Bin ich drüber gestolpert,da mein Arzt es mir auch empfehlen wollte. Er hält auch viel von der Galina Schatalova*Wir fressen uns zu tote*
Weizengras-Saft
Weizengras-Saft
Ulrike Gonder
Was macht Kühe groß und stark? Richtig, das eiweiß-, vitamin- und mineralstoffreiche Gras. Wenn man damit so stark wie ein Rind werden kann, dann ist es bestimmt auch für Menschen gesund. So lautet allen ernstes die Argumentation mancher Anbieter von Säften aus Weizengras. Seit mehr als dreißig Jahren wird der aus Weizen-, Gersten- oder Dinkelgräsern gepresste Saft gegen allerlei Krankheiten und die Wehwehchen des Älterwerdens angepriesen.
Millionen Kühe können nicht irren
Getreidepflanzen gehören zur Familien der Gräser. Das scheinen viele Zeitgenossen nicht einmal zu ahnen, wenn sie kreuz und quer über Äcker laufen, die so aussehen, als wüchse nur ein bisschen Gras darauf. Was die Ahnungslosen da platt treten ist die Ernte des folgenden Herbstes, das frisch gesäte Getreide. Der gleiche hellgrüne „Rasen“ wächst in der heimischen Küche, wenn Weizenkörner eingeweicht werden, um sie an einem hellen Plätzchen keimen zu lassen. Ist das Weizengras etwa 10 Zentimeter hoch, kann es abgeschnitten und zu einem quietschgrünen Saft gepresst werden.
Die Saftherstellung wurde vermutlich deswegen ersonnen, weil das Kauen von Grashalmen wenig delikat ist. Kein Wunder, denn das menschliche Verdauungssystem ist auf den Verzehr von Gras gar nicht eingestellt. Das unterscheidet uns von der Kuh mit ihren vier Mägen, die viele Stunden am Tag grasen muss, um genügend Energie aufzunehmen. Zudem muss sie das Ganze dann auch noch wiederkäuem, um die Nährstoffe aus dem Gras ausnutzen zu können. Mit dem Vergleich von Kühen und Menschen in Sachen Ernährung sollte man daher vorsichtig sein. Wäre er realistisch, müsste man auch Angst haben, dass einem vom Grassaft-Trinken Hörner und Hufe wachsen.
Aber jetzt im Ernst: Was ist drin im Weizengras bzw. im Saft daraus, mit dem seine „Erfinder“ Ann Wigmore und Viktor Kulvinskas angeblich „viele Patienten von schwersten Krankheiten geheilt haben“? Es sind folgende fünf Wirkstoffgruppen: Weizengrassaft besteht zu gut einem Fünftel aus hochwertigem Eiweiß, er ist reich an Vitaminen, enthält eine Fülle verschiedener Mineralstoffe sowie Enzyme und den grünen Blattfarbstoff Chlorophyll. Daneben dürfte er – wie alle frischen Pflanzen – eine ganze Reihe weiterer sekundärer Pflanzenstoffe (SPS) enthalten.
Zauberformel SPS?
Alle diese Inhaltsstoffe werden in der Gesundheitszsene mit teilweise wundersamen Wirkungen angepriesen. Dabei sollte mittlerweile bekannt sein, dass Vitamine und Mineralstoffe zwar lebensotwendig sind und bei Mangelkrankheiten auch heilend wirken, dass hohe Gaben einen gesunden Menschen aber weder gesünder machen noch das Altern, Krebs oder Herzinfarkte verhindern. Zudem kann zuviel des Guten auch schaden.
Die schöne grüne Farbe des Weizengrassaftes stammt vom Chlorophyll, das angeblich „die Sonnenenergie für uns verfügbar“ macht – was immer das bedeuten mag. Wissenschaftlich einigermaßen untersucht sind zwei der dem Chlorophyll nachgesagten Wirkungen: Dass es den Geruch menschlicher Ausscheidungen verbessert, konnte nicht belegt werden. Dagegen ergab eine Studie aus China, dass ein Stoffwechselprodukt des Chlorophylls offenbar in der Lage ist, Leberkrebs fördernde Schimmelpilzgifte zu binden und so zum Schutz vor dieser speziellen Krebsart (die bei uns selten ist) beizutragen.
Allerdings werden vom Körper weniger als 5% des Chlorophylls aus der Nahrung aufgenommen, der Rest verlässt den Darm ungenutzt. Wunderwirkungen sind vom Weizengrassaft auch deswegen nicht zu erwarten, weil sein Chlorophyllgehalt nicht außergewöhnlich ist: Broccoli oder Spinat liefern etwa dieselbe Menge. Das gleiche gilt für das hochwertige Eiweiß, die Vitamine und Mineralstoffe im Weizengrassaft: Sie finden sich alle auch in anderen Lebensmitteln, sodass eine gemischte Kost mit viel frischem Gemüse und Obst sowie hochwertigen Eiweißquellen wie Ei, Milch, Fleisch oder Fisch die Versorgung problemlos sicherstellt.
Zu guter Letzt wären da noch die Enzyme, jene „Zündfunken des Lebens“, die die Verdauung unterstützen und aggressive Radikal fangen sollen. Richtig ist, dass Enzyme unendliche viele und lebenswichtige Funktionen im Körper erfüllen. Da sie jedoch aus Eiweiß bestehen, gibt es beim Verzehr von enzymreichen Lebensmitteln ein Problem: Eiweiße sind hitze- und säureempfindlich. Sie werden durch Kochen ebenso inaktiviert wie durch die Magensäure. Deswegen stellt der Körper die nötigen Enzyme in der Regel selbst her und deswegen ist auch fraglich, ob Weizengrassaftpillen und -pulver überhaupt noch aktive Enzyme enthalten.
Wenn die einzelnen Substanzen keine Anti-Aging-Wunder erwarten lassen, vielleicht macht es ja ihre einzigartige Kombination im Saft? Um diese Frage eindeutig beantworten zu können, müsste es Studien geben, bei denen Menschen mit Hilfe von Weizengrassaft Krankheiten verhütet oder gelindert haben. Medline, die größte frei zugängliche Medizinbibliothek des Internets, liefert dazu nur zwei Treffer: In einer indischen Studie wurden 16 Patienten mit einer sehr speziellen Stoffwechselerkrankung untersucht, die häufige Bluttransfusionen erfordert. Bei der Hälfte der Patienten führte der regelmäßige Genuß von Weizengrassaft dazu, dass sie seltener neues Blut benötigten.
Die zweite Studie stammt aus Israel und untersuchte den Effekt von 0,1 l Weizengrassaft täglich bei Patienten mit Colitis ulcerosa, einer entzündlichen Darmerkrankung. Nach einem Monat waren einige Symptome spürbar gemildert, ohne dass Nebenwirkungen aufgetreten wären. Die Autoren schließen daraus, dass sich ein Versuch mit Weizengrassaft bei dieser Krankheit lohnt. Bevor dies allgemein empfohlen werden dürfte, müsste sich diese Wirkung in weiteren Studien bestätigen lassen. Weil es derzeit keinen klaren Wirknachweis gibt, darf Weizen-, Gersten- oder Dinkelgrassaft nicht als Medikament angeboten werden, sondern nur als Nahrungsergänzungsmittel.
Beweise für eine krankheitsverhütende Wirkung bei Gesunden fehlen völlig. Wer dennoch meint, er müsse seine Nahrung unbedingt mit Weizengrassaft ergänzen, kann ihn einfach ausprobieren, denn es haben sich bislang keine Nebenwirkungen gezeigt. Sinnvoller als einzelne Vitamine oder Mineralien zu schlucken ist so ein Saft allemal. Allerdings enthält er auch nichts, was nicht in anderen Gemüse-, Salat- oder Obstsorten, in Milch, Ei oder Fleisch enthalten ist.