Herbst-Gedichte

Herbst

Skizzenblatt

Kalt knistert Herbstwind im dürren Rohr
Das im Abend ergraut ist;
Krähen flattern vom Weidenbaume landeinwärts.

Einsam steht und rastet am Strande ein alter Mann,
Spürt den Wind im Haar, die Nacht und nahenden Schnee,
Blickt vom Schattenufer ins Lichte hinüber,
Wo zwischen Wolken und See ein Streifen
Fernsten Strandes noch warm im Lichte leuchtet:
Goldenes Jenseits, selig wie Traum und Dichtung.

Fest im Auge hält er das leuchtende Bild,
Denkt der Heimat, denkt seiner guten Jahre,
Sieht das Gold erbleichen, sieht es erlöschen,
Wendet sich ab und wandert
Langsam vom Weidenbaume landeinwärts.

(Hermann Hesse)
 
Herbst

Der erste Schnee wird bedichtet:

Der erste Schnee

Vater, Mutter, Kind und Flunder
Schauen still des Winters Wunder.

Was der Flunder sehr mißfällt,
Daß der Schnee kein Salz enthält.

Unsre Flunder freut sich heut,
Denn ab heut wird Salz gestreut.

kampela.gif

Und wer Spass an solchen Gedichten hat, sollte sich auch den Text dazu durchlesen.
https://www.werle.com/homepage/wasserbg/seite26.htm
 
Herbst

Der Herbst, der war mir lieber


von Sidonie Grünwald-Zerkowitz

Der Herbst, der war mir lieber
Als dieser Lenz mir ist!
Das Herz ging so uns über,
Daß wir uns wund geküßt!

Auf jedem stillen Steige
Blieben wir küssend stehn -
Strich Herbst auch durch die Zweige,
Durchs Herz ging Frühlingswehn! -

Wir wanderten umschlungen
Durch Auen im Mondenschein
Und hatten im Herbst gedungen
Den Mai - für uns allein! ....


 
Herbst

Hallo Uta,
danke für diese kulturhistorische Bereicherung!

Die Ringelschneuze

von Fridolin Wasserburg

Wenn im Herbst die Nebelschwaden
Das ganze Land in Dickmilch baden,
Wird's der Ringelschneuze kalt,
Sie verzieht sich in den Wald.


Dort aus Blättern und Geäst
Baut sie sich ihr Winternest,
Ringelt sich zu einem Knäuel,
Wartend auf des Winters Greuel.


Denn wenn Ringelschneuzen frieren,
Freuen sich die Schnupfenviren,
Bis die Schneuze dann am Schluß
Den ganzen Winter schneuzen muß.
 
Herbst

Die arme Ringelschneuze www.smilieseite.de/smilies/schilder_smilies/arabfr.gif
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Klaus Groth 1819-1899
Winters Anfang
De Snee ut 'n Heben
kummt eben, alleben
in Grimmelgewimmel
hendal ut'n Himmel,
hendal ut de Wulken
as Duben, as Swulken,
as Feddern, as Dun'
op de Hüs, op 'n Tun,
as Dun' un as Feddern:
Fru Meddern! Fru Meddern!
Herinner! Krup ünner
un roop alle Kinner!
De Höhner, de Küken!
Schüllt kamen, schüllt kieken!
Schüllt kieken un sehn,
de groten, de kleen'n
alleben, alleben
den Snee ut 'n Heben.


https://www.klaus-groth.de/
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Fontane an Klaus Groth:

An Klaus Groth

Wenn't Abend ward,
Un still de Welt un still dat Hart;
Wenn möd up't Knee di liggt de Hand,
Un ut din Husklock an de Wand
Du hörst den Parpendikelslag,
De nich to Woort keem över Dag;
Wenn't Schummern in de Ecken liggt,
Un buten all de Nachtswulk flüggt;
Wenn denn noch eenmal kiekt de Sünn
Mit golden Schiin to't Finster rin,
Un, ehr de Slap kümmt un de Nacht,
Noch eenmal allens lävt un lacht -
Dat is so wat vör't Minschenhart,
Wenn't Abend ward.

https://www.textlog.de/gedichte-klaus-groth.html
 
Herbst

Was ist das für ein Frauenbild...

von Friedrich Hebbel

Was ist das für ein Frauenbild
In dürftigem Gewand?
Sie stützt ein Antlitz, krank und mild,
In eine weiße Hand.

Sie sieht nach mir, wird rot und bleich,
Lacht gellend auf und weint,
Und ist dem Regentropfen gleich,
Durch den die Sonne scheint.

Ach, jetzt versteh’ ich ihren Schmerz
Und er betrübt mich sehr:
Einst liebt’ ich dich, du armes Herz,
Nun kannt’ ich dich nicht mehr.

Doch wer erkennt ein Blumenbeet,
Das ihn im Lenz entzückt,
Wenn zwischen Herbst und Winter spät
Der Sturm die Stengel knickt!
 
Herbst

Herbst

Um die Großstadt sinkt die Welt in Schlaf.
Felder gilben, Wälder ächzen überall.
Wie Blätter fallen draußen alle Tage,
Vom Zeitwind weggeweht.

Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen,
Ob draußen tost Vergänglichkeit,
Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen:
Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.

Gerrit Engelke (1890-1918)

https://www.richard-dehmel.de/rdehmel/zeitgenossen/engelke.html
 
Herbst

www.art-ww1.com/peinture/010kirc.jpg

Ernst-Ludwig Kirchner, 1915 - also zur gleichen Zeit wie Engelke

www.art-ww1.com/d/texte/010text.html

Das Bild hängt in Ohio ...
 
Herbst

Brief von der Redaktion

von Hermann Hesse

"Wir danken sehr für Ihr ergreifendes Gedicht,
Das uns so tiefen Eindruck hinterlassen hat,
Und wie bedauern herzlich, daß es nicht
So recht geeignet scheint für unser Blatt."

So schreibt mir irgendeine Redaktion
Fast jeden Tag. Es drückt sich Blatt um Blatt.
Es riecht nach Herbst, und der verlorne Sohn
Sieht deutlich, daß er nirgends Heimat hat.

Für mich allein denn schreib ich ohne Ziel,
Der Lampe auf dem Nachttisch les ich's vor.
Vielleicht leiht auch die Lampe mir kein Ohr.
Doch gibt sie hell, und schweigt. Das ist schon viel.
 
Herbst

Vom Küssen

von Anna Ritter

War ich gar so jung und dumm,
Wollte gerne wissen:
»Warum ist mein Mund so roth?«
Sprach der Mai:
»Zum Küssen.«

Als der Nebel schlich durch's Land,
Hab ich fragen müssen:
»Warum ist mein Mund so blaß?«
Sprach der Herbst:
»Vom Küssen.«
 
Herbst

Ende des Herbstes

Ich sehe seit einer Zeit,
Wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
Und tötet und tut Leid.

Von Mal zu Mal sind all
Die Gärten nicht dieselben;
Von der gilbenden zu der gelben
Langsamem Verfall:
Wie war der Weg mir weit.
www.carlet.de/ecards/grafik/herbstallee.jpg
Jetzt bin ich schon bei den leeren
Und schaue durch die Alleen.
Fast bis zu den fernsten Meeren
Kann ich den ernsten schweren
Verwehrenden Himmel sehn.
Rainer Maria Rilke, (1875 - 1926), eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria, österreichischer Erzähler und Lyriker
 
Herbst

November

Solchen Monat muss man loben;
Keiner kann wie dieser toben,
Keiner so verdriesslich sein,
Und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
Keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist 'ne wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
Wie sie tanzen in dem Wind
Und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
Und sie durcheinanderwirbelt
Und sie hetzt ohn' Unterlass;
Ja, das ist Novemberspass!

(Heinrich Seidel, 1842-1906)

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Herbst

Hallo Uma, :)

das ist eines von denen, die ich in der Schule auswendig gelernt habe!

Herzliche Grüße von Leòn
 
Herbst

Im deutschen November

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Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! -
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
und ruht bei jedem Schritt.

Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh -
Er klagt ihr nach.

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz.
Fliege fort! fliege fort!
Oh Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eis'ger Schauder deine Wange,
Die purpur-Wange deckt? -

Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? - -

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz.
Fliege fort! fliege fort! -
Ich bin nicht schön
- so spricht die Sternenblume -
Doch Menschen lieb' ich
Und Menschen tröst' ich -
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
nach mir sich bücken
ach! und mich brechen -
in ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf,
Erinnerung an Schöneres als ich: -
- ich seh's, ich seh's - und sterbe so. -

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!

Friedrich Nietzsche (1844-1900)
 
Herbst

Herbst

Im Herbstwind rauscht der Wald, die Zweige beben
Vor seinem Hauch, der frisch von Norden zieht.
Die Vöglein all die Stimmen sanft erheben
Zum letztenmal, zum trüben Abschiedslied.

Vom Baume fällt das bunte Laub und flüstert
Vom Sterben und von unbarmherz'ger Zeit.
Auf Busch und Moos der Abendschatten düstert
Und überm Hang macht sich der Nebel breit.

Zu Tal in raschem Laufe eilt die Quelle.
Ja eile nur, bald hemmt der kalte Frost
Dich Felsenkind; zu Eis erstarrt die Welle
Und stille wird's, wo sonst du froh getost.

Geh heim, du müder Pilger dort am Raine,
Eh's Winter wird. Zieht dich die Sehnsucht nicht
An warme Herzen? - Oder weisst du keine
Die auf dich warten in des Herbstes Licht?

(Emerenz Meier, 1874-1928)

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Donnerstag, 2. November 2006 - Allerseelen...

Allerseelen

Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
die letzten roten Astern trag herbei,
und lass uns wieder von der Liebe reden
wie einst im Mai.

Gib mir die Hand, dass ich sie heimlich
drücke,
und wenn man's sieht, mir ist es einerlei;
gib mir nur einen deiner süßen Blicke
wie einst im Mai.

Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe,
ein Tag im Jahre ist den Toten frei;
komm an mein Herz, dass ich dich wieder habe
wie einst im Mai.​


Hermann von Gilm zu Rosenegg
 
Herbst

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit -
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geistern umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe - wie flog es vorbei!

(Theodor Storm, 1817-1888)

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Herbst

....stell auf den Tisch, die duftenden Reseden....:) das kommt mir auch noch sehr bekannt vor!


Liebesblüte der Natur

von Friedrich Rückert

Liebesblüte der Natur,
Schönste Blume dieser Flur!
Wo ich suche deine Spur,
Find’ ich meine Thränen nur.

Meine Thränen find’ ich nur
Und die Trauer der Natur,
Daß die Blume dieser Flur
Weggegangen ohne Spur.

Weggegangen ohne Spur!
Nach dir bleibt mein Seufzer nur,
Und ein Schauer der Natur,
Machend Herbst auf Sommerflur.

Mach, o Herbst, auf Sommerflur,
Sichtbar jede Todesspur!
Denn ein Schmuck des Todes nur
Ist die Blüte der Natur.

Liebesblüte der Natur!
Auf der Flur
Deine Spur sind Thränen nur.

 
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