Kreatives Schreiben als therapeutisches Mittel

Themenstarter
Beitritt
19.03.06
Beiträge
9.021
Regelmäßige Schreiberfahrung kann dazu führen, Entdeckungen über unbewusste Neigungen und Wünsche zu machen, weil der Schreibprozess immer wieder zu ähnlichen Themen, Stichworten und weiterführenden Gedanken führt.

Dieses Phänomen lässt sich therapeutisch nutzen. Ähnlich wie das selbstverständliche Sprechen in der Therapie ist Schreiben eine Form von Selbstausdruck, bei der der Schreiber nicht nur handelt, sondern zugleich das Ergebnis seines Handelns betrachtet. Jürgen vom Scheidt unterscheidet deshalb zwischen dem inneren Schreiber und dem beobachtenden Ich. Obwohl die meisten Schreibprozesse in dieser Perspektive betrachtet werden können, ist es ratsam, den bewussten therapeutischen Einsatz kreativer Schreibmethoden professionell von einem Poesie- und Schreibtherapeuten begleiten zu lassen.
Kreatives Schreiben - Wikipedia

https://iek-braunschweig.de/documents/Schreibtherapeut_000.pdf


Herzliche Grüße von
Leòn
 
Nicht nur viele Schriftsteller berichteten von den positiven, therapeutischen Wirkungen des Schreibens.

Freud zählte es zu den Möglichkeiten der Sublimierung.

Hier gibt es einen sehr interessanten und gut lesbaren Aufsatz/ Vortrag über das therapeutische Schreiben:
https://www.isppm.de/Congress_HD_20...ives_Schreiben_und_Perinatale_Psychologie.pdf

Daraus ein paar Beispiele von - wie ich finde - teilweise erstaunlichen Folgewirkungen:

1. So konnte der Herzspezialist D. Ornish nachweisen, dass regelmäßiges Tagebuchführen
unter besonderer Berücksichtigung des Niederschreibens belastender Gefühle den
unregelmäßigen Blutdruck von Probanden nachhaltig stabilisieren konnte.

2. Chronische Schmerzsymptome lassen sich insbesondere bei Frauen durch
Niederschreiben der eigenen Befindlichkeit und schreibendes Aufarbeiten der eigenen
Lebensgeschichte lindern.2
...
3. Die Erholungsprozess von Alkoholmissbrauch lässt sich durch derartige Angebote
reichlich intensivieren und zugleich verkürzen.3

4. HIV-positive Patienten haben mit Hilfe des therapeutischen Schreibens nicht nur lernen
können, mit ihrer Krankheit zu leben, sondern die Zahl ihrer Lymphozyten erhöhte sich
nachhaltig 4

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Moin Leon,

ich hab das mit dem "schreiben" unbewußt ausprobiert in meiner eigenen Therapie....

erste Therapeutin wollte das gar nicht, hat sich immer wieder geweigert irgendetwas das ich geschrieben hatte zu lesen... Therapie bei ihr wurde abgebrochen, da ich auch immer weniger und schlechter mit ihr reden konnte.

zweiter Therapeut hat es nicht nur gelesen sondern auch mit mir besprochen, hat es auch unterstützt das ich mit dem schreiben weitermache und bestimmte Richtungen angeregt....Therapie wurde erst abgebrochen (Beendet ist sie nicht) als die Krankenkasse nicht mehr weiter Zahlen wollte.

Wobei ich dazusagen muss, das erst der zweite Therapeut überhaupt so weit an mich rankam das er die Komplexität der bei mir vorliegenden Probleme und traumatischen Erlebnisse überblicken konnte. Durch den Zeitdruck von der KK konnten wir aber nicht wirklich alles durcharbeiten, sondern haben oft nur bis zu dem Punkt gearbeitet wo ich dann in der Lage war irgendwie mit den einzelnen Bereichen einen Weg zu finden damit um zu gehen.
Bei mir kommt noch dazu das die am stärksten traumatisierten Anteile gar nicht reden können - also nur die schriftliche Form überhaupt möglich ist zur Komunikation.

Liebe Grüße,
Cailly
 
Bei mir kommt noch dazu das die am stärksten traumatisierten Anteile gar nicht reden können - also nur die schriftliche Form überhaupt möglich ist zur Komunikation.

Liebe Grüße,
Cailly

Hallo Cailly,

wie wahr!

Ich habe vor Jahren einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht. Einem bestimmten Menschen gegenüber konnte ich mich nur schriftlich äußern. Mündlich hätte ich es nicht über mich gebracht ...

Herzliche Grüße

Jürgen
 
hallo ihrs
hab erst HEUTE dieses thema vorgefunden und mir wird ganz schlecht u. mein herz klopft bis zum halse u. ich bekomme nasse hände....
boooooo neeeeeeeee tut mir alles weh in mir....
und zwar deshalb weil ich eine rolfing therapie begann, wo ich aufgefordert wurde, ein rolfing-tagebuch zu schreiben u. dann schickte ich die eintragungen dahin u. eine ganze zeit wurde das auch begrüßt
UND DANN
wurde ich einfach so ganz billig und fies weggeworfen, obschon wir uns die ganze zeit sehr gut verstanden hatten.
UND
ich weiß bis heutezu nicht, warum das passiert ist.
ich hab ihn immer u. immer wieder gefragt u. nie eine antwort darauf erhalten.
ich bin derbe traumatisiert, hatte zunächst dann die sprache verloren (mittels akupunktur wieder hergestellt innerhalb kürzester zeit), hab hörsturz bekommen, habe jegliches vertrauen verloren. habe mich zurückgezogen, laß nur noch meine bestfreunde an mich ran. bin nicht mehr die, die ich war. mein leben steht auf dem kopf und jeden tag kämpfe ich mich in einen neuen tag.
UND
das rolfing-tagebuch wurde zu einem trauma-tagebuch u. es ist einfach nur schrecklich und alles tut mir weh.

LG meike
 
Hallo Meike,

schön, dass Du Dich hier meldest :)!

Natürlich kann man das Schreiben (zum Beispiel als "Therapie - Tagebuch") innerhalb des Prozesses im Zusammenspiel zwischen KlientIn und TherapeutIn nutzen.

Immer bleibt hier eine, wie bei jeder TherapeutInnen - KlientInnen - Interaktion eine große Verantwortung bei Therapeuten/ innen, sensibel und einfühlsam mit KlientInnen umzugehen. Dass Du da schlechte Erfahrungen gemacht hast tut mir sehr leid!

Ich selbst habe das "Schreiben an sich" - schon seit meiner Kindheit, als therapeutisch heilsamen Prozess erlebt und kann dies bis heute immer wieder neu erfahren. Ich meine hier vor allem das "literarische" Schreiben: denn hier habe ich kleiner, "hilf- und machtloser" Mensch, die Möglichkeit, stark und "mächtig" zu sein. Ich kann, Personen, Handlungen Schicksale, ja ganze Welten erschaffen. Ich kann "mich" zum Helden von "Dramen", "Abenteuern" und "Komödien" machen und so fort. Das hatte für mich immer etwas sehr befreiendes. Auch das Gefühl, einen Text, also ein "Werk", auch wenn es vielleicht nur ein kurzes Gedicht ist, fertig zu stellen, hat für mich oft etwas befriedigendes!

Hast Du ähnliches vielleicht auch schon mal erfahren?

Herzliche Grüße von
Leòn

https://www.symptome.ch/threads/schreib-ecke.6686/
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Meine Therapie ist das Schreiben. Ich schreibe ohne Wenn und Aber.

Das Forum erfreut sich daran, mich heilt es.

Spontan im Chat - dezidiert in den Postings.















LG, Bodo
 
hallo leon
nee ich hab so keinerlei erfahrungen mit schreiben u. hatte dies nur deshalb aufgenommen, weil mir das empfohlen wurde von dem rolfer
ich eigne mich da so gar nicht als schriftsteller(in).

und nun schreibe ich weiter in sache trauma, um einfach nur zu überleben und um sicher zu stellen, meinen mann und meine freunde bloß nicht zu überfordern, weil ich so angst davor habe, daß sie in die knie gehen könnten davon, denn ich weiß doch nicht, wie lange mich das trauma begleitet.

ich bin derzeit froh, mich nicht nur in meiner spalte aufzuhalten (wo ich begonnen hatte über das trauma mit dem therapeuten zu erzählen), sondern mir inzwischen möglich ist, mich umzusehen u. spannende themen aufzunehmen und mich mal überhaupt einzubringen.

ich wundere mich über euch alle, die ihr ein tagebuch vllt schon einmal begonnen hattet zu schreiben, daß dies zu einer erleichterung führen kann, denn ich tu mich schwer, meine aufzeichnungen dann in die schublade zu schieben. ich brauch da irgendwie ein gegenüber, auch wenn da u.U. keinerlei reaktion kommt (wie bei dem rolfer, dem ich auch lediglich hinschickte).

ich bin froh, in der lage zu sein, die buchstaben aneinander zu fügen u. zu einem brief werden zu lasse, weil ich auf diese weise derzeit am liebsten kontaktiere, weil ich mich so zurückgezogen habe nach dem trauma und noch meine wunden lecken muß. aber wenn ich -mittels brief- kontaktiere fühle ich mich damit im moment wohler.

ich muß mal lesen, was du mir da via link überlassen hast
u. ich werde da sicherlich über dich und andere aus dem hiesigen forum staunen.....

dir sehr liebe grüße von meike
 
ich bin derzeit froh, mich nicht nur in meiner spalte aufzuhalten (wo ich begonnen hatte über das trauma mit dem therapeuten zu erzählen), sondern mir inzwischen möglich ist, mich umzusehen u. spannende themen aufzunehmen und mich mal überhaupt einzubringen.

Hallo Meike

Das freut mich auch sehr :).

Liebe Grüsse
pita
 
Hallo Meike,

mir fällt es meist am leichtesten, wenn das was ich erzählen möchte "nichts mit mir zu tun hat" ;) Natürlich hat es immer mit mir zu tun, aber ich schaffe eine Distanz durch die Sie/ Er - Perspektive, die Einführung anderer Namen, Orte, Handlungen. Besonders "frei" fühle ich mich, wenn ich märchenhafte, bzw. fantastische Themen gestalten kann!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
liebe ptia und lieber leon
@leon weiß du.... du bringst mich da auf eine idee......

ich könnte für's stille kämmerlein mal versuchen, an diese traumatisierte frau zu schreiben (also an mich)

ODER/UND

könnte mal SO vorgehen, als würde sich jemand an mich wenden, der das gleiche erlebt hat wie ich u. ihr von meinen erfahrungen schreiben.

DAS
wäre dann nicht schriftstellerisch aber therapeutisches schreiben?

ich hab keine ahnung von dem schreibstil, den du zu berichten weißt aber mein vorschlag ist doch auch schon recht gut ansatzweise, oder?

LG meike
 
Hallo Meike

Du könntest auch mal "ALLES" auf geduldigem Papier rauslassen, was gerade so raus will - und es anschliessend genüsslich verbrennen - in Rauch auflösen lassen ;).

Liebe Grüsse
pita
 
hallo pita
DIESE vorgehensweise kenn ich aus einer so ganz anderen situation heraus.
und zwar war meine tochter in USA u. kommt nach 1 jahr wieder u. ein guter freund ist ihr weggestorben, dem sie noch gar nicht hat erzählen können, was sie in USA erlebt hat.
da hat sie ihm das alles geschrieben und abschied genommen u. wir gingen dann auf die beerdigung u. sie meint, daß dieser brief in dieser weise, wie du ihn zu beschreiben weißt, geholfen hat.

meine traumtische situation hab ich schon ganz oft immer wieder geschrieben und wieder am PC gelöscht (u. manchmal eben nicht, sondern kam ins traumatagebuch -oft-), weil ich davon hörte, daß dies heilung einleiten kann. und wenn du nur verzweifelt genug bist, wendest du ALLES an, was dir dann so möglich ist in diesem augenblick.

liebe grüße dir von meike
 
Hallo Meike,

mir fällt es meist am leichtesten, wenn das was ich erzählen möchte "nichts mit mir zu tun hat" ;) Natürlich hat es immer mit mir zu tun, aber ich schaffe eine Distanz durch die Sie/ Er - Perspektive, die Einführung anderer Namen, Orte, Handlungen. Besonders "frei" fühle ich mich, wenn ich märchenhafte, bzw. fantastische Themen gestalten kann!

Herzliche Grüße von
Leòn

Hallo Leòn

willst du uns nicht noch einmal die Geschichte von Grossmutter Hermine gönnen? Sie ist doch sooooo schön, und nicht alle kennen sie. :hexe:

Lieben Gruss
Kathy
 
Hallo Kathy, :)

ich danke Dir für die Nachfrage! Die Geschichte findet man https://www.symptome.ch/threads/schreib-ecke.6686/ hier ;)!

Hallo, Ihr alle,

hier geht es ja eigentlich um den therapeutischen Nutzen des "Kreativen Schreibens" - das ist ein klein wenig anders zu betrachten, als das "Therapeutische Schreiben". Ersteres bedeutet, dass man selbst "kreativ" schreibt. Zum Beispiel einer meiner Lieblingsschriftsteller: Heinrich Böll. Ein Schreibtherapeut würde mit ihm seine Werke besprochen haben, sie inhaltlich durchgehen und ihn vielleicht auf Zusammenhänge mit seiner Person aufmerksam gemacht haben. So in etwas wie "Sie erwähnen da immer wieder einen "starken Vater", wie ist das bei Ihnen?" Ein Schreibtherapeut kann auch "Hausaufgaben" geben ;), in etwa wie "Schreiben wsie bitte ein Märchen über das eben besprochene Thema!"

Beim "Therapeutischen Schreiben" geht es um die direkte Funktion des Schreibens, als entlastendes, klärendes Mittel. Zum Beispiel als "Tagebuch", als schriftliche Reflexion und so weiter. Hier steht nicht der literarisch - kreative Aspekt im Vordergrund!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Leòn

danke fürs erneute Reinstellen Deiner Oma-Hermine-Geschichte. Ich finde sie toll!

Ich muss sagen, dass alles, was meine Aufmerksamkeit fesselt, was mich zum Schmunzeln oder Staunen bringt, auf mich besonders therapeutisierend wirkt. Es hellt meine Stimmung auf, gibt Energie.

Das "eigentliche therapeutische" Schreiben funktioniert für mich nicht so gut. Komme ich überhaupt aus dem schwarzen Loch wieder heraus, wenn ich mich hineinbegebe? Es gibt doch diesen Spruch über den Abgrund von Nietzsche. Wenn du lange genug in einen Abgrund starrst, blickt der Abgrund auch dich an - oder so ähnlich. :eek: :eek: :eek:

Lieben Gruss
Kathy
 
Oben