Besonders betroffene Berufsgruppen

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19.03.06
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Ganz offenbar führen immer wieder die Angehörigen sozialer, pädagogischer, medizinischer und pflegerischer Berufe, die Suchtstatistiken an.

Hohe Ich-Ideale, große Verantwortung
.... Das Hauptmerkmal sozialer Berufe ist die ständige Auseinandersetzung
mit menschlichen Problemen – die Gesundheit und
Belastbarkeit des Helfers sind ausschlaggebende Faktoren für die
Qualität der Behandlung. Beeinträchtigungen in diesem Bereich
können mit entsprechend negativen Folgen auch für PatientInnen
verbunden sein. Im Spannungsfeld zwischen Erfüllung der Rollenerwartung
der Gesellschaft, eigener Berufsethik und institutionellen
Vorgaben, deren Anforderungen befriedigende Arbeitsbedingungen
oftmals nur schwer ermöglichen, kommt es
bei vielen Mitarbeitern zu Gefühlen der Überforderung. Die hohe
Verantwortung gegenüber PatientInnen, oftmals bei Zeit- und
Personalmangel, führen zu lang anhaltenden Stresssituationen, die
sich bis hin zu einer Erschöpfungsdepression entwickeln können.
Die Vernachlässigung eigener Bedürfnisse, Insuffizienzgefühle
und mangelnde Anerkennung führen zu Beginn noch zu
erhöhtem Arbeitseinsatz, um die persönliche Leistungsfähigkeit
zu beweisen. Stufenweise entwickeln sich später Symptome wie
innere Leere, Zynismus gegenüber KollegInnen und PatientInnen
und emotionale Erschöpfung. Schlafstörungen, Krankheitsanfälligkeit
und chronische Müdigkeit sind deutliche Warnzeichen.
Fehlende organisatorische oder individuelle Bewältigungsstrategien
wirken sich auf die Qualität der Arbeit aus.
Um drohende oder tatsächliche Leistungseinbußen zu kompensieren
und bei gleichzeitiger persönlicher Neigung zu
Suchtmittelgebrauch ist der spannungslösende Griff zu Alkohol
oder anderen sedierenden Psychopharmaka schnell erreicht. ...

https://www.frauenfuerfrauen.org/pub/substanzmissbrauch.pdf

Herzliche Grüße von
Leòn
 
lieber leon
genau deshalb find ich auch immer wieder wichtig, schon in der ausbildung nischen zu erarbeiten, wo eine kleine entspannung realisiert werden kann, damit man weiter mit einem patienten arbeiten kann.
und ich persönlich bin der meinung, daß es weniger erschöpfend ist die gefühle einfach zu haben, zu spüren u. ggf. auszudrücken, bzw. einfach MENSCH zu sein, als mich in abgrenzunen usw. zu flüchten und dann auch ganz starr u. nicht mehr fühlbar zu sein für mein gegenüber u. selber daran kaputt zu gehen.
mich hinter einer facette, dem weißen kittel u. der abgrenzung zu verstecken ist dermaßen anstrengend u. es führt dazu, ein emotionaler krüppel zu werden.

wenn ich aber mein menschsein lebe und offen bin und es fließen lasse, muß ich keinen alk usw. einsetzen, um beruf zu überleben.

nur mal so, meike
 
Ich glaube ,das ist leider ziemlich klar ,denn bei uns wird wenig in die "Menschwerdung " gesteckt während der Ausbildung.Und wenn dann ein Berufsanfänger merkt in welch enge Maschinerie er gekommen ist.Ich denke da an Pflegepersonal zb. die sicher mit guten Absichten kommen und dann feststellen,Es ist nicht gewünscht sich um die Menschen zu kümmern sondern ein Soll zu erfüllen ist das frustrierend .zB Gerechnet wird bei Alten 5 min zum anziehen , 3 min Haare kämmen, usw . Wenn dann der Pflegende nicht sehr gefestigt ist kann er nur frustriert werden.
Oder im Krh die jungen Ärzte wie oft werden die platt gemacht von den eingesessenen Ärzten von deren leider oft nur Symptombezogenen Vorgehen wie die Galle auf Zimmer 123 .Dazu die grausigen Arbeitszeiten und dadurch dann oft Schwierigkeiten mit den Freunden weil der Rhytmus sich verlagert.Da kann man schon ins Rudern kommen .
Und ich glaub es wird in der Ausbildung zuwenig Wert darauf gelegt ,klar zu machen mitfühlen ja mitleiden nein.Wenn man das mal kapiert hat ist man ein ziemliches Stück weiter .
Gruß Desertflower
 
ja flower
dafür müssen wir schon selber sorgen u. begreifen, daß es nischen braucht, damit man mit patienten gut arbeiten kann u. sich nicht dermaßen zumacht, daß man ein emotionaler krüppel wird.
ich wunder mich nur sehr, wenn schon die jungen leute, die nicht einmal das 40. lebensjahr erreicht haben, von abgrenzung reden u. sich in wirklichkeit noch nie eingelassen haben auf den mensch, sondern lediglich auf ihr handwerk.
UND
flower....klar wird der zeitraum eingegrenzt, wo raum gegeben wird, einen patienten zu versorgen (genau wie du aufzuzeigen weißt)
ABER
kann nicht dennoch währenddessen, wo z.B. ein patient gewaschen wird u. klar auch auf zeitabschnitt angewiesen ist, sehr präsent und liebevoll mit ihm umgegangen werden?
weißt du.... DA stehen mir so die haare zu berge....
verstehst du mich?
ICH hör immer nur "abgrenzung" u. bekomm dann meine patienten traumatisiert wieder zurück u. dann spring ich aber aus der hose. das kannst du mir glauben.
 
ICH hör immer nur "abgrenzung" u. bekomm dann meine patienten traumatisiert wieder zurück u. dann spring ich aber aus der hose. das kannst du mir glauben.

Hallo Meike

Darf ich fragen, in welcher Form Du mit Patienten arbeitest und wie Du damit umgehst?

Liebe Grüsse
pita
 
ja pita
darfst du....

sobald meine patienten stat. mal aufgenommen werden müssen, geh ich sie besuchen, damit klinikpersonal mitbekommen, daß da "gesehen wird".... denn oftmal haben sie keine angehörigen......

ich geh in das schwesternzimmer u. stell mich vor, damit sie wissen, daß aufgepaßt wird.

und ich geh, wenn meine patienten denn ins altersheim müssen, sie DA besuchen u. stell mich auch DA vor, damit auch diese leute sehen, daß alles gesehen wird, weil meine patienten oft keine angehörigen haben. da kann man es ja machen mit ihnen.

ich mag auch gerne klartext reden, damit es keine mißverständnisse hier gibt.

ich komme z.B. ans bett meines patienten u. das essen wird nicht angereicht, obschon sie selber nicht mehr essen können.

da wird keine klingel angebracht, obschon sie alleine im zimmer liegen u. sich nicht mehr anderweitig bewerkbar machen können usw. usw.

LG meike
 
Liebe Meike
Ich glaub eben es ist die falsche Abgrenzung die gezogen wird,denn wenn jemand der pflegt mitleidet wird er selbst runtergezogen und verliert an Energie,wenn er aber mitfühlt dann fühlt er nach wie geht es dem Menschen den ich grad versorge .Aber seine Energie bleibt bei dem Pflegenden ,vielleicht hatte ich das nicht klar genug aus gedrückt .So versteh ich jedenfalls die nötige Abgrenzung,indem Moment wo ich pflege bitte voll und ganz für den Menschen da sein aber nicht mit nehmen in mein privates Leben .Das wird in der Ausbildung halt nicht oder zuwenig berücksichtigt.
LG Desertflower
 
ach flower
ich erleb eigentlich weniger, daß leute ihre patienten mit nach hause nehmen (innerlich)......
da bin ich nur sehr wenig besorgt drum.

hab du einen schönen sonntag
meike
 
Hallo Meike,:)

aber um genau die sollte es ja hier gehen! - - Menschen, die - zum Beispiel in einem Altenheim arbeiten - und sehr unter den Belastungen dort leiden. Denn, da bin ich sicher - ergreifen die meisten Menschen den Beruf aus idealistischen Gründen und erleben dann in der Praxis oft einen fürchterlichen Schock.

Aber das ist vermutlich ein eigenes Thema ;)!

Ich finde den Ansatz, den Du darstellst, sich "Nischen zu schaffen" prima. Bei den zeitlichen Belastungen in Sozial- und Gesundheitsberufen frage ich mich nur manchmal: woher soll man denn die Zeit dafür auch noch hernehmen? ;)

Desertflower hat hat das Problem des Schichtdienstes angesprochen: dadurch entfernt man sich immens vom "normalen" Freundeskreis und im Grunde auch vom "normalen Leben". Denn es ist (fast) unmöglich, regelmäßige Termine, wie Vereinstreffen, Volkshochschulkurse und so weiter, einzuhalten.

Dazu kommt die große Verantwortung, die man in diesen Berufen trägt, egal ob als Arzt/ Ärztin, KrankenpflegerIn, AltenpflegerIn, ErzieherIn, SozialarbeiterIn und so weiter.

Das sind Belastungen, mit denen man erst mal fertig werden muss ....

Herzliche Grüße von
Leòn

 
Dazu kommt die große Verantwortung, die man in diesen Berufen trägt, egal ob als Arzt/ Ärztin, KrankenpflegerIn, AltenpflegerIn, ErzieherIn, SozialarbeiterIn und so weiter.

Zu den und so weiter zählen ja auch und ganz besonders pflegende Angehörige:
Nicht nur, daß sie im allgemeinen endgültig aus dem Beruf herausfallen sondern auch, daß sie rund um die Uhr gefordert sind. Das geht an die Substanz und erklärt auch, warum immer weniger Menschen zu Hause gepflegt werden (können).

Gruss,
Uta
 
bereits in der ausbildung müßte thematisiert werden, daß der pflegende (ich nenn das mal so u. meine damit die, die im sozialen bereich in der einen oder anderen weise tätig sind, also ärzte usw. sind damit eingeschlossen)
lernen muß, ganz kleine nischen zu nutzen, um jeweils für einen kl. moment aufzutanken, damit er erst gar nicht so in die erschöpfung kommt.
damit meine ich jetzt gar keine riesen-aktionen, sondern dinge, die nur wenig zeit in anspruch nehmen u. reichen, wenn man darauf regelmäßig eingeht.
wenn erst die totale erschöpfung eingetreten ist, "greifen" diese maßnahmen alle nicht mehr.
ich hör euch schon sagen, WAS ich damit meine....
z.B. daß ich mich nur einen augenblick zurückziehe (u. wenn es auf's WC ist u. da mal einen kl. moment atemgymnastik mache, autogenes training, EFT klopfe, finger-mudra mache, akupressur mache).
und wenn ich
wieder ins auto z.B. steige, um den nächsten patienten zu besuchen u. zu versorgen, diese kl. fahrt mir gönne, ganz bewußt ein lied zu hören u. das so richtig in mich reingehen lasse.
und wenn ich über die felder fahre (um die ampeln zu sparen) u. nur einen kurzen augenblick die autofenster öffne, damit ich das heu rieche- u. genieße u. 3 min. mir vllt gönne, die blumen von der wiese zu pflücken.
also so ganz banale dinge meine ich.

und dann was U T A sagt nicht zu vergessen.
es ist einfach nur ganz schlimm, wie genau DIESE gruppe einfach übersehen wird u. da keiner fragt, wie es DENEN geht. da wird ganz einfach erwartet, daß sie funktionieren.
auch DA würde ich mir wünschen, daß dann wenigstens von der sozialstation (wenn diese angefordert ist) mal schwiegertochter oder tochter (meist sind es DIESE) fragen würde, wie es IHNEN geht (weil es sonst niemand tut) um dann auch die anregung zu geben, daß dafür gesorgt werden muß, daß einer mal nach oma/opa abends schaut, damit auch tochter mal "frei hat", um dann auch wieder froher den dienst überhaupt ausfüllen zu können, zumal diese nie gefragt wurden, ob sie DAS überhaupt machen wollen, sondern sie werden einfach oftmals von heute auf morgen aus ihrem bisherigen beruf rausgekippt.

LG meike
 
Liebe Meike
ich glaube dass sich so wenig um die "Menschen" gekümmert wird die gepflegt werden weil das Pflegepersonal nicht dafür ausgebildet wird ,sich seine Auszeiten zunehmen .Die Du so schön angibst ,Musik ,Blumen gucken etc. und dann machen die überforderten ,gestressten Pfleger dicht .Nicht weil sie nicht wollen sondern weil sie nicht können und sich überfordert fühlen.Dadurch entsteht dann ein endlos Kreislauf ,die Pfleger sind desillusioniert und gefrustet arbeiten ungern ,die Menschen die gepflegt werden merken das und sind unglücklich.
Ich denke es werden anfangs viele Menschen und Schicksale innerlich mit nachHaus genommen und wenn das nicht mehr geht wird dicht gemacht und der Zynismus kommt ,leider .
Liebe Grüße Desertflower
 
liebe flower
genau DAS bemängel ich ja, daß nämlich in der ausbildung keine nischen erarbeitet werden, wo sie einen ganz kl. augenblick luft holen u. dies immer mal wieder, sodaß sie erst gar nicht in die totale erschöpfung reinkommen.
DAS macht mich so wütend u. auch, daß man sie nicht wissen läßt, daß es absolut keine lösung ist "sich abzugrenzen" also gefühle zu verleugnen um dann ein seelischer krüppel zu werden. natürlich dürfen wir nicht mitleiden und mitsterben, ist ja keine frage.
warum kann man die gefühle nicht bestehen lassen u. akzeptieren u. aber auch klarstellen, daß es nicht immer eine lösung für ein problem gibt. unsere patienten erwarten doch lediglich, daß wir ihre gefühle sehen und akzeptieren u. stehen bleiben u. sie erwarten doch gar keine lösungen. sie wissen doch sehr genau, daß wir diese nicht liefern können. und ich hasse es, wenn unsere patienten mundtot gemacht werden.
flower, ich geh auf die 60 zu u. ich hab mich nie ausgepowert gefühlt wenn ich einfach nur MENSCH war im kontakt mit meinen patienten. ABER es würde mich tierisch anstrengen unmenschlich zu sein u. mich im spiegel anzuschauen.

dir liebe grüße von MIR
 
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