Sauerstoffradikale können auch nützlich sein

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Sauerstoffradikale (Oxidative Substanzen) werden allgemein mit zerstörerischen Funktionen im menschlichen Körper in Verbindung gebracht. Dass sie aber auch überaus nützlich sein können....,
hat jetzt eine Arbeitsgruppe um Dr. Ivan Bogeski, Dr. Barbara Niemeyer und Professor Markus Hoth an der Medizinischen Fakultät der Saar-Universität gezeigt. Die Wissenschaftler am Institut für Biophysik haben eine völlig neue Funktion von Sauerstoffradikalen im Immunsystem aufgeklärt.
Ihre Ergebnisse wurden jüngst (30. März 2010) in "Science Signaling" publiziert.
Zu den zerstörerischen Funktionen von Sauerstoffradikalen zählen beispielsweise mögliche Schädigungen des Erbmaterials nach einer Strahlentherapie, und auch bei der Alterung des menschlichen Körpers spielen diese Substanzen wahrscheinlich eine wichtige Rolle. Allerdings haben Sauerstoffradikale im Immunsystem durchaus auch positive Funktionen: In entzündetem Gewebe werden sie unter anderem von Fresszellen (Makrophagen) des Immunsystems verstärkt freigesetzt, um eingedrungene Bakterien zu abzutöten.

Damit Entzündungen effektiv bekämpft werden, müssen aber noch weitere Immunzellen zum Ort des Geschehens wandern. Hierzu gehören unter anderem die T-Zellen, die eine zentrale Rolle bei der Regulation des Immunsystems und der Abtötung "kranker" Zellen spielen. Ihre Aktivität wird durch Calcium-Ionen gesteuert, die durch Calciumkanäle in die Zelle einströmen. Das Team um Dr. Ivan Bogeski und Dr. Barbara Niemeyer konnte zeigen, dass der Haupt-Calciumkanal (ORAI1) der T-Zellen durch Sauerstoffradikale blockiert wird. Damit wären diese wichtigen Immunzellen nicht mehr funktionsfähig. Den Homburger Forschern gelang aber der Nachweis, dass T-Zellen unter diesen Bedingungen nah verwandte Calciumkanäle (ORAI3) bilden, durch die weiter Calcium ins Innere der T-Zellen einströmen kann, wodurch diese ihre Funktion weiter ausüben können. Somit ist zum ersten Mal gezeigt worden, dass ORAI1 und ORAI3 unterschiedliche Funktionen im Immunsystem haben. Die Biophysiker folgern daraus, dass dieser Mechanismus eine wichtige Rolle bei der Regulation der Immunantwort spielt.

Als nächstes soll die Regulation der Immunzellen durch Sauerstoffradikale von gesunden Probanden und von Patienten mit Autoimmunerkrankungen näher untersucht werden. Hauptaugenmerk wird auch dabei auf der unterschiedlichen Funktion von ORAI1 und ORAI3 und ihrer Regulation durch Sauerstoffradikale liegen. Obwohl bislang noch keine selektiven Pharmaka für ORAI1 und ORAI3 existieren, bieten die unterschiedlichen Funktionen der beiden Kanäle sehr gute Angriffspunkte, um gezielt bestimmte Immunzellreaktionen bei Autoimmunerkrankungen zu unterbinden.

Link zur Veröffentlichung in "Science Signaling":
Differential Redox Regulation of ORAI Ion Channels: A Mechanism to Tune Cellular Calcium Signaling -- Bogeski et al. 3 (115): ra24 -- Science Signaling
Sauerstoffradikale im Immunsystem

Soweit ich diesen Text verstehe, könnte es also auch nützlich sein, Sauerstoffradikale zu haben? Das würde dann evtl. bedeuten, daß die Jagd auf die Sauerstoffradikalen nicht immer positiv zu sehen ist?

Gruss,
Uta
 
Weitere Studien bestätigen, daß Sauerstoffradikale auch positive Wirkungen haben können. Allerdings muß dem offensichtlich mit weiteren Studien nachgegangen werden.

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Zu den freien Radikalen zählt auch das Wasserstoffperoxid (H2O2). In hohen Konzentrationen ist es für die Blutgefäße schädlich, während es in niedrigen Konzentrationen gefäßschützend zu wirken scheint. Unter der Leitung von Professor Dr. Henning Morawietz gingen die Forscher Heike Langbein und Dr. Coy Brunßen genau dieser Frage auf den Grund. Sie wiesen nach, dass bei Übergewicht der Verlust der wichtigsten natürlichen Quelle von Wasserstoffperoxid in der Gefäßwand, der NADPH-Oxidase Nox4, zu verschlechterter Gefäßfunktion und vermehrter Arteriosklerose führt. Das könnte auch eine Erklärung sein, warum die meisten Studien mit synthetischen Vitaminen bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kaum positive Wirkungen gezeigt haben.
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Besonders innovativ bei diesem Projekt war die Entwicklung von Geräten zur berührungslosen Untersuchung von Gefäßen durch optische Kohärenztomografie im Labor von Prof. Koch und ihre Nutzung als neues bildgebendes Verfahren zur Analyse der Funktion von Blutgefäßen. Hierbei wurde deutlich, dass der Verlust von Nox4 zu verschlechterter Gefäßfunktion führt. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass Wasserstoffperoxid in niedrigen Konzentrationen den Blutdruck senken kann.

Im Gegensatz zu den bisher bekannten schädigenden Effekten von oxidativem Stress könnte die Aktivierung von körpereigenen protektiven Sauerstoffradikalen eine neue therapeutische Strategie zur Behandlung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen.
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https://idw-online.de/de/news642648

Grüsse,
Oregano
 
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