Sinn des Lebens im Alter
Hallo alle
Nachdem es ja eigentlich um die Frage nach dem Sinn des Lebens im Alter geht, möchte ich mich auch mal einschalten.
Ich bin 73 und fühle mich weder sehr alt, noch sehr jung. Aber die meisten Leute würden wohl sagen, ich sei "alter". Wobei ich ganz bestimmt älter bin als viele andere.
In meinem Alter kommt man, ob man sich nun alt fühlt oder noch "jünger", wahrscheinlich doch immer wieder mal auf die Frage nach dem Tod, der ja nun langsam aber sicher immer näher rückt. Und somit wird man sich auch Gedanken machen, was denn dann passiert.
Nun, ich denke, dass für mich dann nichts mehr passiert. Und somit ist ein Teil der Frage, was der Sinn meines Lebens ist, eigentlich schon beantwortet. Es ist nämlich keiner!
Damit kann ich nicht nur gut leben, sondern bin sogar sehr glücklich darüber. Wenn ihr mehr wissen wollt, warum ich darüber glücklich bin, könnt ihr mich ja noch danach fragen.
Vorerst will ich jedoch mal eine andere Frage stellen: Warum fragen denn so viele Menschen nach dem Sinn des Lebens? Warum sind sie nicht einfach zufrieden damit, dass sie leben und warum akzeptieren sie nicht, dass alles so ist, wie es ist. Egal, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder ob es Sinn macht überhaupt zu leben.
Diese Frage finde ich jedenfalls interessanter als nur die Frage, ob es einen Sinn im Leben gibt. Denn diese zweite Frage ist ja sehr schnell beantwortet. Nämlich es gibt keinen!
Allerdings gibt es Gründe dafür, warum ich lebe. Da waren mal meine Eltern. Und sie haben etwas gemacht, was mich dann produziert hat. Aber dass dann alles weiter gegangen ist und ich jetzt vor diesem komischen Bildschirm sitze, das hat noch ganz viele, ja sogar unzählige Gründe. Denn alles, was ständig geschieht, ruft wieder eine Menge anderer Dinge hervor und so geschieht immerzu etwas und alles ist daran beteiligt. Zu fragen, warum das alles geschieht, ist doch eigentlich unsinnig. Denn warum regnet es? Oder warum scheint die Sonne? Warum gibt es überhaupt die Sonne? Klar, es hat Gründe, warum es regnet. Aber es regnet schließlich und das ist alles. Es geschieht ohne Sinn. Die Sonne ist da und somit können wir auf der Erde leben. Aber das geschieht nicht, weil es einen Sinn macht. Denn es macht keinen Sinn. Es sei denn, man glaubt an einen Gott (oder auch Götter, Göttin oder eine entsprechende lenkende oder schöpferische Kraft, wie auch immer diese sein könnte). Also hat die Sinnfrage schon auch was mit dieser Kraft zu tun. Nämlich, ob man daran glaubt oder nicht.
Und jetzt sind wir bei einem ganz interessanten Punkt angelangt: Dem Glauben.
Eine sehr wahre Redewendung sagt: Glauben heißt: nicht wissen.
Würde man nämlich wissen, dann bräuchte man auch nicht glauben.
Gott entspringt also einem Glauben. Man kann auch sagen: Einem Wunschdenken, das dann zum Glauben wird.
Aber fragen wir nun ein wenig weiter: Warum haben wir dieses Wunschdenken?
Dies liegt nun wiederum an unserer Kindheit. Und zwar ist unsere Kindheit extrem lang. Kein Tier ist so lange abhängig von Pflege und Sorge wie wir. In dieser sorglosen Kindheit, die uns liebevoll erschien und meistens doch recht angenehm war. Es war immer jemand da, der uns was in den Mund steckte, wenn wir hungrig waren, der immer da war und uns in den Arm nahem und uns beachtete, wenn wir uns nicht wohl fühlten.
Ja, und schon haben wir ein neues Schlagwort: Wir wurden beachtet. Und natürlich geliebt. Was sich als sehr angenehm erwiesen hat.
Die Sehnsucht nach dieser Kindheitserinnerung ist immer noch in uns, egal wie alt wir sind. Und weil es damals gar so angenehm und schön war, wünschen wir uns einen lieben Papa oder eine liebe Mama herbei, die auf uns aufpasst und für uns sorgt. So haben wir den lieben Gott erschaffen. Und mit ihm auch den Sinn des Lebens. Nämlich wieder in diese allumfassende Liebe und Sorglosigkeit zu kommen.
Wenn man reif genug geworden ist, um das alles zu durchschauen, dann braucht man weder den Gott noch den Sinn des Lebens in Bezug auf später. Dann müssen wir uns nicht spirituell WEITER entwickeln im Hinblick auf "später".
Weiterentwickeln macht nur SINN für jetzt. Aber auch für die nächste Zukunft. Z.B. etwas zu lernen, was man dann anwenden kann, um das Leben zu meistern. Da macht dann ein Weiterentwickeln viel Sinn. Außerdem macht es Sinn, sich für ein angenehmes Leben einzusetzen. Nicht nur in egoistischer Weise, sondern auch für andere. Denn nur, wenn es auch anderen gut geht (ich meine jetzt nicht "gut" im übertriebenen Sinne, sondern eher in der Bedeutung von Wohlfühlen), dann ist die Erde ein guter Platz zum Leben. Nämlich für uns alle. Ohne Kriege, ohne Streit, ohne Habsucht, ohne Hass. Sicherlich nicht ohne Krankheit. Aber selbst die könnte man eindämmen mit der Sorge um andere, mit Liebe, mit Verständnis, mit Mitgefühl und Hilfe etc...
Dann gibt es noch einen Grund für die Frage, warum wir die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen.
Das hat nämlich auch was mit unserem Gehirn zu tun. Wir können Denken. Wir können Erfahrungen speichern, sie wieder abrufen, sie kombinieren. Und so kommt es, dass wir uns als wichtiger vorkommen als die Tiere oder Pflanzen. Denn die können das nicht. Jedenfalls nicht so gut wie wir.
Dieses Gefühl des "Könnens" und das Bewusstsein darüber, hat uns tatsächlich dazu gebracht, uns über den ganzen Erdball auszubreiten. Wir dominieren tatsächlich die Erde.
Durch das Bewusstsein, dass wir so viel können, kommen wir uns extrem wichtig vor. Und weil wir uns so wichtig vorkommen, ist es wohl sehr schwer für Viele, sich damit abzufinden, dass sie als Individuum verschwinden. Dass nicht nur der Körper zerfällt, sondern auch das, was wir als unser ICH erkennen. Also unsere Gedanken und Gefühle. Wir finden es dann schrecklich, ins Nichts zurück zu kehren. Jedoch was soll schlimm daran sein, so wenig zu existieren wie wir vor unserer Geburt existiert haben?
Je älter ich wurde, umso mehr wurden mir diese Zusammenhänge bewusst. Mir ist nun klar, warum es Religionen gibt und einen Glauben. Und auch, dass wir im Prinzip überhaupt nicht wichtig sind. Zwar im kleinen Rahmen. Ich weiß, dass ich für meine Frau sehr viel bedeute, so wie auch sie für mich sehr viel bedeutet. Ich weiß auch, dass mich meine Kinder lieben, ebenso die Enkel. Nur brauchen sie mich schon lange nicht mehr und ihr Leben wird ohne mich fast genau so weiter gehen, wie bisher. War ich also wichtig? Nun klar, damals als die Kinder noch klein waren, da war ich wichtig für sie. Aber jetzt nicht mehr. Alles ändert sich ja ständig und somit auch unsere Aufgaben. Oder auch, dass wir keine oder nur noch wenige Aufgaben haben. Aber das ist alles nicht schlimm. Es kann sogar ganz angenehm sein, aus der ewigen Tretmühle nun etwas heraus zu kommen.
Ich war zwar mal ein wenig wichtig für ein paar Menschen und Dinge, jedochoch war es auch wieder nicht extrem wichtig und jetzt bin ich kaum mehr wichtig! Obwohl ich sicher ein paar gute Dinge gemacht und sogar vielen geholfen habe in meinem Beruf und natürlich auch in der Familie. Aber diese Wichtigkeit ist jetzt fast vorbei, von meiner Frau mal abgesehen. Für sie möchte ich immerhin so lange hier bleiben, wie auch sie da ist, damit sie nicht allein zurück bleibt. Denn das wäre sehr schwierig für sie. Jedoch darüber hinaus bin ich nicht wichtig. Deshalb wird es auch nicht schwierig sein, mich von der Welt zu lösen und ganz einfach zu verschwinden.
Das waren nun mal so meine Gedanken zum Sinn des Lebens und wie ich das als "älterer" Mensch das sehe.
Schönen Gruß
Werner