Filmkritik einer 38-Jährigen: "Der Film übt Druck aus"
"Ich habe mich während des Films immer wieder geärgert. Die Hauptdarstellerin hat Sex mit ihrem Mann, Sex mit ihrem Geliebten und befriedigt sich auch noch selbst. Alles funktioniert perfekt, jeder hat immer einen Orgasmus. Da kann ich mit 38 ja kaum mithalten - wie soll es da älteren Frauen gehen, die den Film gucken?
Der Regisseur wollte ganz offensichtlich das wichtige Thema Sex im Alter enttabuisieren. Und hat genau das Gegenteil bewirkt. Dadurch, dass die Sexszenen so in den Vordergrund gedrängt werden, übt der Film Druck auf jeden aus, der im Alter kein reges Liebesleben hat. Ich war sehr froh, als der 76-Jährige endlich eine Erektionsstörung hatte, das ist die Realität. Andere Dinge fand ich dafür sehr gelungen: Der 76-jährige Lover war mit seinem Charme und seinem Humor ganz wunderbar. Und auch die Schilderung des Alltags bei diesem lange verheirateten Paar ist gelungen.
Es gibt eine interessante Studie, in der Paare befragt wurden, die vor dem ersten Kind gleichberechtigt zusammengelebt haben. Dabei wurde festgestellt, dass über 80 Prozent der einst modernen Paare nach der Geburt in die alte Rollenverteilung gefallen sind: Die Frauen kümmern sich um das Kind, kochen, stecken im Job zurück. Man muss sich also nicht wundern, wenn moderne Frauen daraus auch wieder ausbrechen - und sei es mit über 60.
Für mich war es nicht so entscheidend, dass die Hauptdarstellerin mit einem anderen Sex hat, sondern dass sie ihrer Sehnsucht eine Bedeutung gegeben hat und einiges aufgibt, um ihr nachzukommen. Ich habe großen Respekt davor, wenn jemand noch einmal den Schritt wagt, neu anzufangen. Meinen Eltern würde ich den Film auf jeden Fall empfehlen - auch wenn es hinterher konfliktreiche Auseinandersetzungen gäbe."