Sprach-/Sprech-Stile

Themenstarter
Beitritt
10.01.04
Beiträge
72.821
Wenn ich heute Reden von Hitler oder Goebbels höre, dann ist mir schleierhaft, wie diese beiden die Massen zur totalen Begeisterung bringen konnten. Aber sie mußten etwas an sich haben, das eben dazu führte.
Der Begriff "emotionale Konditionierung" (AGPF: Infos über Sekten, Kulte und den Psychomarkt. Dokument: lifton22.htm) trifft es recht gut, finde ich.

Ich frage mich also, was genau so eine totalitäre Sprache auszeichnet:
was Richard Weaver "endgültige Begriffe" genannt hat: Entweder "göttliche Begriffe", die für das absolut Gute stehen, oder "teuflische Begriffe" die stellvertretend für das absolut Böse stehen. In der Gedankenumbildung fallen Begriffe wie "Fortschritt", "progressiv", "Befreiung", "proletarische Standpunkte" und "Dialektik der Geschichte" in die erste Kategorie,Begriffe wie "Kapitalist", "Imperialist", "ausbeutende Klasse" und "bürgerliche (r)" Mentalität, Liberalismus, Moral, Aberglaube und Habgier gehören natürlich zur zweiten Kategorie. Die totalitäre Sprache konzentriet sich stets auf einen allumfassenden, frühzeitig abstrakten, äußerst kategorischen, unbarmherzig verurteilenden Jargon
AGPF: Infos über Sekten, Kulte und den Psychomarkt. Dokument: lifton22.htm

Diese Sprache vermeidet Nuancierungen, sie ist eine schwarz-weiß-Sprache, die Diskussionen im Grund von vornherein ausschaltet. Der Träger dieser Sprache vermittelt, daß er weiß, was Gut und Böse ist und daß Andersdenkende falsch denken. Diskussionsansätze werden im Keim erstickt, und letztelich folgten im 3. Reich dieser Sprache auch Taten: wer anders dachte, bekam Probleme.

Was ich mich jetzt frage ist, ob man bei der Kritik an einem totalitären Staat nun diese Sprache auch einsetzen soll? Ob nicht diese Kritik dadurch eher schemenhaft wird und eben auch keine Zwischentöne ermöglicht, die es meines Erachtens bei jedem Thema gibt?

Gruss,
Uta
 
Hallo Uta.

Hitler und Goebbels, aber auch Stalin und Mao waren Meister der Manipulation
mit Mitteln der Emotionalisierung und Rhetorik, die immer einseitig war.

Das Kritisieren eines Unrechtstaates Heute kann mit diesen volksverhetzenden
Agitationen nicht gleichgesetzt werden.

Wer Heute Unrecht als solches kenntlich machen will, muss sich zum Teil einer
deutlichen, unmissverständlichen Sprache bedienen dürfen, damit der Standpunkt
klar wird.

Dieses ist ein reines Stilmittel, dem Einen gefällt es, der Anderen nicht.




Grüße, Bodo
 
Hallo, Ihr Beiden,

Wer Heute Unrecht als solches kenntlich machen will, muss sich zum Teil einer
deutlichen, unmissverständlichen Sprache bedienen dürfen, damit der Standpunkt
klar wird.

Und genau da liegt das Problem, der heutigen Kommunikation. Denn die Missverständnisse lauern in jedem Nebensatz! ;) - Gerade durch die von Uta im Zitat benannten "Schlagworte", die einfach sehr vielsagend und mehrdeutig sind.

Die Sprache muss also sehr differenziert und "eindeutig" sein. Ein beschreibender Stil ist daher hilfreicher als ein plakativer.

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Die Sprache muss also sehr differenziert und "eindeutig" sein. Ein beschreibender Stil ist daher hilfreicher als ein plakativer.


Einverstanden. Reine "Plakatkleberei" ohne faktische Einleitung ist Demagogie.

Aus meiner Sicht ist es übrigens kein Fehler, aus der eigenen Meinung keinen
Hehl zu machen und sich dafür auch geeigneter Sprachmittel zu bedienen.

Wie gesagt, es ist Geschmackssache.

Was ich als unsäglich empfinde, ist die politische Korrektheit.

Tabus werden errichtet und Denkverbote erteilt.

Gegen politische Korrektheit hilft nur das klare Wort, durchaus erlaubt mit ein
wenig Polemik gewürzt, damit der Leser nicht einschläft.

Meister darin: Heinrich Heine und aktuell der jüdische Journalist und Schriftsteller Henryk M. Broder.

Bin ein großer Fan und hatte mal das Vergnügen, mit ihm Emails auszutauschen.

Ein Genuss!





LG, Bodo
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Bodo,

ich denke, es ist - um wirklich verstanden zu werden, ohne der Einordnung in eine bestimmte Schublade anheim zu fallen, einfach wichtig, sich klar und deutlich auszudrücken. Dabei ist die Verwendung von Schlagworten wie "Demagogie", "politische Korrektheit", "Tabus" und "Denkverbote, nicht so zielführend, wie eine bis in das Detail gehende Beschreibung und Darstellung dessen, was ich sagen will. Wenn ich plakativ sein will, ist das natürlich in Ordnung, aber wie ich oben schon sagte: die Möglichkeit des Missverstehens oder Nichtverstandenwerdens wächst an.


Herzliche Grüße von
Leòn
 
Mir kommen plakative Sprüche immer vor, als ob damit jemand endgültig das Wort genommen werden soll.
Denn was soll man gegen eine Ansammlung solcher Sprüche denn noch groß argumentieren? Da finde ich keinen Anfang und kein Ende. Deshalb mag ich plakative Sprüche nicht und finde sie auch nicht wirklich hilfreich.

Gruss,
Uta
 
Hallo Löwe.


ich denke, es ist - um wirklich verstanden zu werden, ohne der Einordnung in eine bestimmte Schublade anheim zu fallen, einfach wichtig, sich klar und deutlich auszudrücken.


Dies sollte Regelfall sein und nicht Ausnahme. Genau.


Dabei ist die Verwendung von Schlagworten wie "Demagogie", "politische Korrektheit", "Tabus" und "Denkverbote, nicht so zielführend, wie eine bis in das Detail gehende Beschreibung und Darstellung dessen, was ich sagen will.


Warum beziehst Du meine ersichtlich allgemeine Erläuterung auf Dich?


Wenn ich plakativ sein will, ist das natürlich in Ordnung, aber wie ich oben schon sagte: die Möglichkeit des Missverstehens oder Nichtverstandenwerdens wächst an.


Nichts anderes habe ich Dir bestätigt (siehe dort). ;)

Ich denke, dass wir uns im Großen und Ganzen einig sind.

Es wäre jedoch todlangweilig, wenn wir alle den selben Stil bevorzugten.

Mikes Stil gefällt mir zum Beispiel außerordentlich. Er ist bissig und teilweise mürrisch,
aber bleibt immer nahe am Thema.

Das ist gegen den Mainstream und schon alleine deshalb lesens- wie lobenswert.

Es lebe das freie Wort!:D




LG, Bodo :bier:
 
Oben