Magen-Darm / erhöhter IgE-Spiegel
Dieser Fisch-Wurm ist HÄUFIG und kann unterschiedliche Darmgeschichten machen - hier als Beispiel - wer aß soviel Fisch auf den Seychellen? Diese Tests auch nicht gemacht....:
Der besondere Fall Schweiz Med Wochenschr 2000;130:1814–9
Peer reviewed article
A. J. Birchera, B. Gysib ,
H. R. Zenklusenc, R. Aernid
a
Allergologische Poliklinik,
Dermatologische Universitätsklinik,
Kantonsspital Basel
b
Facharzt für Gastroenterologie, Reinach
Institut für Klinische Pathologie
und Zytologie, Basel
d Facharzt für Innere Medizin, Aesch
Summary
Zusammenfassung
Eosinophile Ösophagitis
assoziiert mit rezidivierender
Urtikaria: Steckt da der Wurm
Anisakis simplex drin?
Eosinophilic oesophagitis associated
with recurrent urticaria: is there a worm
(Anisakis simplex) in the rose?
Anisakis simplex, a fish parasite of the nematode
family, typically infects marine mammals
such as whales, dolphins and seals. Human
anisakiasis, which is acquired by eating raw or
insufficiently heated fish or squid, has gained
world-wide importance. Infestation with living
larvae caused by eating parasitised fish results
in acute upper abdominal pain, nausea and
vomiting and may be confused with acute abdomen
due to appendicitis and other inflammatory
abdominal disorders. Extraintestinal
organ manifestations are rare. Endoscopically,
inflammation, oedema, erosions and ulcerations
may be found. The parasite can been
found in up to 50% of patients. Histologically,
an eosinophilic inflammation is typical. Acute
anisakiasis may be prevented by thorough
cooking or deep-freezing the parasitised fish
for at least 48 h. IgG-antibodies specific for
Anisakis simplex are thought to represent an
immunological host reaction against parasitic
antigens. More recently, allergic reactions to
Anisakis ingestion or exposure, such as urticaria,
anaphylaxis and even occupational
asthma, have been reported. These allergic reactions
may also occur when the fish has been
properly cooked, and hence these allergens are
thought to be heat-stable. Such cases may be
diagnosed by skin tests and the determination
of specific Anisakis-IgE. However, the specificity
of IgE is low, since they may also be present
in exposed asymptomatic individuals.
Since the eliciting allergens are temperaturestable,
prophylactic dietetic measures are indicated.
We report a case from Switzerland
acquired during a holiday in Portugal. The
patient suffered from recurrent dysphagia
and urticaria, and histologically eosinophilic
oesophagitis was found. IgG-antibodies and a
positive skin prick test to Anisakis simplex support
its aetiologic role for the symptoms.
Keywords: Anisakis simplex; anisakiasis; parasitosis;
dysphagia; eosinophilic oesophagitis;
eosinophilic gastroenteritis; allergy; urticaria
Anisakis simplex ist ein zu den Nematoden
gehörender weltweit vorkommender Fischparasit
(Heringswurm), der vor allem Meeressäuger
befällt. Der Mensch ist ein Fehlwirt, die
akzidentelle Aufnahme durch rohen oder wenig
gegarten Fisch resultiert in der meist selbstlimitierenden
humanen Anisakiasis oder Anisakidose.
Diese akute durch lebendige Larven
ausgelöste Parasitose manifestiert sich mit
massiven Oberbauchschmerzen, Nausea und
Erbrechen, sehr selten sind extraintestinale Lokalisationen.
Endoskopisch findet sich ein entzündliches
Ödem, Erosionen und Ulzera, gelegentlich
wird der Parasit gefunden. Histologisch
findet sich eine eosinophile Entzündung.
Prophylaktisch kann sie durch genügend lan-
Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Andreas Bircher
Allergologische Poliklinik
Kantonsspital
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
e-mail:
[email protected]
Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 47 Der besondere Fall
ges Erhitzen oder Tieffrieren der Fische verhindert
werden. Anisakis-spezifische IgG sind
als immunologische Wirtreaktion auf Antigene
zu werten. Daneben können bei einzelnen Patienten
auch allergische Reaktionen wie eine
Urtikaria bis zur Anaphylaxie auftreten. Diese
allergische Form kann mittels Hauttests und
Messung Anisakis-spezifischer IgE bestätigt
werden, wobei solche IgE auch bei asymptomatischen,
exponierten Individuen vorkom-
Einleitung
Patienten mit einer chronisch-rezidivierenden
Urtikaria stellen nicht selten eine grosse Herausforderung
in bezug auf den Nachweis potentieller
Auslöser und Triggerfaktoren sowie
eine erfolgreiche Therapie dar. Neben dem
Ausschluss einer Atopie, der Suche nach einer
IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie, einer
Nahrungsmitteladditiva- oder Medikamentenintoleranz
werden auch Allgemeinerkrankungen
gezielt ausgeschlossen. Bakterielle Erkrankungen,
wie z.B. die Infektion mit Helicobacter
pylori oder eine intestinale Infestation
mit Parasiten, wurden in den letzen Jahren wieder
vermehrt als potentielle Auslöser einer Urtikaria
diskutiert.
Anisakis simplex (syn. Anacanthocheilus, Eustoma)
gehört zusammen mit Pseudoterranova
decipiens (syn. Phocanema sp.) und Contracaecum
zur Familie der Anisakidae und damit
zu den Nematoden (Rundwürmern). Andere
humanpathogene Vertreter der Nematoden
umfassen z.B. die nahe verwandten Ascaridae
Ascaris lumbricoides und Toxocara canis [1].
A. simplex ist weltweit verbreitet und wird
besonders in Hering (deshalb Heringswurm),
aber auch in vielen anderen Salzwasserspeisefischen
und in Tintenfischen, vor allem europäischer,
japanischer und kanadischer Küstengewässer
gefunden. Die Befallsrate liegt je nach
Fischart bei 4 bis fast 100%, und z.B. wurde
in 11% von 1760 Fischfilets eines belgischen
Marktes A. simplex gefunden [2].
A. simplex befällt als Endwirt marine Säugetiere
wie Delphine, Wale und Seehunde. Die
Patientin und Methoden
men. Da die auslösenden Allergene temperaturstabil
sind, sollten prophylaktisch diätetische
Massnahmen getroffen werden. Anhand
eines Falles mit eosinophiler Ösophagitis und
Urtikaria wird auf dieses in der Schweiz seltene
Krankheitsbild eingegangen.
Keywords: Anisakis simplex; Anisakiasis; Parasitose;
Dysphagie; eosinophile Ösophagitis;
eosinophile Gastroenteritis; Allergie; Urtikaria
Eier entwickeln sich im Wasser zum Larvenstadium
1 (L1), nach Aufnahme durch Kleinkrebse
entsteht das L2, in Fischen entwickelt
sich das L3. Nach Fressen der Fische durch den
Endwirt entwickeln sich in dessen Darm die 1
bis zu 3 cm langen geschlechtsreifen Würmer
[3]. Der Mensch ist ein Fehlwirt, die Stadium-
3-Larven gelangen nicht zur Geschlechtsreife,
dringen allerdings in die Wand des Intestinaltraktes
ein, wo sie innert weniger Tage absterben.
Die humane Anisakiasis oder Anisakidose, eine
meist selbstlimitierende Krankheit, wurde erstmals
1960 in Holland beschrieben [4], seither
wurden viele Fälle weltweit, vor allem aber aus
Japan und Südeuropa berichtet [5]. Die Anisakiasis
wird durch den Verzehr von rohem,
geräuchertem oder zu wenig erhitztem oder gefrorenem
Fisch akquiriert. Sie manifestiert sich
typischerweise am Magen oder Dünndarm mit
akuten innert Stunden auftretenden Symptomen
wie Erbrechen und Schmerzen oder als
akutes Abdomen, was zur chirurgischen Intervention
führen kann [6]. Aufgrund von Granulombildung
kann es seltener zu chronischen
Verläufen mit intermittierender Diarrhoe und
Gewichtsverlust kommen. In den letzten Jahren
wurden zudem vermehrt auch Patienten
mit allergischen Symptomen wie Urtikaria, Angioödem
und Anaphylaxie auf A. simplex beobachtet
[7]. Anhand einer Fallbeobachtung
gehen wir auf das in der Schweiz seltene Krankheitsbild
ein.
Fallbeschreibung
D. R., eine 26jährige Frau, litt im Anschluss an einen Ferienaufenthalt
in Portugal erstmals an einer während Wochen rezidivierenden
akuten Dysphagie mit ausgeprägten retrosternalen Schmerzen. Das
erste Ereignis trat wenige Stunden nach Einnahme eines unbekannten
gegarten Fisches auf. Nach ihrer Rückkehr trat einige Wochen
später eine chronisch-rezidivierende Urtikaria auf. Die Frau war
schon mehrere Male in Portugal, hatte aber noch nie an derartigen
Beschwerden oder einer Nahrungsmittelunverträglichkeit gelitten.
Eine atopische Erkrankung war bisher ebenfalls nicht aufgetreten.
Nach erfolgloser Therapie mit H1- und H2-Rezeptor-Antagonisten
wurden systemische Steroide mit gutem Ansprechen eingesetzt, wobei
es nach Absetzen jeweils zu prompten Rezidiven kam. Wegen
der massiven Dysphagie und der Persistenz der Urtikaria wurde die
Patientin weiter abgeklärt.
Der besondere Fall Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 47
Abbildung 2
Biopsie der Ösophagusschleimhaut:
lockere Vermehrung eosinophiler Granulozyten
ohne fassbare Anisakis-simplex-Larven
(Hämalaun-Eosin, starke Vergrösserung).
Abklärungen
Endoskopie: Pharynx, Hypopharynx sowie Magen und Duodenum
waren unauffällig. Im distalen Ösophagus waren zirkulär angeordnete,
weissliche Schleimhautauflagerungen zu erkennen (Abb. 1).
Histologie: Im distalen und proximalen Ösophagus chronische Entzündung
mit Basalzellhyperplasie und deutlicher Vermehrung eosinophiler
Granulozyten (Abb. 2). Mittelgradige oberflächenbetonte
B-Gastritis. Keine Hinweise für Dysplasie oder Parasiten.
Hauttests: Prick-Tests mit Inhalations- (Allergopharma, Deutschland)
und Nahrungsallergenen (Stallergènes, France), inklusive
Milch und Ei-Reihe, Getreide und Mehl-Reihe, Meeresfrüchte und
Fische (Lachs, Seezunge, Süsswasserfisch, Forelle, Thunfisch, Kabeljau,
Auster, Miesmuschel, Crevetten, Languste, Hummer, Krabbe),
waren lediglich auf Hasel-, Eschen- und Beifusspollen positiv. Ein
Prick-Test mit A.-simplex-Extrakt (Konz. 2 mg/ml, Pangramin,
ALK-Abelló, Österreich) war wiederholt +-positiv bei Histamin
(10 mg/ml) ++-Reaktion und negativer Vehikelkontrolle.
Laboranalysen: Blutbild mit initialer Leukozytose und Linksverschiebung,
später normale Werte, keine Eosinophilie. Chemogramm
unauffällig, CRP 47 mg/ml, BSR 14 mm/h, Immunelektrophorese:
Alpha-1- und Alpha-2-Globuline initial erhöht (3,4 g/l, 11,9 g/l).
ANF speckled, Titer 1:320, C3, C4 leicht erhöht, später normal.
Parasitenserologie (Trichinella, Toxocara, Echinococcus, Fasciola,
Strongyloides, Ascaris) und Stuhlparasiten (3) negativ. Spezifische
IgG (ELISA, Institut für Parasitologie, Veterinärmedizinische Fakultät,
Bern) auf A. simplex initial 24 AE/ml, im Verlauf kontinuierlich
abnehmend (16, 9, 8 AE/ml) und schliesslich negativ. Die Gesamt-
IgE lagen mit Werten zwischen 50 und 80 kU/l im oberen
Normbereich. Eosinophiles kationisches Protein normal. Spezifische
IgE (CAP-RAST FEIA) (Nahrungsmittelmix fx-5, Fisch- und
Meerfrüchtemix fx-2 [Dorsch, Garnele, Miesmuschel, Thunfisch,
Lachs], A. simplex und Ascaris) negativ, sx-1 (Atopiescreen): 5,9
kU/l (Klasse 3).
Abbildung 1
Weisse kleinfleckige Auflagerungen
bei geröteter
Schleimhaut im distalen
Ösophagus auf einer Länge
von etwa 5 cm, bis an die
Z-Linie reichend. Keine
Stenose, keine Hiatushernie,
keine Erosionen.
Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 47 Der besondere Fall
Beurteilung
Diskussion
Diagnosen
1. Eosinophile
Ösophagitis bei Status nach
Anisakis-simplex-Infestation.
2. Chronisch-rezidivierende
Urtikaria nach
Anisakis-simplex-Infestation und Verdacht
auf IgE-Sensibilisierung auf Anisakis simplex.
3. Atopische Diathese mit latenter Sensibilisierung
auf Pollen.
Therapie und Verlauf
Die Dysphagie sprach zwar rasch auf initial
20 mg Prednison pro Tag mit absteigender
Dosierung an, die Urtikaria war aber nur ungenügend
kontrolliert. Zusätzliches Cetirizin
und Ranitidin reduzierten beide Symptome
nur vorübergehend. Eine erneute Endoskopie
zeigte weiterhin das Bild einer eosinophilen
Ösophagitis, erneut ohne dass Parasiten identifiziert
werden konnten. Empirisch wurde eine
einwöchige Therapie mit 400 mg Albendazol
pro Tag durchgeführt. Anschliessend nahm die
Häufigkeit und Schwere der Dysphagie und der
Urtikaria ab, obwohl die Patientin wieder Fisch
ass. Ungefähr einmal pro Monat benötigte sie
noch kurze Prednison-Stösse, um vor allem
die Dysphagie zu therapieren. Darunter heilte
nach insgesamt 4 Monaten die Urtikaria ab, die
Dysphagie klang nach 8 Monaten ab. Der IgG-
Titer auf A. simplex nahm im Verlauf langsam
ab und wurde schliesslich negativ, die Gesamt-
IgE blieben konstant im oberen Normbereich.
A. simplex befällt typischerweise den Magen
und den oberen Dünndarm [5] und kann bei
letzterem zur Obstruktion führen, dabei treten
akute retrosternale oder abdominale Schmerzen
auf. Ein isolierter Befall des Ösophagus
durch A. simplex wurde bisher in drei Fällen
beschrieben [8–10], auch ein Befall des Kolons,
hier vor allem des C. ascendens, ist selten [11].
Extraintestinale Lokalisationen wie eine Anisakiasis
der Tonsillen [12] oder der Lungen
[13] gelten als Rarität.
Heute werden neben der rein parasitären
Infestation (Anisakidose) die Unterscheidung
dreier allergischer Entitäten auf A. simplex
vorgeschlagen [14]:
1. gastrische Anisakiasis durch akute Infestation
durch lebendige Larven mit gastrointestinalen
Symptomen und in etwa 10% der
Patienten auch Urtikaria;
2. allergische Reaktion durch abgetötete Larven
mit Urtikaria, Angioödem oder Anaphylaxie;
3. gastroallergische Anisakiasis durch lebendige
Parasiten mit allergischen Symptomen
mit oder ohne gastrointestinale Symptome.
Besonders rezidivierende Urtikaria und Angioödem
sind nicht selten, wobei typischerweise
eine erneute Exposition mit parasitiertem
Fisch zur Auslösung eines Schubes notwendig
ist [15, 16]. Auch rezidivierende Anaphylaxien
mit und ohne gastrointestinale Symptome
wurden beobachtet [17, 18]. A. simplex
löst seltenerweise auch allergische Reaktionen
bei beruflicher Exposition mit parasitierten
Fischen wie Konjunktivitis, Asthma oder Urtikaria
und Angioödeme [19, 20] oder eine Proteinkontaktdermatitis
aus.
Bei Patienten mit einer primär idiopathischen
eosinophilen Gastroenteritis wurde im Vergleich
zu Kontrollen eine erhöhte Odds Ratio
für die Sensibilisierung auf A. simplex gefunden
[21]. Umgekehrt wurde bei Notfallpatienten
mit einer akuten Urtikaria, die auch gastrointestinale
Symptome aufwiesen, gehäuft
eine Sensibilisierung auf A. simplex nachgewiesen,
nicht aber bei der Kontrollgruppe mit
einer isolierten Urtikaria [15]. Bei Patienten
mit einer rezidivierenden Urtikaria, unter anderem
nach Fischgenuss, wurde ebenfalls in
einem hohen Prozentsatz eine Sensibilisierung
auf A. simplex gefunden [16, 22].
Somit liegt ein weites Spektrum wenig spezifischer
klinischer Symptome vor, die eine sorgfältige
Diagnostik erfordern. Die akute Anisakiasis
wird aufgrund der Anamnese vermutet,
je nach Lokalisation kann sie endoskopisch
[11, 23], radiographisch [11] oder sonographisch
[24] diagnostiziert werden. Nach Möglichkeit
wird der Parasit endoskopisch oder
selten chirurgisch entfernt, was zur raschen
Abnahme der gastrointestinalen Symptomatik
führt. Histologisch findet sich eine eosinophile
Entzündung oft mit einem Ödem, gelegentlich
kann der Parasit intakt in tieferen Gewebe-
schichten identifiziert werden [6].
Eine Anisakidose kann serologisch mit dem
Nachweis von IgG-Antikörpern bestätigt werden,
eine Kreuzreaktion mit Ascaris lumbricoides
sollte ausgeschlossen werden [25]. Eine
Der besondere Fall Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 47
IgE-Sensibilisierung kann mittels Prick-Test
oder der Bestimmung spezifischer Anisakis-IgE
nachgewiesen werden [1], wobei die Sensitivität
und Spezifität dieser Tests teilweise tief
liegen. Die Einführung monoklonaler Antikörper
wird die Sensitivität und Spezifität dieser
Tests noch verbessern [26]. Gesamt- und Anisakis-
spezifische IgE nahmen zwischen 24
Stunden und einem Monat bei Patienten mit einer
akuten Infestation zu, auch bei Individuen,
bei denen der Parasit endoskopisch nicht verifiziert
werden konnte [14]. Andererseits wurden
spezifische IgE gegen Anisakis bei 16%
spanischer Blutspender, bei 15–45% japanischer
Patienten mit atopischer Dermatitis [27]
und bei asymptomatischen Patienten einer all-
ergologischen Klinik gefunden. IgE spielen
bekanntlich eine Rolle in der Abwehr intestinaler
Parasiten, und die meisten sensibilisierten
Patienten entwickeln keine allergischen
Symptome [1]. Einige reagieren nur auf
die Infestation mit lebendigen A. simplex,
während sie das temperaturstabile Allergen
tolerieren.
Unsere Patientin zeigte zwei Symptomenkomplexe,
einerseits eine akut auftretende Dysphagie
mit einer histologisch verifizierten eosinophilen
Ösophagitis und anderseits einige Wochen
später eine rezidivierende Urtikaria. Da
die Symptome erstmals Stunden nach einer
Fischmahlzeit auftraten, wurde initial eine allergische
Reaktion vermutet, Hauttests und IgE
auf Fischallergene waren aber negativ. Laboranalysen
zeigten ausser einer unspezifischen
Akutphasenreaktion nur IgG-Antikörper gegen
Anisakis simplex, wobei keine Antikörper
gegen andere Gewebe- oder intestinale Parasiten
nachzuweisen waren. Spezifische IgE gegen
A. simplex waren zwar negativ, ein Hauttest
mit einem A.-simplex-Extrakt fiel mehrfach
schwach positiv aus. Der Zeitraum von 3 Monaten
nach Infestation bis zur Abnahme oder
die tiefe Sensitivität des verwendeten Tests
könnte die negativen IgE erklären. Unter der
Verdachtsdiagnose einer Anisakiasis mit eosinophiler
Ösophagitis und Urtikaria wurde
eine antiparasitäre Therapie durchgeführt und
die Patientin weiterhin symptomatisch therapiert.
Darunter kam es nach mehreren Monaten
zu einem Abklingen aller Symptome. Nach
insgesamt 12 Monaten waren die IgG-Antikörper
negativ geworden. Die Konstellation
und der Verlauf sprechen somit für die ätiologische
Rolle von A. simplex, obwohl der Parasit
nicht gefunden wurde. Die für die gastroallergische
Anisakiasis nicht typische chronischrezidivierende
Urtikaria könnte hypothetisch
durch eine Antigenpersistenz im Sinne eines
Fokus und einer daraus resultierenden chronisch-
rezidivierenden Urtikaria zu erklären
sein, da bis zum Abheilen der Urtikaria kein
Fisch mehr eingenommen, später aber wieder
toleriert wurde. Ein Patient mit ähnlichen Befunden
und Verlauf, d.h. initialer Anaphylaxie,
später rezidivierender Dysphagie ohne Parasitennachweis
mit Ansprechen auf eine antiparasitäre
Therapie, wurde beschrieben [28]. Obwohl
die eosinophile Ösophagitis meist als
idiopathisch gilt [29], lassen die meist erhöhten
Gesamt-IgE und die periphere Eosinophilie
oft eine parasitäre Ätiologie vermuten. Die
Routinediagnostik auf Stuhl- und Gewebeparasiten
ist aber häufig negativ, bei Fällen mit
einer typischen Anamnese und Klinik oder mit
unklaren eosinophilen Gastroenteritiden sollte
deshalb auch gezielt auf eine Anisakiasis gesucht
werden. Obwohl diese Erkrankung vor
allem in Ländern mit hohem Fischkonsum wie
Spanien oder Japan häufiger auftritt, muss
aufgrund des Tourismus und des vermehrten
Imports von frischem Fisch auch mit derartigen
Fällen in der Schweiz gerechnet werden.
Die akute Anisakiasis wird nur durch lebendige
Parasiten ausgelöst, eine adäquate Behandlung,
d.h. ausreichendes Erhitzen über 60 °C
während mindestens 10 Minuten [30] bzw.
Tiefgefrieren bei –20 °C während mindestens
48 Stunden [31], tötet die Parasiten ab und inaktiviert
offenbar auch die Antigene. IgE-sensibilisierte
Patienten können hingegen auch auf
ausreichend behandelten Fisch [32] reagieren,
da die allergische Symptome auslösenden Allergene
offenbar weniger temperaturempfindlich
sind. Die korrekte Diagnose mittels Endoskopie,
Hauttests und Serologie ist deshalb für
eine adäquate Therapie und Prophylaxe von
praktischer Relevanz.
Schlussfolgerung
Der Heringswurm Anisakis simplex kann sowohl
eine akute Infestation mit gastrointestinaler
Symptomatik als auch eine allergische
Reaktion mit Urtikaria bis hin zum anaphylaktischen
Schock auslösen; die humane Anisakiasis
ist somit eine der Differentialdiagnosen
bei eosinophilen Gastroenteritiden und
unklaren allergischen Reaktionen nach Fisch-
verzehr. Die exakten Pathomechanismen sind
noch nicht vollständig geklärt, insbesondere
welche Antigene bzw. Allergene jeweils verantwortlich
sind. Insofern stellt die Erkrankung
ein interessantes Modell der unterschiedlichen
immunologischen Wirtreaktion auf
Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 47 Der besondere Fall
einen Parasiten dar. Die Identifikation der An-typische klinische Manifestation wegleitend,
tigene auf molekularer Ebene dürfte in Zu-diese können mit der erwähnten Diagnostik erkunft
die diagnostischen Möglichkeiten weiter gänzt werden.
verfeinern. Aktuell sind die Anamnese und die
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