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Erwartungen haben große Macht über den Menschen. Das zeigt sich sehr schön am Placebo-Effekt: Einem Patienten werden Pillen verabreicht, die gar keinen Wirkstoff enthalten. Der Patient weiß das aber nicht. Er glaubt fest daran, dass er ein wirksames Medikament bekommt – daraufhin bessert sich seine Krankheit tatsächlich. Verantwortlich dafür war allein seine Erwartungshaltung.

„Der Placebo-Effekt funktioniert bei der Behandlung von Schmerzen und Depressionen oft sehr gut“, sagt Dr. Katharina Schwarz vom Institut für Psychologie der Universität Würzburg. Die pure Erwartung, ein Medikament zu bekommen, kann Symptome lindern und das Befinden verbessern: „Und das ist nicht nur eine subjektive Empfindung des Patienten, sondern auch physiologisch messbar.“
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Erwartungen verändern das Schmerzempfinden

Katharina Schwarz beschäftigt sich generell damit, welchen Einfluss Erwartungen auf die Wahrnehmung und das Verhalten haben. ... Wenn man Männern zu verstehen gibt, dass sie empfindlicher beziehungsweise unempfindlicher als Frauen seien, dann verändert sich ihr Schmerzempfinden.
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https://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/artikel/die-macht-der-erwartungen-1/

Neu ist das ja nicht. Auch Placebo-Medikamente zeigen Wirkung, was - denke ich - auf die gleichen Mechanismen zurück geht.

Ich finde diese Erkenntisse deshalb so wichtig, weil sie ja auch im Alltag eine Rolle spielen können. Kennt das nicht fast ein Jeder?: Man trifft Jemanden auf der STrasse, der sagt "Du siehst heute aber schlecht aus!" und schon fühlt man sich auch schlecht oder noch schlechter, falls man sich wirklich nicht gut fühlt.
Hört man stattdessen "Du siehst aber heute toll aus!" ...

Es ist ja eigentlich so leicht, solches Wissen in der Praxis umzusetzen. Nur fällt es anscheinend vielen Menschen nicht leicht, das zu tun.

In die gleiche Richtung geht dieser Thread:
https://www.symptome.ch/threads/lob-anerkennung-wertschaetzung-kritik.129100/

Grüsse,
Oregano
 
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Umgekehrt spielen Erwartungen auch beim Nocebo-Effekt eine Rolle. Jemand vergegenwärtigt sich etwa die möglichen unerwünschten Wirkungen eines Medikamentes und ist dann später von diesen betroffen.

Wichtig wäre meiner Meinung nach, die Stärke und die Gerichtetheit solcher Erwartungen zu verstehen. Nehmen wir etwa an, ich habe einen guten Freund und ich verabrede mich mit ihm am Sonntag um 14.00 Uhr. Da er bisher immer pünktlich zum verabredeten Treffpunkt kam, erwarte ich auch bei der nächsten Verabredung, dass er wieder pünktlich erscheint. Jemand schaut zu einer bestimmten Uhrzeit eine Nachrichtensendung. Diese Person erwartet daher wie selbstverständlich die betreffende Nachrichtensendung wieder zu dieser Uhrzeit im Fernsehen. Wenn ich mit ähnlich großer Sicherheit erwarte, gesund oder krank zu werden, treten andere physiologische Vorgänge auf als wenn ich mit Gesundheit und Krankheit nur vage Erwartungen verknüpfe, etwas nach der Art: "Ich mache einmal das Augentraining mit, vielleicht hilft's ja, schaden kann's ja nicht."

Interessant an Katharina Schwarz' Untersuchungen an der Universität Würzburg, auf die der obige Link verweist, finde ich auch das Konzept der "unbewussten Erwartungen". Zunächst könnte man fragen: Gibt es so etwas überhaupt? Entweder man erwartet etwas, dann ist damit ein bestimmter Grad an Bewusstheit verbunden oder man erwartet es eben nicht, d.h. man verknüpft mit dem entsprechenden Ereignis mehr oder weniger explizit keine Wahrscheinlichkeit.
Aber vielleicht gibt es ja unbewusste Erwartungen? Sie könnten etwa auftreten bei sich selbst verstärkenden Prozessen der Ermutigung oder aber auch im Rahmen von bestimmten Gewohnheitsmustern, die immer wieder zu einem unerwünschten Ergebnis führen (Teufelskreise bei Suchtkrankheiten, unheilsame Gewohnheiten, Selbstsabotage, "Spiele" in der Transaktionsanalyse ...).
 
Hallo Zeitgenosse,

danke für Deinen Beitrag :). Ich denke, daß "unbewußte" Erwartungen eine große Rolle spielen im Leben der Menschen.
Noch ein Beispiel: wenn man aus dem Elternhaus längst weg ist, hat man unbewußt häufig dennoch die Erwartung, daß es dort in Bezug auf mich genau so weiter geht wie gehabt: MEIN Zimmer, MEINE Lieblingsessen, MEINE Zeiteinteilung, MEINE Freizeit ....
Daß sich im Elternhaus schon allein durch das Älterwerden der Eltern die Dinge verändern, daß sich die Eltern "mein" Zimmer aneignen, daß die Gegenstände/Klamotten, die ich dort gelassen habe, evtl. von ihnen entfernt werden, das erwarte ich nicht. Oft löst es großes Erstaunen aus, wenn nach vielen Jahren der Abwesenheit der Kinder mit deren eigenen Wohnungen die Eltern radikal räumen und den Kindern hinter her laufen müssen, damit sich diese wenigstens noch einmal anschauen, was sich da so alles angesammelt hat.
Dies als Beispiel ;).

Da gilt es dann, sich tatsächlich bewußt zu machen, daß Umstände sich verändern, und daß ich evtl. Erwartungen korrigieren muß, weil sie der Realität nicht mehr entsprechen. Sehr deutliches Beispiel ist der Tod eines Elternteils, der sehr viel verändert.

Hier ging es um den Nocebo-Effekt:
https://www.symptome.ch/threads/der-nocebo-effekt.6958/

Grüsse,
Oregano
 
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Ja, diese Erwartungen von Kindern an ihre Eltern treffen sicher in vielen Fällen zu. Erwartungsmuster ändern sich auch viel, wenn ein Elternteil gestorben ist.

Umgekehrt hatte ich, als ich in den vergangenen Jahren meine Eltern besuchte, zwar den Wunsch, dass sie meine dort noch zurück gebliebenden Sachen respektieren, andererseits aber die Hoffnung / Erwartung, dass sie endlich aus bestimmten Routinen und Verhaltensmustern einmal herauskommen. Es hat sich dann erwiesen, dass sie viele Dinge, die ich als weniger hilfreich empfand, beibehielten. Andererseits mögen sie sich auch gedacht haben, dass ihr Sohn immer noch nicht verschiedene Dinge geregelt hat ...
 
Da fallen mir die Zauberworte "Akzeptanz" und "Toleranz" unter dem Oberbegriff "Liebe " ein :). Auf der eher nicht so positiven Seite stehen dann die Begriffe "Machtanspruch", "Übergriffigkeit" u.ä.

Ich glaube, daß gerade in Situationen, in denen Menschen eher unglücklich sind, sie dazu neigen, bei anderen mitmischen zu wollen. WAhrscheinlich wollen sie damit versuchen, das eigene Ego wieder zum Glänzen zu bringen :eek:);) - eine Erwartung, die nicht auf Dauer funktionieren wird.
Da Menschen im Unfrieden mit sich selbst nicht im "ich" ruhen, wird auch die Kommunikation mit Anderen entsprechend ausfallen. Sie werden mit Du-Botschaften um sich werfen und damit Reaktionen hervorrufen, die nicht positiv sind.

https://www.persoenlichkeits-blog.de/article/27/wie-formuliert-man-ich-botschaften#more-27

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet:
danke für Deinen Beitrag :). Ich denke, daß "unbewußte" Erwartungen eine große Rolle spielen im Leben der Menschen.

Hallo Oregano,

das sehe ich ebenso, wobei das Ego tief im unbewußten Bereich verankert ist, das aus den gemachten Erfahrungen oft ein Muster erstellt, das vom bewußten Ich so gar nicht gewollt ist, in das wir dann auf Grund der Macht, die das Unbewußte über uns ausübt jedoch immer wieder hineinfallen.

Dem sind wir trotzdem nicht hilflos ausgeliefert und wir können dies durchaus ändern, indem wir mit unserem Ego/Unbewußten kommunizieren und ihm die von uns tatsächlich gewünschten "Denkensformen" klar machen bzw. dessen Fehlbeurteilungen/Fehlschlüsse korrigieren. Huna (Stichwort Kahunas, Hawaii) bietet hierzu Anleitungen, die dazu führen, daß man das Verhalten des Egos und des Unbewußten umprogrammiert. Sie werden sich dagegen wehren, aber mit etwas Geduld gelingt es dennoch. Eine Änderung bewirkt dann gleichzeitig eine Veränderung bei Erwartungen, unerwünschten Gewohnheiten, Umgang mit sich selbst und anderen u.v.m.

Gruß,
Clematis
 
Auch ich glaube, dass die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten zu einer Verhaltensänderung führen kann. Die Huna-Techniken sind mir nicht bekannt.

C.G. Jung beschreibt in seinem Buch "Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewussten" die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten (München: dtv, 2014). Ein "fleckenloser" Ehemann z.B. der ganz in seinen dienstlichen Aufgaben aufgeht, der aber öfter jähzornig und launisch reagiert und damit eine Trennung riskiert, solle den eigenen weiblichen unbewussten Seelenteil, die Anima, fragen: "Warum willst du eine solche Trennung?" (S. 100).

Jung schlägt vor, dass man aktiv mit seinem Unbewussten spricht. Von anderen Schriften der analytischen Psychologie ist mir auch bekannt, dass es sinnvoll ist, unmittelbar bestimmte Traumfiguren anzusprechen. Jung hat den Kontakt zu verschiedenen Traumfiguren gesucht, wie dem Alten Weisen, um von diesen Rat zu erhalten.

Ich bin davon überzeugt, dass die eigenen unbewussten Seelenanteile, wenn man es denn versteht, mit ihnen einen Dialog aufzunehmen, und die eigenen Traumfiguren, eine große Quelle von Orientierungswissen sein können.

Obwohl ich im Verlaufe meines Lebens mehrere hundert Träume niederschrieb, und auch über diese meditierte, ist es mir nie gelungen, eine lebendige Beziehung zu den Traumfiguren herzustellen. Auch meine Versuche, luzid zu träumen, sind bisher leider nur sehr begrenzt gelungen. Ich arbeite aber noch daran ...
 
Ich bin davon überzeugt, dass die eigenen unbewussten Seelenanteile, wenn man es denn versteht, mit ihnen einen Dialog aufzunehmen, und die eigenen Traumfiguren, eine große Quelle von Orientierungswissen sein können.

Obwohl ich im Verlaufe meines Lebens mehrere hundert Träume niederschrieb, und auch über diese meditierte, ist es mir nie gelungen, eine lebendige Beziehung zu den Traumfiguren herzustellen. Auch meine Versuche, luzid zu träumen, sind bisher leider nur sehr begrenzt gelungen. Ich arbeite aber noch daran ...
Hast Du solche Versuche denn auch einmal zusammen mit einem therapeutischen (und helfenden, hilfreichen!?) Gegenüber gemacht, Zeitgenosse?
Ein Gegenüber das bestenfalls selber solche Erfahrungen gemacht hat, und vielleicht noch viel besser versteht, worauf es ankommt?
Jung schlägt vor, dass man aktiv mit seinem Unbewussten spricht.

... unmittelbar bestimmte Traumfiguren anzusprechen. Jung hat den Kontakt zu verschiedenen Traumfiguren gesucht, wie dem Alten Weisen, um von diesen Rat zu erhalten.
Das Bild eines alten, weisen Mannes kam mir bewusst, also nicht im Traum, auf die Frage einer Therapeutin hin, die mit Imaginationen arbeitet (nach Luise Reddemann, Links dazu hier: Sichtweise Psychologie Beitrag #90).

Gruß - Gerd
 
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Gleerndil hat geschrieben:

Hast Du solche Versuche denn auch einmal zusammen mit einem therapeutischen (und helfenden, hilfreichen!?) Gegenüber gemacht, Zeitgenosse?
Ein Gegenüber das bestenfalls selber solche Erfahrungen gemacht hat, und vielleicht noch viel besser versteht, worauf es ankommt?


Bisher habe ich deswegen noch nicht mit einem Therapeuten, einer Gruppe oder einer anderen Instanz gearbeitet. Allerdings habe ich gelegentlich Verwandte und Freunde gefragt, wie sie bestimmte Träume sehen. Einige nehmen Träume als Sprache des Unbewussten nicht ernst, andere kommentierten überraschend schlüssig und plausibel bestimmte Muster in meinen Träumen.
Vertieft habe ich mich in einige Arbeiten der analytischen Psychologie und in Bücher zum luziden Träumen. Das aktuellste Buch, das ich durchgearbeitet habe, ist "Lucid Dreaming - Gateway to the Inner Self" von Robert Waggoner, der selbst Klarträumer ist (San Francisco 2009). Er gibt Hinweise, wie Klarträumen gelingen kann.
 
Stimmt, man kann sehr wohl lernen seine Träume auch selber zu steuern und die durch die Träume aus dem Unbewussten vermittelten Aussagen besser zu verstehen.

Einen ganz guten Zugang zum Unterbewussten im Bewussten Bereich kann man sich über den "Magischen Kubus" ermöglichen, das ist ein altes Sufi-Spiel.

Liebe Grüße Tarajal :)
 
Erwartungen entstehen durch Gedanken und dadurch, daß sie mit ihnen genährt und genährt werden.

alles Liebe
flower4O
 
Hallo Zeitgenosse,

den magischen Kubus gibt es als Buch und ich habe es schon sehr oft mit immer wieder verblüffenden Ergebnissen eingesetzt.

Aber Du kannst auch hier schauen:

Der magische Kubus

Das schwierige mit der Erwartungshaltung ist leider auch alltäglich in frustrierten Partnerschaften zu sehen.
Frau erwartet, dass Mann sich an Daten oder sonstiges erinnert und ist dann zutiefst enttäuscht, wenn dem nicht so ist.
Mann erwartet, dass Frau ihn auch versteht (dass er mal seine Ruhe haben will und nicht permanent bequatscht werden muss) und ist frustriert weil er sich unverstanden fühlt.

Eine Erwartungshaltung kann sehr positiv sein, aber sie kann bei Nichterfüllung in Enttäuschung umschlagen und dann sehr negativ wirken.

Liebe Grüße Tarajal :)
 
Hallo Tarajal,

danke für die Hinweise zum magischen Kubus. Ich glaube, ich bin ihm früher schon einmal begegnet.

Vor 25 Jahren hatte ich mich in die Exerzitien des Ingnatius von Loyola vertieft. Einmal im Rahmen von Besinnungstagen, dann auch mit anderen zusammen, über mehrere Wochen lange.

Wir hatten damals auch mit dem Bibliodrama gearbeitet. Das ist mir wieder eingefallen als ich den Text zum magischen Kubus las.

In den Einzelexerzitien stellte ich mir bestimmte Situationen des neuen Testamentes bildlich vor, so als ob ich Teil des Geschehens sei. In den Gruppenexerzitien stellten wir bestimmte Begebenheiten aus dem neuen Testament nach. Man konnte sich eine Person aussuchen. Etwa bei der Zöllner-Geschichte (LK 19,1-10) in die Rolle eines Zuschauers oder in die des Zachäus schlüpfen. Dann spielten wir die Situation nach und beobachteten genau, welche Gefühle, Bilder und Gedanken kommen. Diese Sitzungen waren oft sehr aufschlussreich und emotional aufreibend.

Schöne Grüße

Zeitgenosse
 
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