Wie mit dem möglichen Tod umgehen?

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07.12.09
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Hallo liebe Forumsmitglieder,:)

Seit einer Woche weiss ich dass mein Vater einen grösstwahrscheinlich bösartigen Hirntumor hat.

Letzte Woche hat mich das sehr aufgewühlt und ich habe viel geweint. Am Wochenende waren wir in Lugano und haben den ganzen Sonntag mit meinem Vater im Spital verbracht.

Diese Woche fühle ich mich ruhiger frage mich aber warum ich nicht mehr so viel weine warum ich eigentlich jetzt so ruhig bin. Mein Gefühl sagt mir, dass mein Vater sterben wird. Anzeichen dafür habe ich im Sommer am Meer schon gespürt als wir zusammen einen kleinen Ausflug machten. Ich bin da immer wieder sehr traurig gewesen und in mein Tagebuch schrieb ich: "ich versuche mit der Endlichkeit aller Dinge und dem Tod fertig zu werden"

Ich denke mein Unterbewusstsein hat das alles schon gewusst, dass dieser Ausflug zusammen mit meinem Vater der letzte sein würde.

Nun frage ich mich ob ich mit so einem Verhalten meinen Vater aufgebe. Habe ich ihn schon losgelassen? Womöglich zu früh?

Meine Schwester und seine Lebenspartnerin steigern sich in Hoffnungen und glauben an Wunder. Sollte man das tun?

Ich würde gern mit meinem Vater Weihnachten verbringen weil ich eben diese Ahnung habe. Die Lebenspartnerin hat schon ihre Kinder eingeladen und für uns (meinen Mann und mir hat es keinen Platz). Sie fragt mich warum ich das will. Ich spüre genau ich darf das Wort "Tod" nicht benutzen. Ich sage dann einfach: "wir wissen ja nicht was nächstes Jahr ist".

Ich fühle mich verwirrt.

liebe Grüsse
Raffaela
 
Hallo Raffaela,

Nun frage ich mich ob ich mit so einem Verhalten meinen Vater aufgebe. Habe ich ihn schon losgelassen? Womöglich zu früh?

Irgendwann müssen wir alle loslassen, Raffalea. Aber es spielt für deinen Vater letztendlich keine Rolle, inwieweit du dich mit dem Gedanken an seinen Tod bereits angefreundet hast oder nicht. Er wird dadurch nicht früher oder später sterben. Ich kann das seht gut nachvollziehen, weil ich vor einigen Jahren meinen Vater auch wegen Krebs verloren habe. Wie du wußte ich, daß es irgendwann zu Ende ist. Mein Vorteil war aber vielleicht, daß ich eine etwas andere Einstellung zum Thema Tod habe, als die meisten.

Meine Schwester und seine Lebenspartnerin steigern sich in Hoffnungen und glauben an Wunder. Sollte man das tun?

Jeder macht das, was für ihn der beste Weg ist, mit dem Problem umzugehen. Die einen verdrängen es, die anderen hoffen auf Wunder und wieder andere akzeptieren es einfach. Es gibt da kein richtig und falsch. Die Akzeptanz hat natürlich Vorteile, denn dann erschüttert einen der Tod nicht mehr so sehr, als wenn man vorher auf Wunder gehofft hat. Dafür steht man möglicherweise bei den anderen als Pessimist da.

Ich würde gern mit meinem Vater Weihnachten verbringen weil ich eben diese Ahnung habe. Die Lebenspartnerin hat schon ihre Kinder eingeladen und für uns (meinen Mann und mir hat es keinen Platz). Sie fragt mich warum ich das will. Ich spüre genau ich darf das Wort "Tod" nicht benutzen. Ich sage dann einfach: "wir wissen ja nicht was nächstes Jahr ist".

Das Wort mag zwar tabuisiert sein, aber warum solltest du es nicht benutzen dürfen? Es ist ja nicht so, daß wir den Tod herbeirufen, wenn wir von ihm sprechen. Der Tod ist wie die Geburt etwas völlig normales und nur ein Übergang. Natürlich verlieren wir dabei unseren physischen Körper, aber der ist auch nur ein Transportmittel für die physische Welt. Es geht danach in jedem Fall weiter - und das sage ich aus eigener Erfahrung...
 
Hallo Ute und Joachim,

Ich werde Sonntag runter gehen und bis Mittwoch bleiben. Ich werde vor der Operation und nach der Operation bei ihm sein. Es ist halt nicht genau am Weihnachtstag aber ich will das jetzt auch nicht überbewerten. Auch wenn ich eine Ferienwohnung mieten würde, die Wohnung der Lebenspartnerin wäre zu klein für 8 Gäste zu Tisch und ich spüre dass sie das nicht will.

Dann bin ich halt ein Tag später dort, dass kann meine Seele schon verkraften. Dann sind die Kinder der Lebenspartnerein weg.

Gestern habe ich dann doch wieder geweint nachdem ich mit Vater telefoniert habe, mich dünkt es richtiger wenn ich weine als wenn ich nicht weine. Wenn ich nicht weine habe ich das Gefühl mit meinen Gefühlen stimme was nicht die seien ins Nirvana verschwunden, ich sei abgestumpft.

Ich denke auch es geht nach dem Tod weiter und wir werden wiedergeboren werden. Es ist nicht zu Ende. Aber es ist eben trotztdem eine Art Abschied und alles andere ist so abstrakt und ungewiss.

liebe Grüsse und Danke aus Joachmim für die ausführliche Antwort
Raffaela
 
Hallo Raffaela,:)

Gestern habe ich dann doch wieder geweint nachdem ich mit Vater telefoniert habe, mich dünkt es richtiger wenn ich weine als wenn ich nicht weine. Wenn ich nicht weine habe ich das Gefühl mit meinen Gefühlen stimme was nicht die seien ins Nirvana verschwunden, ich sei abgestumpft.

Ich bin da etwas anderer Meinung. Nicht Weinen hat nichts mit abgestumpften Gefühlen zu tun, sondern damit, das du in deinem Innern weist, dass es auch noch nach dem Tod für deinen Vater weitergeht, das es ihm gut geht. Es ist wie eine Reise, die er antritt, und das jeder Mensch seinem Wunsche entsprechend im Jenseits seinen Weg geht.

Meiner Meinung nach, musst du dich nicht schuldig fühlen. In anderen Kulturen wird der Tod sogar mit Freude verbunden. Es ist natürlich das der Mensch trauert, aber wie er trauert, das sollte jedem selbst überlassen bleiben. Ich selbst habe als Kind einmal geweint, das war als meine Oma im Krankenhaus lag und gestorben ist. Später auf Beerdigungen habe ich nicht geweint, weil ich mich mit dem Sterben selbst auseinander gesetzt habe und auch fest daran glaube, das er nur ein Übergang in eine Welt ist, die wir mit unserem beschränkten Bewusstsein im Moment nicht sehen können, die aber genauso real ist wie alles andere auch. Ich verabschiede mich dann auf meine Weise von den Toten und das ist dann mehr eine Art Stille und Loslassen.
Ich finde es aber auch schön wenn jemand weinen kann und damit seine Trauer verarbeitet. So sind wir Menschen alle unterschiedlich und ich denke, so solltest du auch deine Art annehmen. :)

Grüsse von Juliette
 
Zuletzt bearbeitet:
„Ihr Vater wird bald sterben“, sagte der Arzt. Ich wusste es schon ein halbes Jahr vorher – auf der Gehirnfrequenz Alpha hab ich seinen Sarg gesehen. Ich ging mit ihm zum Heilpraktiker. Er konnte nichts feststellen. Auch am Blut war die Leukämie noch nicht sichtbar. Ein halbes Jahr später wurde eine ganz bösartige Form von Leukämie diagnostiziert. Es war alles zu spät. Ich habe mich oft gefragt, ob man ihn nicht hätte retten können, wenn man ihn behandelt hätte, als mir mein Unterbewusstsein seinen Tod ankündigte. Ich stehe oft – aufgrund meiner Hellsichtigkeit - vor einem Interventionsparadox. Es gibt nun mal Dinge, die fest liegen und man kann dagegen nichts tun.
Du versuchst mit dem Tod und der Endlichkeit der Dinge fertig zu werden, schreibst du. Am einfachsten wird man mit dem Tod fertig, wenn man ihn ausblendet. Der Mensch besitzt einen blinden Fleck in seiner Zukunftswahrnehmung. Darüber sind sich die wenigsten Menschen bewusst. Eine potenziell negative Zukunft wird IMMER verzerrt wahrgenommen. Das ist ein Schutzmechanismus, der für den Menschen absolut dringend notwendig ist – ohne den er emotional nicht überleben könnte. Denn was erwartet jeden Menschen in seiner Zukunft? Der Tod. Da aber der menschliche Verstand aufgrund seiner Funktionsweise nicht in der Lage ist, sich mit etwas Absolutem wie dem Tod zu beschäftigen, blendet er das Thema aus. Das Nicht-Sein ist dem Sein unvorstellbar. Somit verzerrt der Verstand die Zukunft und legt eine „Weichzeichnung“ über dieses Thema. Menschen, bei denen dieser Filter nicht mehr richtig funktioniert, leiden nahezu sofort unter Depressionen und Angstzuständen.

Weiß dein Vater Bescheid, dass er bald sterben wird? Ist er depressiv? Glaubt er an die Unsterblichkeit der Seele?

Wer Wunder will, verstärke seinen Glauben, heißt es im Faust. Was tun sie, damit sich ein Wunder ereignet? Recherchieren sie im Internet? Wie heißt dieser Tumor? Wer ist auf diesem Gebiet weltweit der „Papst“? Oder verlassen sie sich nur auf das, was die behandelten Ärzte sagen? Ich würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um meinen Vater zu retten – dann hat man sich später nichts vorzuwerfen. Mein Vater ist jetzt seit vielen Jahren tot, aber manchmal frage ich mich, ob ich nicht doch etwas Wichtiges übersehen habe. Vielleicht hätte ich ihn doch retten können. Wenn ich nur intelligenter wäre!!! Warum geht mein sehnlichster Wunsch nicht endlich in Erfüllung?
Ich habe sehr viel geweint, aber heute weiß ich gar nicht mehr recht, was „Vater“ bedeutet. Ich schaue mir kein Bild mehr von ihm an. Zum Glück verfügt jeder Mensch über Abwehrmaßnahmen. Wenn der Schmerz zu groß wird, kann er ihn verdrängen.
 
Früher verliessen die Menschen Europa ohne Rückfahrtkarte. Oftmals wussten sie nicht, was sie "drüben" erwarten würde. Nur eines wussten sie, auch dort würden sie Kleidung, ein Dach überm Kopf, Nahrung benötigen. Wieviel leichter ist es doch, eine Reise ohne Rückfahrtkarte und ohne schweres Gepäck anzutreten, und diesen alternden und zerfallenden Sack von Haut und Knochen zurücklassen zu dürfen?

Wo ein Vorstellung einer jenseitigen Welt, eines jenseitigen Lebens lebendig ist, da verliert die (vermeintliche, denn was wissen wir schon vom Reisen im Jenseitigen?) letzte Reise doch sehr von ihrem Schrecken.

herzlichst - Phil
 
Hallo raffaela,

Ich denke auch es geht nach dem Tod weiter und wir werden wiedergeboren werden. Es ist nicht zu Ende. Aber es ist eben trotztdem eine Art Abschied und alles andere ist so abstrakt und ungewiss.

Der Abschied ist immer dabei, den kann man leider nicht vermeiden. Aber ein Abschied, auf den man sich vorbereitet hat, ist nicht mehr so schlimm - vor allem, wenn man weiß, daß es kein Abschied für immer ist. Wenn man es genau nimmt, betrauern wir ja auch nicht wirklich das Schicksal des Verstorbenen, sondern wir betrauern den Verlust, den wir hinnehmen müssen. Für den Sterbenden ist der Übergang ja ein Schritt hin zu Besseren. Meistens jedenfalls.

Daß das andere abstrakt und ungewiß ist, liegt vor allem daran, weil sich die wenigsten damit beschäftigen und das Thema lieber verdrängen. Tatsächlich kann man das Leben nach dem Tod sogar relativ einfach erforschen und seine eigenen Erkenntnisse sammeln, so daß man nicht mehr abhängig von Glaubensfragen ist. Dann wird aus der Ungewißheit relativ schnell Gewißheit. :) Zumindest war das bei mir so.
 
Lieben Dank Euch allen für die Antworten!

Es stimmt schon es sind die, die bleiben die, die neue Einsamkeit aushalten müssen. Im Grunde weiss ich, dass die Seele selbst entscheidet wann sie die Reise antritt. Trotzdem für mich keine alltägliche Erfahrung. Und Gefühle wie den Vater retten zu wollen habe ja auch dazwischen.

Nun bringe ich ihm dem "Isenheimer Altar" von Matthias Grünewald ausgedruckt ins Spital diesem Altar sagt man ja Heilkräfte zu. Zumindest ist er interessant zum anschauen.

Ich wünsche allen frohe Festtage!
Raffaela
 
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