Herbst-Gedichte

Herbst

Abendröte des Lebens

von Annegret Kronenberg


Wir befinden uns

in der Abendröte des Lebens.

Für Kenner und Genießer

eine bezaubernde Zeit,

oft sogar der Höhepunkt der

Daseinsfreude.

Nur ist ein Abendrot,

bei aller Schönheit,

nie von langer Dauer.


 
Herbst

:wave: :wave:

Sehen wir mal, was Wilhelm Busch über Leòn vorauszusagen in der Lage war:
:))) :))) :)))
Mümmelgreise

Wilhelm Busch
Auch werden sie oft zum Mümmelmann,
denn Mümmelmänner, grau und kalt,
sind oft 70 Jahre alt.
Waschen selten sich mit Seife,
rauchen aus 'ner kalten Pfeife,
tragen meistens schäbige Hüte,
schnupfen aus der Tabakstüte.
Oft auch ist die Frau gestorben,
der Geschlechtstrieb ist verdorben,
und zum Wässern lediglich
dient der Schnibbeldiederich.
Zieht er dazu ihn heraus,
geht der Strahl nicht geradeaus,
und auch nicht im hohen Bogen
wirft er seine Wasserwogen.
Nein, ganz langsam, halb im Schlafe,
wie zum Ton der Äolsharfe,
und in größter Seelenruh'
wässert er sich auf die Schuh'.


https://www.gedichtepool.de/thema/alter.htm#alter
 
Herbst

Hermann Melville

Stille Quellen


von Hermann Melville

altermann2.3wp.jpg

Flieht auch der Jugend Glanz dahin,
Schau nicht die Welt mit irdschem Sinn,
Folg nicht der wetterwendschen Zeit!
Vor Überraschung bleib gefeit:
Steh, wo die Nachwelt stehen wird,
Steh, wo das Altertum einst stand;
Trink aus dem Urborn unbeirrt,
In stille Quellen tauch die hand.
Sei weise, weise, unverwandt.

Aus dem Englischen von Hans Hennecke

altermann.5wz.jpg
 
Herbst


November comes
And November goes,
With the last red berries
And the first white snows. data.ndr.de/hitlisten/images/IID16409.jpg

With night coming early,
And dawn coming late,
And ice in the bucket
And frost by the gate.

The fires burn
And the kettles sing,
And earth sinks to rest
Until next spring.
- Clyde Watson

https://www.egreenway.com/months/monnov.htm
 
Herbst

Herbstentschluss

Nikolaus Lenau
(1802 - 1850)



Trübe Wolken, Herbstesluft,
Einsam wandl' ich meine Straßen,
Welkes Laub, kein Vogel ruft
Ach, wie stille! wie verlassen!

Todeskühl der Winter naht;
Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
Fluren, eurer vollen Saat
Goldne Wellen sind verronnen!

Es ist worden kühl und spät,
Nebel auf der Wiese weidet,
Durch die öden Haine weht
Heimweh; - alles flieht und scheidet.

Herz, vernimmst du diesen Klang
Von den felsentstürzten Bächen?
Zeit gewesen wär' es lang,
Dass wir ernsthaft uns besprächen!

Herz, du hast dir selber oft
Weh getan und hast es andern,
Weil du hast geliebt, gehofft;
Nun ist's aus, wir müssen wandern!

Auf die Reise will ich fest
Ein dich schließen und verwahren,
Draußen mag ein linder West
Oder Sturm vorüberfahren;

Dass wir unsern letzten Gang
Schweigsam wandeln und alleine,
Dass auf unserm Grabeshang
Niemand als der Regen weine!


 
Herbst

Gang im Spätherbst

Herbstregen hat im grauen Wald gewühlt,
Im Morgenwind aufschauert kalt das Tal,
Hart fallen Früchte vom Kastanienbaum
Und bersten auf und lachen feucht und braun.

In meinem Leben hat der Herbst gewühlt,
Zerfetzte Blätter zerrt der Wind davon
Und rüttelt Ast um Ast - wo ist die Frucht?

Ich blühte Liebe, und die Frucht war Leid.
Ich blühte Glaube, und die Frucht war Haß.
An meinen dürren Ästen reißt der Wind,
Ich lach ihn aus, noch halt ich Stürmen stand.

Was ist mir Frucht? Was ist mir Ziel! - Ich blühte,
Und Blühen war mein Ziel. Nun welk ich,
Und Welken ist mein Ziel, nichts andres,
Kurz sind die Ziele, die das Herz sich steckt.

Gott lebt in mir, Gott stirbt in mir, Gott leidet
In meiner Brust, das ist mir Ziel genug.
Weg oder Irrweg, Blüte oder Frucht,
Ist alles eins, sind alles Namen nur.

Im Morgenwind aufschauert kalt das Tal,
Hart fallen Früchte vom Kastanienbaum
Und lachen hart und hell. Ich lache mit.

(Hermann Hesse)

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Herbst

Lied eines Vogels

Arno Holz

Vor meinem Fenster
singt ein Vogel.

Still hör ich zu; mein Herz vergeht.

Er singt,
was ich als Kind besaß
und dann - vergessen.
 
Herbst

Nur so angemerkt: gestern fuhr ich in der Dämmerung und glaubte kaum, was ich hörte: ein Vögelchen sang in den höchsten Tönen. Es war wohl ein Zaunkönig
https://www.vogelstimmen-wehr.de/avi.htm

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off topic:

Theodor Fontane

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Das Trauerspiel von Afghanistan https://www.afghanistan-kabir.com/afghan-anglo_war.htm


Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan."

Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."
Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.
Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie's hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!"

Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.


https://www.edimuster.ch/gedicht/gedichte2.htm
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Erich Kästner

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Frau Pichlers Ankunft im Himmel
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https://www.heimatsammlung.de/topo_unter/10/strassenkampf/strassenkampf.htm
Lieber Gott. mein Herz ist schwer.
Jetzt kommt Max, mein Mann, aus dem Büro. und ich lebe doch nicht mehr!
Ich bin tot. Und das kam so:

Eben trat ich zum Balkon hinaus
und befühlte die gewaschnen Socken.
Denn ich wusste, Max kommt gleich nach Haus,
und ich dachte. sicher sind sie trocken.

Auf der Straße war Geschrei.
Menschen brüllten. Andre warfen Steine.
Irgendwo pfiff Polizei.
Und ich nahen die Socken von der Leine.

Denn ich dachte, dass ich eilen müsse.
und ich freute mich aufs Abendbrot.
Plötzlich fielen auf der Straße Schüsse.
Einer trat mich. Und da war ich tot.

Ach, ich hätte Max so gern
vorher noch ein Mal gesprochen!
Werd ich nun ein kleiner Stern?
Und die Nudeln werden überkochen!

Wenn er heimkommt und mich liegen sieht,
wird er stillstehn und es erst nicht glauben.
Herr, von dem, was in der Welt geschieht, dürftest du sehr Vieles nicht erlauben.

Lieber Gott, mein Herz ist schwer.
Max wird weinen und mich nie vergessen.
Warum leb ich denn nicht mehr?
Wenn ich nicht gestorben war,
würden wir jetzt abendessen…


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Gefunden auf den Satzfahnen der letzten, nicht mehr erschienen Ausgabe der Weltbühne vom 14. März 1933; vielleicht ist das Gedicht nicht von Kästner (Spiegel 11/1996, S. 241).

https://www.edimuster.ch/gedicht/gedichte2.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
Herbst

Herbst


von Massih Hayat

Am Fenster zum Herbst wogen die Düfte
fließen die Zweige des Denkens in eine unbestimmte Zeit
vom Wind getragene Erinnerung einen anderen Herbst erzählend
durchsichtige Momente in den Lichtern der Bäume
die Küsse der Liebenden sind flüssige Sonnen einen unbeschriebenen Himmel bedeckend
Kreise aus Taumel Kreise aus Glut die Stunden beschwörend

Herbst dessen graue Ödnis herausfordert die Bewegungen des Weins zu verfolgen
einen Augenblick spricht das Herz wie ein durchsichtiger Engel
sie stand an der Haltestelle der Gurt meiner Tasche war ein weites Land
und mein Gruß hüllte sie in ein Kleid aus Wäldern und Staub

Staub dieser Erde in dessen Wassern ich mein Bildnis betrachte
aus der Ferne erklingt die Stimme meines Volkes Stimme voll Leid
was war die Zeit ?
die Wirklichkeit dokumentiert ihre Agonien Afghanistan zerstörtes Land
mit deinen Vierteln Gärten Vögeln Sonnen unvergessene Wiege meiner Kindheit

www.hanebuechlein.de/literatur/lyrik/herbst.htm

Massih Hayat, geboren in Afghanistan, studiert Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn.
 
Herbst

Ich habe das Gefühl, daß die Herbstgedichte langsam rarer werden wie die Blätter an den Bäumen
images


Ob wir uns mal einem anderen Thema zuwenden oder noch den Winter abwarten?

Gruss,
Uta
 
Herbst

Hi Uta - auch Uma und andere:
:freu:
welches Thema könnte das sein?

Herzliche Grüße von

Leòn
 
Herbst

Psychologie

Der Hummer liebte die Languste,
Was aber unerwidert blieb,
Die Liebe sank ins Unbewusste
Und wurde dort zum Todestrieb.

Ein Psychologe untersuchte
Den Fall und fand ihn gar nicht klar,
Der Hummer lief davon und fluchte,
Er fand zu hoch das Honorar.

Der Psychologe nun verübelte
Ihm dies Verhalten, wenn auch stumm,
Doch sein gescheites Köpfchen grübelte
Noch länger an dem Fall herum.

Auch ohne Arzt genas der Hummer
Und fand ein andres Liebesglück,
Der Arzt führt aber seinen Kummer
Auf einen Geldkomplex zurück.

(Hermann Hesse)

www.kindernetz.de/oli/tierlexikon/pics/languste/languste5.jpg
 
Herbst

aus dem Hohen Lied Salomos

Steh auf, meine Freundin, /
meine Schöne, so komm doch!
Meine Taube im Felsennest, /
versteckt an der Steilwand
dein Gesicht laß mich sehen, /
deine Stimme hören!
Denn süß ist deine Stimme, /
lieblich dein Gesicht.


 
Herbst

So schön bist du!

von Hermann Hesse

Ein Lieblingstraum, aus goldnen Nächten
Vortretend, schlank, in ernster Ruh,
Den Zauberschleier in der Rechten -
So schön bist du!

Mein Blick erstaunt und muß sich senken,
Mein Herz schließt alle Tore zu,
Dem Wunder heimlich nachzudenken-
So schön bist du!


 
Herbst

Traurigkeit

Die mir noch gestern glühten,
Sind heut dem Tod geweiht,
Blüten fallen um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

Ich seh sie fallen, fallen
Wie Schnee auf meinen Pfad,
Die Schritte nicht mehr hallen,
Das lange Schweigen naht.

Der Himmel hat nicht Sterne,
Das Herz nicht Liebe mehr,
Es schweigt die graue Ferne,
Die Welt ward alt und leer.

Wer kann sein Herz behüten
In dieser bösen Zeit?
Es fallen Blüten um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

(Hermann Hesse)




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Herbst

Ohhhhhh...!


Liebeslied (3)

von Hermann Hesse

O du, ich kann nicht sagen,
Was du aus mir gemacht.
Ich fliehe vor den Tagen
Und liebe nur die Nacht.

Die Nacht ist mir so golden
Wie sonst kein Tag mir war,
Da träum ich von einer holden
Fraue mit blondem Haar.

Da träum ich von seligen Dingen,
Die mir ein Blick verhieß,
Da hör' ich Lieder klingen
Fernher vom Paradies.

Da sehe ich Wolken jagen
Und schaue lang in die Nacht
O du, ich kann nicht sagen,
Was du aus mir gemacht.
 
Herbst

Was war mein Leben?

Was war mein Leben, wenn es heut soll enden?
Verträumt? Verloren? Nein, es war ein Ring
Von stillen Freuden, die mit vollen Händen
Ich nahm und weitergab und neu empfing.

Es war ein Liebesbund mit dieser Erde,
Die mich mit ihrer Schönheit tief beglückt
Und immer doch mit mächtiger Gebärde
Mein Ziel hinaus ins Ewige gerückt.

Es war mit Wasser, Bergeswind und Fluren
Ein brüderlicher Bund, der niemals brach,
Mit allen Wolken, die im Blauen fuhren
Und deren Lied von unsrer Heimat sprach.

Mit ihren großen ewigen Gewalten
Hab ich in Treue Brüderschaft gehalten;
Und meine Sünde war in all den Jahren,
Daß sie mir lieber als die Menschen waren.

(Hermann Hesse)

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