Abstinenz schwierig in Gesellschaft

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15.10.06
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Menschen, die ihren Alkoholkonsum einschränken oder ganz aufgeben wollen, haben es in Gesellschaft oft nicht leicht.
Ich habe die letzten Jahre meiner angeschlagenen Leber zuliebe auf jeglichen Alkohol verzichtet.
Ein Geschäftsessen, ein Besuch im Pub um die Ecke, die Sitzung unseres Ferienpassprojektes, ein Familienfest...
Jedesmal war das Thema, warum Sine jetzt schon wieder als Einzige keinen Alkohol trinkt und Überredungsversuche sind niemals ausgeblieben.
Mich selber hat das nicht gross beeindruckt, aber es hat mich jeweils genervt.
Ausserdem macht mich dieses Verhalten sauer.
Ich habe auch mehrmals miterlebt, dass Alkoholiker zum Trinken animiert wurden.
Was treibt eigentlich die meisten Menschen dazu, die Alkoholabstinenz eines anderen nicht akzeptieren zu können?
Beim Rauchen zum Beispiel sieht das anders aus.
Habt ihr solche Situationen auch schon erlebt?
Liebe Grüsse, Sine
 
Hallo Sine.

Es erfordert Standfestigkeit und Charakter, in "gemütlicher" Runde als Einzige(r) dem Alkohol zu entsagen. Respekt. Man gilt schnell als Spaßverderber, der sich dem Gemeinschaftserlebnis des bewussten Trinkens entzieht. Hier spielt die Gruppendynamik eine große Rolle. Asozial wird es aber dann, wenn trockene Alkoholiker zum Mitsaufen verleitet werden sollen. Das ist versuchte Körperverletzung.
Beim Rauchen habe ich ähnliches erlebt. In meiner rauchfreien Phase klebten plötzlich Qualmer an mir, die mir unbedingt Zigaretten anbieten wollten (Neid?).

Trinken wird dann zum Problem, wenn es zur Gewohnheit wird und nicht der Genuss im Vordergrund steht sondern der Rausch. Ab und zu darf es für mich schon passieren, dass ich in netter Runde mal einen über den Durst trinke. Vorsicht ist geboten, wenn Alkohol als Stimmungsaufheller missbraucht wird und ohne diesen keine rechte Stimmung mehr aufkommen will.

Da fällt mir ein Lied von Herbert Grönemeier ein:

Alkohol ist ein Fallschirm und ein Rettungsboot,
Alkohol ist der Stoff mit dem Du untergehst . . .

LG, Bodo
 
Grüss euch,

das kann ich auch immer wieder beobachten. Allerdings ist das auch in Relation zu den "Kreisen" in denen man verkehrt - das kann sehr wohl auch die eigene Verwandtschaft sein.

Alkohol nehme ich als eine Gemeinschaftsdroge wahr. Mir hat es noch nie Spass gemacht, alleine zu betrinken (sag ich mal so). Zu einem guten Essen, auch für mich ganz allein zubereitet, ein Glas Wein, oder alternativ einen Suze als Apéritif, das schon, aber das war's dann auch schon.

Was mir aber immer wieder auffällt, sobald in der Gruppe gesoffen wird, dann fallen die Hemmungen und der Umgang miteinander wird lockerer, im Extremfall kommen dann die tieferen "menschlichen Regungen" hervor und dann kann es auch schon mal unschön zu und her gehen.
Wenn sich nun einer dem Alkohol verweigert, dann verweigert er sich in der Wahrnehmung der Trinker auch der Gemeinschaft. Das ist beim Rauchen definitiv nicht der Fall, auch wenn gerne in Gemeinschaft geraucht wird.

Rausch und Vernunft - das hat noch seltenst gepasst.

herzlichst - Phil ;)
 
Hi, es sind unbewußte Dinge, die die Raucher dazu treiben, dich zum Rauchen zu verführen - eine kannst du doch rauchen, komm, sei nicht so!
und die Menschen dazu bringen, dir Alkohol aufzwingen zu wollen.
Unbewußt denkt man, dass es nicht mehr gemütlich ist ohne der Flüppe und Alkohol, dabei kann man genau so über Witze lachen und Spaß haben. Es wird nur unangenehm, wenn man am Ende der einzige Nüchtene zwischen Angetrunkenen ist.
Beim Rauchen ist der geheime Wunsch dahinter, dass man selbst nicht abhängig sein will, hat einer aufgehört zu rauchen und es geschafft, hält man den anderen einen Spiegel vor - das beim ewigen Nichtraucher nicht vorkommt, den kennt man nur noch als Nichtraucher. Diese unbewußten Widerstände gegen Veränderungen kommen auch beim Alkohol vor, um für sich die Möglichkeit zu haben, entspannt zu trinken, ist es hinderlich, wenn einer, der früher mitgemacht hat, sich verweigert.
Einige nutzen auch gerne den Alkoholkonsum anderer, um besser dranzukommen und ein "ja" zu hören (Disse, Vertragsabschlüsse etc.)
Das ist aber auch, wenn man beschließt vorläufig Vegetarier zu sein, plötzlich erzählen dir alle, wie ungesund es ist, dich so einseitig zu ernähren und es gibt ständige Diskussionen, warum man es so macht.
Hat es mit Toleranz zu tun oder mit Ignoranz und Achtlosigkeit gegenüber dem anderen?
Wie ist es, wenn sich die Freundin offensichtlich darüber ärgert, weil es jetzt nicht mehr so gemütlich sein kann, wie früher, weil die andere Freundin nichts alkoholisches mehr trinkt und nicht raucht? Ist das gut gemeint?
Schade, das es so ist, aber wenn man darüber redet und schreibt, kann sich Einsicht einstellen, wenigstens für die Forenmitglieder hier.
Viel Erfolg beim gegen den Strom zu schwimmen und etwas für die eigene Persönlichkeit und Gesundheit zu tun... es stärkt unser Selbstbewußtsein, wenn wir es "schaffen" und macht uns stark ;-) und - wir zeigen den anderen, dass es geht und funktioniert...
 
Hallo!

ich glaube der auslöser solch eines verhaltens liegt in der tatsache begraben , daß sich diese personen keinen spiegel ihrer eigenen unzulänglichkeit vorhalten lassen möchten.

denn sehr vielen menschen ist es ganz und gar unmöglich sich vorzustellen, daß man sich auch ohne alkohol gut amüsieren könnte.
und wenn nun jemand der quasi jahrelang ein "intergriertes" mitglied einer solchen gemeinschaft war, plötzlich ausschert, dann wird allen andern sozusagen auf umwegen vorgeführt, von was sie die ganze zeit nur behaupten es wäre kein problem für sie.
denn was ist der abgedroschenste spruch jeden alkoholikers?

ich habe kein problem mit dem alkohol, ich könnte jederzeit aufhören wenn ich wollte, ich will aber nicht!

so verstehe ich diese reaktion, denn kaum jemand gibt gerne zu das er für etwas zu schwach sei. also ist es einfacher den "verräter" wieder zum saufen zu animieren, denn dann ist die welt ja wieder in ordnung und keiner muß über ein etwaiges alkoholproblem nachdenken, denn alle saufen ja. und ALLE können doch kein problem mit dem alkohol haben!

und sollte sich der nicht trinken wollende nicht "bekehren" lassen, dann ist er eben ein langeweiler geworden, oder noch schlimmer, der spieß wird umgedreht und er ist plötzlich der "schwächling". beides wird über kurz oder lang dazu führen, das er in dieser gruppe als störend empfunden wird, und dieser nicht mehr weiter angehört.
dann kehrt wieder diese "stillschweigende harmonie" zurück: wir könnten ja sofort aufhören wenn wir wollten, aber wir.......................!

der spruch wird übrigens auch von den meisten rauchern benutzt.
von mir zwar nicht, denn ich weiß ich kann nicht aufhören, aber geholfen hat es mir bis jetzt auch noch nichts, ich rauche nach wie vor wie ein besinnungsloser!


grüße
richter
 
Hallo Sine,

solche Situationen, wie Du sie beschreibst, habe ich öfter erlebt.

Erst kürzlich in einem Restaurant - ich hatte keine Lust auf einen Apéritif, weil man keinen ohne Alkohol anzubieten hatte. Ich entschied mich deswegen für ein Mineralwasser, was mit einem säuerlichen Blick seitens der Bedienung bedacht wurde.

Frauen werden auch gerne gefragt, ob sie denn schwanger seien. Das scheint für manche Leute der einzig vorstellbare Grund zu sein, keinen Alkohol zu trinken.
Auch der Gesundheitszustand wird gerne mal infrage gestellt: Geht es demjenigen nicht gut?? Hat der Arzt alkoholische Getränke etwa verboten?

Glücklicherweise gibt es nicht nur solche Erfahrungen. Die Akzeptanz "nicht-Alkohol-trinkender-Menschen" ist meiner Beobachtung zufolge grösser geworden - zumindest in meinem Umfeld.

Im Restaurant konnte ich beobachten, dass kleine Kinder schon mal genötigt wurden, doch mal "ein Schlückchen" Bier aus dem Glas eines Erwachsenen zu probieren. Und hinterher hat man sich über die Reaktion köstlich amüsiert :eek: .

Warum akzeptieren manche Menschen die Abstinenz nicht...? Es ist wohl so, dass man dann aus dem Raster fällt, wenn man etwas anderes tut als die Masse - wie Done geschrieben hat: als Vegetarier kann einem dieses auch passieren. Wer in einer Gruppe oder Gesellschaft nicht auf der gleichen Welle schwimmt, wird als Aussenseiter betrachtet, egal, um was es geht.

LG,

uma
 
Ihr seid genial!
Bodo, phil, Done, RRichter und uma, genau solche Statements hatte ich mir gewünscht!
Wer immer das liest, wird sich bei nächster Gelegenheit nicht mehr so leicht beschwatzen lassen von den lieben Mitmenschen ;)
Neid, Intoleranz, Ignoranz, Achtlosigkeit, ...
Worte, die einem bei so einer Gelegenheit in den Sinn kommen werden und das Gegenüber mit einem milden Lächeln betrachten lassen :D
Vielen Dank!
Sine
 
Hallo Sinne, seit du diesen Beitrag gestartet hast, habe ich mehr in dieser Richtung wahrgenommen, *grins* selektive Wahrnehmung...
Dabei kam ich immer zum gleichen Ergebnis: Letztendlich sind wir für uns selbst verantwortlich und ob wir uns für etwas oder gegen etwas entscheiden, ist ausschließlich unsere Eigenentscheidung, zumindest in diesem Bereich. Von der Typologie des Menschen her, fällt es dem einem sehr schwer "nein" zu sagen, der andere ist zielstrebig und weiß genau, was er will. Diejenigen, die nicht "NEIN!" sagen können, haben es in diesem Context wirklich schwer, weil dann ihr Wille und das, was die andren erwarten, gegenläufig ist. Unsere Gesellschaft macht es einem in diesem Bereich nicht leicht, ABER: Die Menschen werden doch immer toleranter und akzeptieren unsere Entscheidung, manchmal eben mit widerwillen und manchmal voll und ganz. Einen schönen Tag an alle hier :kraft:
 
Liebe Done.
Da ich selten ausgehe, konnte ich keine Feldstudien machen in letzter Zeit :D
Danke für deine Beobachtungen! :klatschen
Liebe Grüsse, Sine
 
Hallo!

Als meine HI noch richtig schlimm war, wurde problemlos akzeptiert, das ich nur Wasser trink. Ich bin nüchtern sowieso am witzigsten.

Allerdings fällt es mir jetzt, wo ich nicht mehr so stark reagier, selbst wieder schwer, nix zu trinken. Liegt wohl an meinem Allgemeinzustand.

Ich denke, wenn der Freundeskreis nicht akzeptiert, das man nix trinkt, sind das keine echten Freunde.

lg
 
Ganz ehrlich!
Es ist extrem schwierig!
Ich denke auch über eine generelle Abstinenz nach, jedoch trinken alle Kollegen!
Echt unheimlich der Alkohol!
 
Das Problem ist die wirklich fehlende geschmackliche Alternative für ein kühles Bierchen zum Feierabend - ich habe jetzt alkoholfreies Weizen für mich entdeckt. Hab da ein paar durchprobiert und bin bei Fr.... hängengeblieben :)
 
Was auch gut funktioniert ist zusagen das der Arzt ein striktes Alkoholverbote ausgesprochen hat. Das war bei mir auch wirklich der Fall und jeder Mensch der mir wichtig ist hat das auch respektiert.
 
ich war neulich eingeladen und hatte plötzlich einen uszo stehen .
da die person es schon irgendwie komisch fand ,der trinkt kein alk , habe ich ihn ausgetrunken und denke ,jetzt hab ich meine ruhe -Betreff -Vermutungen anderer .
ich darf eigentlich nicht trinken ,laut offizieller meinung der medizin ,da ich das Alkoholabhängigkeitssyndrom diagnostiziert bekommen habe !

LG
 
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