. Auch eine Alterserscheinung!
Meine Mutter wirkt auf mich auch sehr einsam.
Sie möchte vielleicht auf einer anderen Region ihres Gehirns abgeholt werden. Eines, das Du noch herausfinden könntest. Musik, Geschichten, Bilder, etwas, das sie vielleicht nie erzählt hat. Ein Geheimnis, das sie sonst mitnimmt, ohne daß sie es Dir erzählen durfte.
Als neue Qualität für mich haben die Begegnungen mit meiner Mutter Ruhe und stille Zeiten gebracht, auch "keine Ansprüche an sie und unsere Beziehung haben" und "ganz im Hier und Jetzt geniessen".
Ja, das ist sicher schön für Dich. Ich wünsche Dir, daß Du das noch länger genießen darfst. Aber gräme Dich nicht zu sehr, wenn es schlechter wird. Das ist der Gang dieser Altersdemenz. Viel zu oft wird von Alzheimer gesprochen, selten ist es wirklich diese gut beschriebene Krankheit, die Dr. Alzheimer geschildert hat. Es wird gute und weniger gute Zeiten geben. Wichtig ist, daß Du es gerne tust, Deine Mutter zu begleiten.
Liebe Grüße
Margot
PS. Was ich schade finde in diesem Heim: Es hat keine Katzen. Die würden bestimmt viel Freude bringen.[/QUOTE]