Schmerz, Schmerzleitungen

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07.03.08 - Befund und Befinden passen bei Rückenschmerzen oft nicht zusammen: Der Patient klagt über starke Schmerzen, doch weder auf dem Röntgenbild noch mit anderen Untersuchungen lässt sich eine eindeutige Ursache ausmachen. Bei über 90 Prozent der Patienten lautet die Diagnose daher "unspezifische Rückenschmerzen."

"Wir gehen heute davon aus, dass hier Störungen bei der Verarbeitung von Schmerzsignalen und anderen Reizimpulsen im Rückenmark eine Rolle spielen", sagte Sandkühler beim Schmerz- und Palliativtag.
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Informationschaos im Rückenmark

"Wir haben Hinweise, dass die hemmenden Nervenzellen, welche die Aktivät der schmerzverarbeitenden Neuronen dämpfen, zu schwache Impulse vom Gehirn erhalten, also nicht ausreichend erregt werden", berichtet Sandkühler. Die Untersuchungen der Wiener Forscher zeigen auch, dass die hemmenden Nervenzellen selbst normal funktionieren.
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Erregungen breiten sich unkontrolliert aus

Dann können sich Erregungen unkontrolliert ausbreiten: Beispielsweise kann die Trennung zwischen Berührungsreiz und Schmerzreiz aufgehoben werden, sodass selbst leichte Berührungen als schmerzhaft empfunden werden. Ebenso können Nervenzellen feuern, die eigentlich aus ganz anderen Körperarealen ihren Input erhalten.
Neue Zielstrukturen für neue Wirkstoffe?

Unklar ist jedoch, warum die schmerzhemmenden Signale vom Gehirn schwächer werden können. Gleichwohl belegen die Einsichten der Schmerzforscher in die komplizierten Prozesse der Schmerzverarbeitung, dass eine moderne Behandlung an verschiedenen Angriffspunkten ansetzen muss.
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Wenn die Schmerzbremse versagt (07.03.08) - aerztlichepraxis.de

Es wäre schön, wenn die Forschung hier einen Ansatz finden würde, wie Menschen mit unverständlichen und chronischen Schmerzen geholfen werden kann.

Gruss,
Uta
 
Hier wird in etwas das gleiche beschrieben:

Das schmerzverarbeitende System des Körpers ist gut gerüstet, um kurzzeitige, starke Akutschmerzen unter Kontrolle zu bringen. Wenn bei Verletzungen beispielsweise Schmerzimpulse über bestimmte Nervenzellen im Rückenmark zum Gehirn rasen, wird umgehend die Schmerzbremse eingeschaltet: Hemmende Nervenzellen im Rückenmark dämpfen die Aktivität der schmerzleitenden Neurone. Anders sieht es aus, wenn das schmerzverarbeitende System über lange Zeit mit schwächeren Reizen bombardiert wird: Ein solcher kontinuierlicher Impulsstrom ist zu schwach, um die körpereigene Schmerzbremse zu aktivieren. Dies hat Folgen: Da ihre Aktivität nicht gedämpft wird, beginnen sich die schmerzleitenden Nervenzellen im Rückenmark regelrecht "aufzuheizen" und reagieren übersensibel. Sie melden selbst banale, einfache Reize als schmerzhaften Impuls zum Gehirn. Andere Faktoren, etwa Stress, verstärken diesen Prozess. Gleichzeitig überschwemmen die erregenden Botenstoffe, etwa Glutamat und Substanz P, jene dämpfenden Nervenzellen, die die Weiterleitung von Schmerzimpulsen hemmen. Um sich gegen diese Überflutung zu schützen, produzieren die hemmenden Neurone.

Endocannabinoide: Diese können die Zellen vor dem Untergang bewahren, wie Untersuchungen von Walter Zieglgänsberger und seinen Kollegen belegen. Doch irgendwann kommen die Nervenzellen gegen das Impulsgewitter nicht mehr an, das Endocannabinoidsystem ist erschöpft - und die dämpfenden Zellen sterben ab. "Darum könnte eine Strategie, die den Abbau von Endocannabinoiden verzögert, diesen Untergang von Nervenzellen hemmen", vermutet Zieglgänsberger.
www.schmerzliga.de/presse/2004/pressemeldung_13.htm

Hier werden auch Adressen angegeben von Gruppen und Forschern, die sich mit Schmerzen und vor allem chronischen Schmerzen beschäftigen:
DasErste.de - W wie Wissen - Schmerzgedächtnis (29.09.2004)

Prof. Zieglgänsberger z.B. ist hier zu finden:
Max-Planck-Institut für Psychiatrie
Prof. Walter Zieglgänsberger

Tel: 089 - 306221 (Sekretariat)
Internet: MPI für Psychiatrie


Gruss,
Uta
 
Haben leider nicht viel Zeit - daher nur ein kurze Nachricht von mir mit folgendem Link:

Schmerzen verstehen

Dieses Buch ist v. a. auch für Laien geschrieben. David Butler ist einer der führenden Köpfe, was Schmerzen/Nervensystem angeht.
 
Danke für den Hinweis, Beltschazar :).

Das Buch ist u.a. bei amazon zu haben:
Bücher von Amazon
ISBN: 3540212116


Über das Produkt
Schmerzen sind etwas sehr Reales und in vielen Fällen eine unberechenbare, schwer therapierbare Symptomatik. Allerdings gibt es inzwischen wissenschaftliche Belege dafür, dass Patienten selbst ihre Schmerzerfahrungen durch "mehr Wissen" über die dahinter stehenden neurobiologischen und -psychologischen Prozesse beeinflussen können. Schmerzen verstehen" setzt hier an:Es vermittelt Ihnen die nötigen wissenschaftlichen Kenntnisse über die Entstehung und Verarbeitung von akutem und chronischem Schmerz.Es leitet Patienten an, Schmerzen als weniger bedrohlich wahrzunehmen und sie in einem eigenverantwortlichen Schmerzmanagement mit therapeutischer Begleitung oder selbständig -zu lindern oder sogar zu überwinden. Schmerzen verstehen" ist ein leicht verständliches Buch und eröffnet Ihnen auf faszinierende Weise den Zugang zu diesem komplexen Thema: durch die Übersetzung" von wissenschaftlichem Fachjargon, spannende Geschichten und bilderreiche Vergleiche zur Verdeutlichung manchmal eher trockener" Fakten und durch phantasievolle Zeichnungen.

Es gibt noch ein Buch von Butler, das sicher auch interessant ist:

Bücher von Amazon
ISBN: 3540574964


Über das Produkt
David Butler präsentiert ein innovatives Untersuchungs- und Behandlungskonzept für die physiotherapeutische Praxis. Der australische Autor beschreibt erstmalig die klinischen Konsequenzen des Phänomens der "Neuralen Gegenspannung", das bei Verletzungen des Nervensystems auftreten und für viele - bisher z.B. allein orthopädischen Ursachen zugeschriebene - Symptombilder verantwortlich sein kann. Der Leser lernt ein umfangreiches Praxisinstrumentarium kennen: Spannungsteste, wie sie aus der passiven Mobilisation bekannt sind, werden in verfeinerter Form eingesetzt und durch neue Testverfahren ergänzt. Über die Diagnose hinaus finden sie auch in der Interpretion und Behandlung von Krankheiten Anwendung.

Gruss,
Uta
 
Hallo,

ich denke das Schmerzgedächtnis ist auch eine Möglichkeit daß Schmerzen nicht besser werden. Bei mir auf meiner Station wird eben darauf sehr geachtet (Bauchchirurgie). Die schnellstmögliche Schmerztherapie ist enorm wichtig.

Auch Nervenzellen können lernen:
Im Zentrum der Chronifizierung steht das Schmerzgedächtnis. Die sensible Nervenzellen sind genauso lernfähig wie das Großhirn. Wenn sie immer wieder Schmerzimpulsen ausgesetzt sind, verändern sie ihre Aktivität. Jetzt reicht schon ein leichter, sensibler Reiz, wie eine Berührung, Wärme oder Dehnung aus, um als Schmerzimpuls registriert und als unangenehm empfunden zu werden. Aus dem akuten Schmerz ist ein chronischer Schmerz geworden. Das bedeutet: Der eigentliche Auslöser fehlt und es bleibt der Schmerz.


Schmerzgedchtnis

https://www.univie.ac.at/brainresearch/neurophysiology/down/pdfdat/AblattV98P2725.pdf
 
Anlaufstellen bei chronischen Schmerzen:

Endlich keine Schmerzen mehr? | Bayerischer Rundfunk | Die Sprechstunde

Kennzeichen des chronischen Schmerzes sind (unter anderem), dass dieser über Wochen, Monate oder Jahre anhält, oft ohne schmerzfreie Intervalle. Soziales und berufliches Leben sind dadurch meistens stark beeinträchtigt, die Lebensqualität ist deutlich reduziert. Allerdings - und das macht die Behandlung chronischer Schmerzen schwierig: Hinter den oben genannten, sehr allgemeinen Gemeinsamkeiten können unterschiedlichste Ursachen stecken.

Schmerzambulanzen

Menschen mit chronischen Schmerzen stoßen beim Arztbesuch oft an Grenzen. Folge: Die Odyssee von einem Arzt zum anderen - oder die Einnahme unzähliger Schmerzmittel in großer Menge, bis hin zum Medikamentenmissrauch. Für solche Patienten gibt es Anlaufstellen - Spezialambulanzen für Schmerztherapie.
Endlich keine Schmerzen mehr? | Bayerischer Rundfunk | Die Sprechstunde

Das klingt ja sehr verheißungsvoll. Tatsache ist wohl trotzdem, daß gerade chronisch Schmerzkranke auf keinen Fall gut versorgt sind, was ärztliche Behandlung angeht.
Was mir dabei auch Gedanken macht: Als "Schmerztherapie" wird meistens eine rein medikamentöre Behandlung angesehen, bei der die Patienten meistens mehr oder weniger neben sich stehen, weil die Nebenwirkungen so stark sind.

Hier werden verschiedene Möglichkeiten beschrieben, was man bei Schmerz alles tun kann, um ihn zu lindern oder zu beheben:

Antidepressiva
Epilepsiemedikamente
Neuroleptika
Tens
Neuraltherapie
Infiltration
Akupunktur
Hypnotherapie
Audio-Visuelle Stimulation
Interdisziplinäre Schmerztherapie

Ganz wesentlich erscheint mir aber auch der Aspekt, daß der Patient selbst viel mehr Möglichkeiten hat chronische Schmerzen zu managen, als er zunächts annehmen würde.

Dazu gehören die Verbesserung der endogenen, körepreigenen Schmerzkontroll-Mechanismen, Förderung der eigenen Endorphin- und Adrenalin-Ausschüttungen, z.B. mit Energie-Booster Techniken oder mit tiefster Entspannung.

Andrerseits können durch gezielte Gabe modernster Schmerzmedikamente Nebenwirkungen und Gewöhnungspotential gering gehalten werden. Schließlich ist durch den Neurologen und seine Diagnose auch der Weg geebnet, eine sogenannte
Schmerzpumpe (die vom Neurochirurgen eingesetzt wird) zu erlangen, dies im Fall, daß es keine andere Möglichkeit mehr gibt Schmerzen zu beherrschen. Soweit muß es aber keineswegs kommen.
Dr. med. Günther Possnigg Website - Chronische Schmerzen

Uta
 
Akzeptanzbasierte Schmerztherapie

Chronische Schmerzen können zum Zentrum des Lebens der Schmerzgeplagten werden, und sie haben damit einen riesengroßen Einfluss.

Bei der akzeptanzbasierten Schmerztherapie soll genau dieser Fokus auf den Schmerz verändert werden: Nicht der Schmerz soll im Mittelpunkt stehen, auch nicht die Vermeidungsstrategien oder die "Verwöhn-Punkte". Im Mittelpunkt sollen Ziele und deren Verwirklichung stehen, die dem Leben des Schmerzchronikers wirklich etwas bringen, und die die Aufmerksamkeit abziehen vom Schmerz.

"Stellen Sie sich vor, Ihr Schmerz ist ein kleiner Tiger. Sie füttern ihn mit Ihren Schmerzvermeidungsstrategien. Hier ein warmes Bad, da ein Spaziergang oder ein Mittagsschlaf. Doch der Tiger wächst und bekommt immer mehr Hunger. Auf die Dauer führt das dazu, dass Sie nur noch damit beschäftigt sind, den immer größer werdenden Tiger zu füttern."
Dem Schmerz ins Auge blicken, um seine Macht zu brechen (13.03.08) - aerztlichepraxis.de

Uta
 
Selbsthypnose ist auch eine Möglichkeit, mit chronischen Schmerzen umzugehen.
In Göttingen und sicher auch anderswo kann man das lernen:

Eine große Neuerung ist daher ein verhaltenstherapeutischer Kurs in Selbsthypnose, der am Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie der Universität Göttingen entwickelt wurde. Patienten mit Rückenschmerzen, Migräne oder Rheuma absolvieren hier zwei Diagnose-Sitzungen und neun wöchentlich stattfindende Therapie-Sitzungen. Dabei erlernen sie auch, sich durch einen auf Tonkassette gesprochenen Text oder Geräusche wie Vogelzwitschern selbst zu hypnotisieren. Die Hypnosesitzungen sollen nach Abschluss des Kurses zu Hause zweimal täglich für 20 Minuten erfolgen.

Der Erfolg spricht für sich: Der Verbrauch an Schmerzmitteln sei bei den Patienten um bis zu 75 Prozent gesunken, so Studienleiter Dr. Stefan Jacobs. Schmerzkranke, die Opioide benötigten, verbrauchten durchschnittlich 60 Prozent weniger Medikamente. Rund zehn Prozent der Patienten sprachen nicht auf die Therapie an. Hypnose kann die Anwendung von Schmerzmitteln nicht ersetzen, aber doch mindern....
medizinauskunft.de/artikel/diagnose/krankheiten/17_05_vogelzwitschern.php

Was ich daran gut finde ist, ,daß die Patienten zweimal am Tag je 20 Minuten diese Eigenhypnose selbst fortführen sollen. Schon allein die Ruhe in dieser Zeit wirkt sicher gut; wird sie dann noch mit Hypnose gekoppelt, erst recht.

Gruss,
Uta
 
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