Bin traurig...

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Man müht sich jahrelang ab, gesund zu werden, steckt seine ganze körperliche und seelische Kraft da hinein und dann kommt immer wieder die Familie und vermittelt einem, man ist nur faul und will sich drücken.
Das macht mich so traurig und verfolgt mich, seit ich krank bin (jetzt 6 Jahre).
Ich kann ja gut verstehen, dass es für gesunde Menschen schwer nachvollziehbar ist, dass man so lange krank ist. Und wenn man von ganz unten kommt, braucht der Körper eben seine Zeit, bis er sich wieder einigermaßen geordnet hat. Ich selber versteh das auch oft nicht und denke oft, das kann doch nicht ich sein...
Aber es ist nunmal so...
Wenn man dann immer wieder Vorwürfe hört, wie "immer wenn es etwas zutun gibt, drückst du dich... du bist nur zu faul...". Das trifft mich immer sehr. Es ist ohnehin schwer sich über Wasser zu halten, auch psychisch, und immer weiter zu machen und durchzuhalten. Wenn die Familie einen dann noch so falsch einschätzt, wird es noch schwerer.
Man hat eben doppelt Pech: man ist krank und damit schon genug gestraft und bekommt immer noch zu spüren, dass man nicht funktioniert.

Dabei versuche ich immer an meine Grenzen zu gehen und auch so viel wie möglich für andere zu tun. Natürlich sage ich seit 6 Jahre, es geht mir immer ein wenig besser... Andere müssen denken, jetzt müsste sie aber doch langsam wieder ganz gesund sein, wenn es ihr schon sooo lange immer ein wenig besser geht. Aber besser heißt auch oft "anders" und es ist auch oft einfach nur ein ganz klein wenig besser.
Aber das kann jemand, der all die Symptome nicht hatte, einfach nicht nachvollziehen.

Wie kommt man da raus?
Kennt das jemand auch? Und wie geht ihr damit um?

Lg,
Kerstin
 
Hallo Kerstin,

ich kann das sehr gut verstehen was Du schreibst und was Du fühlst. Heutzutage muss man immer funktionieren, man muss immer strahlen und darf nicht zeigen oder sagen, dass es einem schlecht geht. Das macht einen mürbe. Man kann nicht immer funktionieren, man kann seine Krankheiten nicht einfach ausblenden, wenn sie nun mal da sind. Natürlich ändert sich hier und da etwas, aber völlige Genesung ist ein ganz ganz langer Weg.

Ich halte es für wichtig, das musste auch ich lernen, dass Du auf Dich und Deinen Körper hörst. Benötigst Du Ruhe, dann gib sie ihm. Sorge für Dich und sei gut zu Dir, sammle Kraft und versuche die anderen reden und denken zu lassen. Das ist schwer Kerstin und ein hartes Stück Arbeit.

Auf keinen Fall solltest Du Dir und Deinem Körper mehr zumuten, als ihm guttut.

Gibt es Dinge, die Du gerne tust, bei denen Du so richtig abschalten kannst und Kraft tanken kannst?

Liebe Grüße Manuela
 
Hallo Manuela,

eigentlich habe ich für mich schon einen ganz guten Weg gefunden. Ich kann gut auf meinen Körper hören (das habe ich gelernt die letzten Jahre) und ich versuche ihm alles zu geben, was er braucht. Ich habe mich da einigermaßen mit mir arrangiert. Anfangs war es viel schlimmer, als ich erstmal lernen musste, was mit mir ist, wie ich jetzt funktioniere. Da bin ich teilweise hart mit mir ins Gericht gegangen.

Aber irgendwann habe ich mich so angenommen und behandel meinen Körper wie ein kleines krankes Kind... ich versuche mich wieder anzunehmen, mir zu vertrauen und zu denken, dass es einen Sinn hat.

Ich bin dann nur immer wieder erstaunt, wie andere über mich denken und was ich anscheinend für ein falsches Bild vermittel.. naja...
Menschen in meiner Familie, die fast immer kerngesund sind, können natürlich schwer Verständnis aufbringen... aber ich finde, sie müssen mir da auch Vertrauen, indem was ich ihnen sage...

Es gibt einige Dinge, die ich gerne tue, Manuela... Die Natur ist für mich der größte Kraftort überhaupt, da tanke ich mich immer auf. Ich arbeite insgesamt daran, wieder mehr am Leben teilzuhaben, aber es ist eben ein langer Prozess...

Andere einfach reden lassen... das finde ich schwer.. ich glaube, da bin ich ziemlich harmoniesüchtig. Ich spreche sie dann an, und versuche mich zu erklären, was heute auch einigermaßen funktioniert hat.
Ich denke, Krankheit ist auch für das Umfeld schwer, man geht zusammen einen harten Weg und kommt immer wieder an Missverständnisse und Unklarheiten. Leider fühlt man sich oft in der Position, des sich rechtfertigens.

Danke für deine Antwort,
lg,
Kerstin
 
Das hast Du aber schön erklärt und Du hast für Dich einen guten Weg gefunden. Ich finde Du musst Dich nicht rechtfertigen, bei niemandem. Viele Menschen glauben, dass es sie nicht treffen könnte, dass es doch alles auch schneller gehen muss und eine Krankheit nicht auch lange dauern kann. Bei mir war es so, dass ich mit der Zeit bei bestimmten Personen einfach ruhig war und nichts über meinen gesundheitlichen Zustand gesagt habe. Damit bin ich ganz gut gefahren und muss mich nicht mehr über die Ignoranz ärgern.

Es ist wirklich sehr schwer, das glaube ich Dir.
 
Ja, Manuela, es ist nur schwer, nichts zu sagen, wenn es die eigenen Eltern sind...
Sie haben mich schließlich die letzten Jahre extrem mitbekommen und sie mussten mir leider auch sehr oft helfen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es für sie schlimm war und sie hatten auch viel Angst um mich.
Umso weniger kann ich es verstehen, dass sie mir immer wieder Faulheit vorwerfen. Ich fürchte, sie denken, ich würde meine Krankheit ausnutzen und sie einsetzen, wenn ich mich drücken will. Aber das finde ich hart.. und enttäuscht mich..
Naja...
Aber ich habe auch schon an mir gearbeitet und versuche ihnen sachlich meinen Standpunkt zu erklären und emotional Abstand zu halten. Obwohl es mir schwerfällt...

Lg,
Kerstin
 
Mit den eigenen Eltern ist es besonders schwer, kann ich ein Lied von singen. Ich habe früher nie etwas erzählt, alles in mich reingefressen, so viele Jahre. Irgendwann habe ich ein wenig erzählt, aber ich konnte nicht ins Detail gehen. Über Probleme usw. wurde nie gesprochen und da behält man es irgendwann für sich.

Ich finde es traurig wenn sie dir Faulheit vorwerfen. Auch wenn jemand mit der Krankheit eines anderen schlecht umgehen kann, darf dies kein Grund sein Faulheit usw. vorzuwerfen. Man kann diesem Menschen doch sagen:"Hallo ich mache mir Sorgen um Dich."

Gut ist, dass Du weiterhin Deinen Weg gehst. Darf ich fragen wie alt Deine Eltern sind? Hast Du noch Geschwister und wenn ja, wie funktioniert das mit ihnen?

Liebe Grüße Manuela
 
Hallo Manuela,
bei mir ist es genau das Gegenteil. Ich habe meinen Eltern immer sehr viel von mir erzählt, vielleicht zu viel. Dann mischen sie sich natürlich auch in vieles ein und geben ihren "Senf" dazu.
Anfangs konnte mein Vater überhaupt nicht akzeptieren, dass ich krank bin. Das war auch ein langer Lernprozess für ihn, indem er mir sehr gefehlt hat.
Da hätte ich mir sehr gewünscht, dass er mal sagt, "er macht sich Sorgen um mich". Das hat zwei Jahre gedauert. Da ich ein Vaterkind war, war es besonders schlimm für mich.
Mittlerweile kann er viel besser damit umgehen, wir haben auch viel geredet und auch andere alte Themen bearbeitet. Das ist soweit positiv. Aber irgendwie bekommt er dieses alte Bild nicht raus, dass man nicht krank zu sein hat. So ist er auch erzogen worden.
Wie gehen deine Eltern denn jetzt mit dir um? Kannst du dich ihnen ein wenig mehr anvertrauen? Du hast doch auch zwei Kinder, oder? Ist es da noch schwerer Raum für sich zu finden?

Meine Eltern sind 60 Jahre. Also eigentlich noch recht jung.
Ich habe leider keine Geschwister.

Lieben Gruß,
Kerstin
 
Ich tu mir da noch immer schwer mit ihnen zu reden. Mir kann es noch so schlecht gehen, ich lache nach außen hin, aber drinnen sieht es dann ganz anders aus. Mein Mann unterstützt mich sehr gut und ich habe auch sehr viel lernen müssen, um meinen Körper zu schonen und mir Gutes zu tun. Mit den Kindern klappt das prima. Ich habe gelernt, dass ich auf meine Bedürfnisse achten muss, sonst geht es mir schnell wieder schlechter.

Meine Eltern haben auch so das Alter wie Deine ;)
 
liebe Kerstin,

das tut mir leid, dass du so traurig bist. Und so wenig Verständnis bekommst.
Von den eigenen Eltern erwartet oder bräuchte man es ganz besonders.
Weil so ein starkes, emotionales Band da ist, weil sie es doch sein sollten, die einen immer so annehmen können wie man ist, mit allen Macken und Problemen.

Leider ist das oft nicht so. Du bist da nicht alleine. Gerade die eigenen Eltern scheinen wenig Verständnis zu haben, können sich nicht einfühlen.
ABer ich glaube das ist so, gerade weil sie emotional so stark mit einem verbunden sind. Es tut ihnen weh zu sehen wenn das eigene Kind krank ist. Es schmerzt sie nicht aktiv etwas dagegen tun zu können. Sie leiden, wenn du leidest. Schön wäre es, könnten sie das genauso auch sagen und zeigen. Meistens können wir Menschen das aber nicht. Wir wollen diesen Schmerz nicht, wir wollen nicht leiden, wir wollen nicht dass uns was weh tut. Und dann werden wir abweisend, manchmal. Wir sagen: hey, tu mal was, damit es dir besser geht. Soll eigentlich heissen: ich ertrage es nicht wenn es dir so schlecht geht.
Oder man sagt: du bist doch gar nicht so krank du bist doch nur faul. Soll heissen: ich möchte nicht dass du so lange krank bist, ich habe Angst dass es nie vorbei geht und du dauerhaft darunter leidest. Also ist es mir lieber du bist faul und bequem, das ist nur ärgerlich und tut mir nicht so weh.
So könnte es sein. :)

Ich bin Mutter,
meine Tochter hat Morbus Crohn. Ich ertappe mich dabei wie ich mit ihr über ihren Lebenswandel schimpfe, anstatt sie zu trösten und ihr ihre Angst zu nehmen. :eek:)
Und mein Mann sagte neulich: jetzt achtet sie so überhaupt nicht auf sich, bis sie wieder zusammenbricht. Dann müssen wir sie wieder aufbauen. Klingt ganz egoistisch, ist aber einfach nur Angst um sein Kind, und auch Angst wieder in einer Situation zu sein die einem selber weh tut, die man selber kaum aushält. :eek:)

Ich bin aber auch Tochter, und habe auch erlebt was du erlebst.

Es ist so kompliziert, unser Miteinander. Wir tun uns so oft gegenseitig weh, obwohl wir uns doch so gernhaben. Oder gerade deswegen?

Du musst dich nicht dauernd erklären. Es ist wie es ist.
Meine Umwelt, besonders mein Mann und meine Mutter, akzeptierten meine "diversen Krankheiten" nach und nach immer besser, je gelassener und selbstverständlicher ich damit umgehen lernte.
Ich kann es heute noch nicht ganz, vor allem meiner Mutter gegenüber. Leider. :eek:)

Liebe Kerstin, ich glaube es ist am Wichtigsten, dass wir zu uns stehen, ganz und gar. Mit Haut und Haaren, sozusagen, auch mit Krankheiten. Sogar mit solchen, die uns eventuell ein Leben lang begleiten werden.
Es ist nicht die Schuld der Kranken, wenn sie krank sind! Man darf krank sein und ist trotzdem ein vollwertiger, einzigartiger und liebenswerter Mensch mit ganz vielen guten Seiten.
:kiss:

liebe Grüße von hexe :hexe:
 
Wir wollen diesen Schmerz nicht, wir wollen nicht leiden, wir wollen nicht dass uns was weh tut. Und dann werden wir abweisend, manchmal. Wir sagen: hey, tu mal was, damit es dir besser geht. Soll eigentlich heissen: ich ertrage es nicht wenn es dir so schlecht geht.
Oder man sagt: du bist doch gar nicht so krank du bist doch nur faul. Soll heissen: ich möchte nicht dass du so lange krank bist, ich habe Angst dass es nie vorbei geht und du dauerhaft darunter leidest. Also ist es mir lieber du bist faul und bequem, das ist nur ärgerlich und tut mir nicht so weh.
So könnte es sein. :)
Hallo Kerstin

In diese Richtung gingen auch meine Gedanken und Hexe hat das wunderbar formuliert :).
Vielleicht kannst du diesen Aspekt mal in einem Gespräch mit deinen Eltern einbringen. Ich kann mir vorstellen, dass dies für euch alle hilfreich ist.

Wenn es dir mal gerade nicht so gut geht, zieh dich in Gedanken ins Ringelblumen-Beet im lauschigen Sanatorium zurück und tanke dort etwas Kraft :fans:.

Liebe Grüsse
pita
 
Vielen Dank für eute Worte, die haben mich sehr berührt.

Hexe, danke für deine Erklärungen, die haben mich sehr getröstet. Ich kann jetzt besser die Aussagen meiner Eltern verstehen. Danke.

Ich bin halt nur Tochter, kann mir aber gut vorstellen, dass es einen fertig macht, wenn das eigene Kind immer leidet.
Und gerade die Aussage "jetzt achtet sie so überhaupt nicht auf sich, bis sie wieder zusammenbricht." , kenne ich auch von meinen Eltern. Sie haben Angst, dass es mir wieder schlechter geht und sie sich wieder um mich kümmern müssen. Das war ja schon ein paarmal so in der Vergangenheit und ich kann deren Angst jetzt besser verstehen.

Doch beim Kind kommt es leider als Zurückweisung und mangelnder Liebe an, die es gerade, wenn es sich schlecht fühlt umso mehr bräuchte. Ich kann mir aber jetzt auch vorstellen, dass es sehr viel Kraft kostet sich immer Sorgen zu machen und Trost zu spenden. Das haben mir meine Eltern auch oft zu verstehen gegeben, da sie auch noch ein eigenes Leben mit eigenen Problemen haben. Diese Worte haben mich bisher immer verletzt, aber jetzt kann ich besser verstehen, was sie meinen. Danke für deine Übersetzung der Krankensprache ;)

Und trotzdem bleibt ein kleiner fader Beigeschmack, weil, wie du auch sagst, man sich immer verletzt.
Danke, dass du so persönlich über dich geschrieben hast, das hat gutgetan :). Es tut gut auch mal von anderen zu hören, die ähnliche Probleme haben. Dann muß man sich nicht immer allein den Kopf zerbrechen...
Vorallem geht es ja auch oft um Schuldthemen, die sehr belasten können. Ich fühle mich schuldig, weil ich meinen Eltern Sorgen mache, sie fühlen sich schuldig, weil sie mir nicht helfen können...
Wenn man um die Dynamik in solchen Fällen weiß, kann man besser loslassen und verzeihen :)
Danke dir für deine lieben Worte :kiss:.

Auch dir pita, vielen Dank:).
Ja, da ich eigentlich viel mit meinen Eltern spreche, werde ich genau das mal anbringen. Ich glaube, dass erleichtert uns alle.

Und jetzt kure ich im Ringelblumen-Beet. Jawohl! :)
Herrlich....

Liebe Grüße und einen schönen Tag euch beiden,
Kerstin
 
Liebe Kerstin.
Und jetzt kure ich im Ringelblumen-Beet. Jawohl!
Herrlich....
Aktuelle Lage im Sanatorium:
Feuchtwarmes Wetter mit einem lauen Windchen.
Also ideal, um kräftig zu werden!

Ich denke auch, dass Hexe die Situation auf den Punkt gebracht hat.
Ich habe auch eine Tochter mit einigen Problemen und ich muss gut aufpassen, dass ich nicht falsch reagiere. Man sieht das eigene Kind nicht gerne leiden und natürlich bedeutet das für einen selber auch mehr " Aufwand " als ein Kind, bei dem alles rund läuft. So etwas läuft aber unbewusst ab und es ist vermutlich schwierig, das bei deinen Eltern anzusprechen, ohne dass sie es in den falschen Hals kriegen.
Ich wünsche dir dafür das notwendige Fingerspitzengefühl!

Liebe Grüsse, Sine
 
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