(D) Sterbehilfe ?

Zwischen meiner Geschichte und den Menschen, die sich selber den baldigen Tod wünschen um aus einer extrem belastenden und nicht heilbaren Situation heraus zu kommen gibt es einen Unterschied. Da ich erst Mitte 50 war und das Leben nicht aufgeben wollte habe ich gekämpft obwohl meine engste Verwandschaft (Eltern, Frau, Bruder) auf die ITS bestellt wurden um sich von mir zu verabschieden. Da ich das alles mitbekommen habe, war es für mich so belastend, dass ich über ein Jahr nicht darüber sprechen konnte. Da ich in diesem Zustand auch eine OP "live" mit erlebte, habe ich natürlich Ängste vor einem erneuten künstlichen Koma (solltealso keine Kritik an Deinen Gedanken sein). Ob das nun bei mir ein Sonderfall gewesen ist oder ob es die Regel darstellt konnte ich bisher nicht ermitteln. Unser Mitglied Ezra hat seine Erfahrungen aus dem künstlichen Koma nieder geschrieben und als Buch veröffentlicht ( https://www.symptome.ch/threads/ueberlebt-infiziert-mit-dem-superkeim-mrsa.112158/ ). Da es sich von den Empfindungen her völlig mit meiner Erfahrung deckt befürchte ich, dass es vielen Patienten so ergeht.

Nur durch diesen Hintergrund habe ich und meine Frau in der Patientenverfügung einen entsprechenden Passus. Ohne diese Erfahrung wäre das wahrscheinlich nicht eingeflossen. Deshalb sind Informationen Betroffener so wichtig und ich hoffe, dass sich hier noch mehr Mitglieder beteiligen.
 
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Hallo James,

es nimmt mich ganz schön mit, was Du über das künstliche Koma schreibst. Das ist wirklich Horror pur.
Und was wahrscheinlich ebenso schrecklich ist, daß der Glaube an die "Erzählungen" des aus dem Koma Geholten wahrscheinlich eher klein ist und für Phantasie gehalten wird.

Mich würde sehr interessieren, welchen Passus Du in die Patientenverfügung aufgenommen hast.

Grüsse,
Oregano
 
Hier noch ein paar Aspekte:

Die Einwände gegen (Legalisierung der) Sterbehilfe liegen auf der Hand. Es könnte (evtl. auch nur subtiler oder latenter) Druck ausgeübt werden auf Schwerkranke, der Familie und Gesellschaft nicht weiter zur Last zu fallen. Sie könnten auch selbst Druck empfinden. Suizidale, denen evtl. geholfen werden könnte (auch abseits der offiziellen Medizin, da gibt es ja viele Beispiele hier im Forum), hätten eine geringe(re) Schwelle für den Suizid.

Von der Freiheit zum Tod zur Unfreiheit zum Leben
Wenn das Tötungstabu aufgeweicht wird, kann ein ethischer Dammbruch die Folge sein. Albin Eser weist zu Recht darauf hin, dass das Leben durch seine Verfügbarkeit zugleich seine Unantastbarkeit verliert. Wenn die Tabugrenze einmal überschritten ist, stellt sich die Frage, warum dann Leben nicht auch in anderen Fällen verfügbar sein soll. "Warum nur da, wo sich ein Mensch selbst aufgibt? Warum nicht auch dort, wo er sich nur unvernünftigerweise nicht aufgibt?" (Eser a.a.O. Seite 174)

Die Befürworter einer Legalisierung aktiver Euthanasie übersehen die Folgewirkungen ihrer Forderungen. Wenn das Tötungstabu aufgeweicht wird, kann ein ethischer Dammbruch die Folge sein. Albin Eser weist zu Recht darauf hin, dass das Leben durch seine Verfügbarkeit zugleich seine Unantastbarkeit verliert. Wenn die Tabugrenze einmal überschritten ist, stellt sich die Frage, warum dann Leben nicht auch in anderen Fällen verfügbar sein soll. "Warum nur da, wo sich ein Mensch selbst aufgibt? Warum nicht auch dort, wo er sich nur unvernünftigerweise nicht aufgibt?" (Eser a.a.O. Seite 174)

Das geltende Strafrecht betont nachhaltig das Fremdtötungsverbot. Wenn dieses Tabu aufgelöst wird, darf gefragt werden, welches Argument ein aussichtslos kranker Mensch gegen die Erwartung seiner Umwelt, von seinem Recht auf Getötetwerden doch endlich Gebrauch zu machen, noch vorbringen kann. Die Freiheit zum Tod kann schnell in eine Unfreiheit zum Leben umschlagen, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die zunehmenden Erwartungen einer effektiven Kostenersparnis im Gesundheitswesen. Der Respekt vor dem Leben und die Angst vor einer Gefährdung der Menschenwürde nährt diese "Dammbruchargumentation".
Einwände gegen Euthanasie

Hier finde ich, müsste man einbeziehen, dass es die Möglichkeit ja bereits gibt, denn auch Ausländer können grundsätzlich die Schweizer Institutionen aufsuchen. Der schon genannte (deutsche) Palliativmediziner erzählte von einer Patientin, die trotz aller Bemühungen so gelitten hat, dass sie diese Möglichkeit genutzt hat (da ging es um einen Krebs, der das Gesicht "zerfressen" hat). Evtl. gibt es auch in den Niederlanden Möglichkeiten. Bislang hat das, soweit ich weiß (ich habe mich aber nicht aktiv damit befasst), keinen "Dammbruch" ausgelöst. Ich habe im Gegenteil mehrfach gehört (allerdings nicht aus erster Hand, sondern z.B. in TV-Talkshows), dass allein die Möglichkeit, sich jederzeit an eine dieser Institutionen zu wenden (indem man z.B. den Kontakt schon hergestellt und die Vorgespräche schon geführt hat), zu einer großen Erleichterung führt und keineswegs zu einer Neigung, dies "voreilig" in Anspruch zu nehmen.

Ich halte es (auch für diese Diskussion) für wichtig, die verschiedenen Arten von "Sterbehilfe" zu differenzieren. So ist z.B. die Schmerzbehandlung, auch mit dem Risiko, dass sie lebensverkürzend wirkt, längst erlaubt, soweit ich weiß, und in gängigen Formulierungen von Patientenverfügungen auch enthalten. Und wenn ich so an die beiden von mir eng miterlebten Krebstode denke, vermute ich sehr stark, dass die eingesetzten Medikamenten-Mengen und -Kombinationen (auch ohne irgendeine andere Absicht als die der Symptomlinderung) schon lebensverkürzend gewesen sein könnten. Hier entsteht eine Grauzone für das ärztliche Handeln und die ist auch kaum kontrollierbar.

Hier eine Auflistung:
Aktive direkte Sterbehilfe: Tötung auf Verlangen, etwa durch Überdosis eines Narkosemittels. Die sogenannte Tatherrschaft hat nicht der Patient inne, sondern eine andere Person, z. B. der Arzt.

Beihilfe zum Suizid: Ein Arzt verschreibt dem Patienten entsprechende Medikamente bzw. ein Angehöriger oder Freund besorgt sie und stellt diese bereit. Die Tatherrschaft liegt beim Patienten.

Passive Sterbehilfe: Hier geht es um das Sterbenlassen. Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, z. B. künstliche Ernährung oder Beatmung

Aktive indirekte Sterbehilfe: Hierbei steht für den Arzt die Schmerzlinderung im Vordergrund. Er nimmt dabei in Kauf, dass die Behandlung mit starken Schmerzmitteln die Lebenszeit des Patienten verkürzt.
https://www.dghs.de/aufklapp-boxen/.../die-verschiedenen-arten-der-sterbehilfe.html

Links dazu:

Die verschiedenen Formen der Sterbehilfe und ihre gesetzliche Regelung (Rechtslage bezieht sich auf die Schweiz)
DGHS - Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben*|*Die verschiedenen Arten der Sterbehilfe (deutsche Seite, aber ohne Beschreibung der Rechtslage)
Planet Wissen - Sterbehilfe (u.a. zur rechtlichen Lage in Deutschland)

Eine Passage aus dem ersten Link spricht einen für mich wesentlichen ethischen Aspekt an:
Palliativ-medizinische Betreuungsmassnahmen

Palliative Medizin und Betreuung umfassen medizinische Behandlungen, körperliche Pflege, aber auch psychologische, soziale und seelsorgerische Unterstützung des Patienten sowie seiner Angehörigen.

Sie können die Lebensqualität Schwerkranker und Sterbender deutlich erhöhen und damit auch Sterbewünsche verhindern.
Es wäre wünschenswert, wenn dies immer an erster Stelle stehen könnte, und alles andere erst infrage kommen müsste, wenn hier alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Als Angehöriger kann man viel tun, ist aber auch oft am Rande der Kraft.

Gruß
Kate
 
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Hier zur Situation in den Niederlanden: Mobile Sterbehilfe in den Niederlanden - Tod auf Abruf - Panorama - Süddeutsche.de

Hieraus auch eine Textstelle:
In den Niederlanden werden jährlich etwa 2300 Menschen auf Verlangen getötet, eine Zahl, die sich durch das Gesetz von 2002 kaum geändert hat. Gegner der liberalen Sterbehilfe-Praxis behaupten indes, die wahre Zahl sei höher, weil viele Fälle nicht gemeldet würden.

In andere Länder wird der "mobile Dienst" sicher nicht kommen, wie es mit der Klinik aussieht (und was sie da genau anbieten) weiß ich nicht.
 
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Es wurde schon vieles gesagt und ich denke es ist ein schwieriges Thema auf das es keine allgemeingültige Aussage gibt.
Es ist von Fall zu Fall zu entscheiden und sollte bei jedem selbst liegen dürfen.
Ich verstehe zwar auch die Argumentationen dagegen, jedoch denke ich, dass man nicht zu vorschnellen Handlungen kommt, wenn man sich vorher genügend Gedanken gemacht hat. Es gibt Menschen, die sind über viele Jahre ein Vollpflegefall. Was das bedeutet kann man meist nur wissen, wenn man das einmal erlebt hat. Sobald auf beiden Seiten nur noch Hilflosigkeit der Krankheit gegenüber da ist, ist es meiner Meinung nach besser, man darf sich für das Sterben entscheiden.

Grüsse von Juliette
 
Ein sehr interessanter Bericht von 3-SAT, momentan in der Mediathek zu sehen:

3sat.online - Mediathek: Wie wir sterben (3sat.de/mediathek/index.php?mode=play&obj=46957)

Wie wir sterben
Warum sterben wir? Wie fühlt sich Sterben an? Und ist es überhaupt möglich, den Vorgang als Außenstehender mit einiger Gewissheit zu beschreiben? Erkenntnisse über ein Thema, das vielfach tabuisiert wird. 45 Min.
 
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Lieber James,
danke für dieses bewegende und interessante Video.
Der Tod ist ein Tabu mit vielen Fragen und hier wird versucht,Antworten darauf zu geben.
Im Video sagt ein Arzt,dass man den eigenen Tod nur stirbt ,doch mit dem Tod des anderen muss man leben.
Ich habe erlebt, dass danach viele Fragen zurückbleiben,auf die im Video eingegangen wird.
Lieber James,in mir ist nun ein tiefer Frieden ,denn ich fand die Anwort auf eine Frage ,die mich schon sehr lange quälte.

Die Großmutterhypothese finde ich toll!:)

Wir bekommen im Video auch einen Einblick vom Leben in einem Hospiz ,es nimmt die Ängste und es ist gut,dass in vielen Städten neue entstehen.

Die Aussage,dass man den Wert des natürlichen Todes in unserer heutigen modernen Medizin wiederentdecken muss,deckt sich mit meinem Erlebten.

Liebe Grüße von Wildaster
 
@ullika

Du verwechselst Sterbehilfe mit dem Euphemismus der Euthanasie in der NS-Zeit. Ersteres muß man selbst wollen, Glück ist nur bei letzerem notwendig.
 
Sterbehilfe also nur, wenn man selber will und nicht, wenn jemand im Koma liegt?

Was aber, wenn einem Verwandte das Gefühl geben, zur Last zu fallen?

Ein schwieriges Thema, bin ich mir bewusst.

Bei Tieren gibt es ja schon das "Einschläfern", das ungewollte Sterben, ich habe meine Hunde bisher immer selber die Entscheidung, wann sie sterben wollen, überlassen, manche meinen heute, das geht nicht mehr von selber, hoffentlich ist das bei uns nicht auch einmal so, ich bin der Meinung, Sterben geht von selber, normalerweise zumindest, ausser man hat ein künstliches Herz, das nicht aufhört zu schlagen oder man hängt an welchen Maschinen.
 
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Entweder man äußert es selbst (auch dann gelten ja noch Rahmenbedingungen, die erfüllt werden müssen - einfach nur lebensmüde reicht nich!) oder legt das in einer Patientenverfügung zu seinen Bedingungen vorher fest. Die "Gefühle der Verwandten" usw. spielen dabei keine Rolle.
 
Sterbehilfe 🤍 - schon seit vielen Jahren setze ich mich mit diesem Thema auseinander und es löst so viel in mir aus.

Die Sterbehilfe in Deutschland muss neu geregelt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt hat.
Die jahrelange Debatte um ein neues Sterbehilfe - Gesetz ist ein Stück weiter und noch vor der Sommerpause im Juli könnte darüber entschieden werden.



Alles Gute euch!❤️
Wildaster
 
Die öffentliche Debatte geht in die nächste Runde!
Gesetzentwürfe scheitern im Bundestag. Keiner der Entwürfe fand eine Mehrheit.

 
Harald Mayer kämpft für seinen Tod.

Jeder sollte in Würde leben können, aber auch das Recht haben selbstbestimmt in Würde sterben zu dürfen.
Ich verstehe es einfach nicht, warum ein kranker Mensch so sehr kämpfen muss.

Durch seine Videos begleite ich gefühlsmäßig Harald schon länger auf seinen Weg, sein Krankenverlauf und sein Kampf bewegt mich und erdet mich immer wieder.
Oft stelle ich mir die Frage, warum entscheiden eigentlich "nur" gesunde Menschen über Sterbehilfe und nicht "nur" Betroffene?

Ich hoffe, dass Harald Meyer seinen Frieden bekommt, bin voller Respekt und Mitgefühl und wünsche auch seiner Schwester viel Kraft.🍀

 
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