Was ist eigentlich entartete Kultur?

Hallo Horaz

Da kann ich Dir nicht zustimmen. Erstens hat das Wort entartet zb in der CH keinen braunen Hintergrund (war über den bezug hier im Forum überrascht) und zweitens lass ich mir von Nazis nicht die deutsche Sprache bzw deren Begriffe nehmen. Entartet heisst ent-artet, also von der Art abweichend, stark unmenschlich würde ich es übersetzen.
 
Hallo Beat,

der Anlaß für diesen Thread waren die Äußerungen eines deutschen Kardinals und nicht die eines Schweizers. Und ich versichere dir, in Deutschland wird dieses Wort noch lange Tabu sein.

Viele Grüsse, Horaz
 
Hallo Horaz

wer sagt das es tabu ist? Die Definition ist jedenfalls nicht anrüchig. Glaubst Du das der kardinal es mit dem braunen entartet (bewuss9 in Zusammenhang brachte??
 
Hallo Beat,

wer in Deutschland in eine Diskussion oder in eine Rede das Wort "entartet" einbaut, tut dies bewußt. Er will durch einen Tabubruch höchste Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wobei es den meisten nicht gut bekommt.
Die deutsche Journalistin und Autorin Eva Hermann, die in einem Gespräch die Familienpolitik der Nazis ansatzweise lobte, erhielt darauf die Kündigung von ihrem Sender. Also alles, was mit den Nazis zu tun hatte, kann - aus gutem Grund - öffentlich nicht gut geheißen werden und wer eine bestimmte von den Nazis verwendete Terminologie gebraucht, verschafft sich zwar Aufmerksamkeit, wird aber in aller Regel heftig abgestraft.

Viele Grüsse, Horaz
 
Meisner lasse keineswegs alte Ideologien zu neuer Ehre kommen. Das Wort "entartet" habe er als rhetorisches Mittel verwendet, um die Ideologen des 20. Jahrhunderts mit ihren eigenen Begriffen zu schlagen. Der Erzbischof habe in seiner Predigt bewusst Bezug auf die grausamen Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts genommen, betonte der Sprecher. Damit habe er verdeutlichen wollen, was in einer Gesellschaft passiere, die Gott vergesse. "Der Erzbischof will gerade nicht den Ideologen des 20. Jahrhunderts die Deutungshoheit über das, was Kultur ist, überlassen.", sagte Schmidt.....

Ja, der Kardinal hat es bewußt mit dem 3. Reich in Verbindung gebracht. Allerdings will er es ganz anders verstanden haben. -
Wenn aber seine Worte zu solchem Aufruhr und zu solchen Mißverständnissen führen, dann hat er sie schlicht und einfach unbedacht gewählt.

Gruss,
Uta
 
Hallo Horaz

wer in Deutschland in eine Diskussion oder in eine Rede das Wort "entartet" einbaut, tut dies bewußt. Er will durch einen Tabubruch höchste Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wobei es den meisten nicht gut bekommt.
Wenn es so ist, bzw wenn er es deswegen gemacht hat, dann kann ich dem auch nicht zustimmen.

Die deutsche Journalistin und Autorin Eva Hermann, die in einem Gespräch die Familienpolitik der Nazis ansatzweise lobte, erhielt darauf die Kündigung von ihrem Sender. Also alles, was mit den Nazis zu tun hatte, kann - aus gutem Grund - öffentlich nicht gut geheißen werden
Der Fall ist mir hingegen recht gut bekannt.Auch wenn ich einerseits die Reaktion darauf verstehe (geschlichtliche Prägung und netsprechende allergie bei deutschen Staatsbürgern), ist es für mich ganz klar eine nicht gerechtfertigte Überreaktion. Das die Hermann ansonsten sich mehrfach klar gegen die Nazideologie ausgesprochen hat, wird nicht berücksichtigt ja gar nicht einmal mehr zur Kenntnis genommen. Inteerssant ist dabeim, das man die Aussagen vor und nach diesem Satz meist gar nicht kennt. Finde das ist mediale Lunchjustiz.
Bsp: Darf man keinen Muttertag mehr feiern, nur weil die Nazis dies sosehr gepuscht haben? Anders gesagt, jeder der sagt er finde den Muttertag gut, muss entlassen werden? Oder soll er erst entlassen werden wenn er sagt, das Feiern des Muttertags war bei den (ansonst zu verurteilenden) Nazis gut?
Und wie ist es in Zukunft? Ist eine Idee aus dem llinken bzw rechten Lager (oder einer anderen weltanschaung, religiösen gruppe etc) grundsätzlich schlecht, weil sie vom falschen Lager kommt?
 
Ja Uta es scheint unbedacht gewesen zu sein. Aber die Reaktion scheint mir danach auch mutlos gewesen zu sein. Er könnte es nämlich auch so gemeint haben, wie ich es verstanden habe. Aber das er den Mut nicht hat zu dem zu stehen, finde ich auch schlecht, wenn auch verständlich
 
Hallo Beat,

es ist dir als Schweizer nicht so bewußt, aber in Deutschland ist es so, wie ich es schilderte. Die Frau Hermann hat ein Tabu gebrochen. Die Familienpolitik der Nazis kann nicht gelobt werden, weil das gelobte Gebähren dazu diente, dem Führer Soldaten zu bescheren. Wer sich dessen nicht bewußt ist und öffentliche Äußerungen abgibt, dem ist nicht zu helfen. Ob das überzogen ist, ist für einen Nichtdeutschen kaum zu beurteilen. Angesichts von starken Rechtstextremismustendenzen im Osten Deutschlands gibt es aber gute Gründe für diese Reaktionen. Dass es eine starke, stark rechte Partei in der Schweiz gibt, sollte in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden.

Viele Grüsse, Horaz
 
Hallo Horaz

Man sollte genau lesen was sie gesagt hat:
«vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler».
Also ist klar, Hitler und damit auch das Gebähren für ihn erachtet sei als schlecht. Nebenbei hat sie sich mehrfach entscheiden gegen die NS Philosophie geäussert.

Einiges sei aber auch gut gewesen, «zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter». oder «Werte wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschliessend durch die 68er abgeschafft wurden».
es geht ihr also klar um die Wertschätzung der Mutter und der Familie speziell im Vergleich zu den diesbezüglichen Werten der 68er betreffend Familie und Frau, unter denen wir heute noch leiden.

Ob das überzogen ist, ist für einen Nichtdeutschen kaum zu beurteilen. Angesichts von starken Rechtstextremismustendenzen im Osten Deutschlands gibt es aber gute Gründe für diese Reaktionen.
Da hast Du einerseits recht, andererseits kann vieleicht gerade jemand der die Problematik zwar kennt, aber trotzdem etwas aussen steht, die Worte ohne Brille betrachten, nämlich nur das Hören was gesagt und sicherlich (da sie ja entschiedener NS Gegner ist) auch gemeint war.
Anders gesagt habe ich das gefühl, das wenn auch aus verständlichen gründen man Worte in Ihre Texte interpretierte wei zb eben das gutheissen von Gebähern von zukünftigen Soldaten, was sie weder gesgat noch auch nur im geringsten gmeint hat.
Die Familie hat durch die 68er gelitten und die Wertschätzung der Frau, wenn sie Haus- oder Familienfrau ist, hat dadurch auch ungerechtfertigt abgenommen. Das ist durch die 68er schlechter geworden als zur Zeit der Nazi. Das die Nazi Philosophie nicht vergleichbar immens mehr kaputt gemacht hat und insgesammt wesentlich schlimmer als irgendwas danach war, hat sie nie bestritten, da sie wie gesagt völlig gegen die Naziphilosophie war.

Dass es eine starke, stark rechte Partei in der Schweiz gibt, sollte in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden.
Weiss nicht, ob da ein Zusammenhang sinnvoll hergestellt werden kann.
Bin auch nicht sicher welche Partei Du meinst, wahrscheinlich die SVP.
Das ist eine starke rechte bürgerliche Mitregierungspartei, welche aber nicht mit der rechten (braunen) Haiders FPÖ von Austria (oder das Pendent in Frankreich) oder braunen rechten Parteien in D verglichen werden kann.
Meines Erachtens bringt es die SVP in einigen (wenn auch nicht in allen) Bereichen auf den Punkt und steht auch dafür ein, aber mir passt rel. oft die rel. populistische Art nicht.
 
Es ist zwar nicht mein Thread, aber mit aller entsprechenden Vorsicht sage ich jetzt, dass derselbe zu "entarten" droht. Ich bin sehr dafür die Moslemdiskussion fortzusetzen, aber nicht an dieser Stelle. Wir hatten bis vor kurzem einen passenden Thread in Betrieb; ich kann aber hier nichts verschieben.
Leòn!
Ich glaube der Thread gehört zu dir, bitte umschichten.

Viele Grüße, Horaz
 
Zitat Mister X: flower ich fände es schade wenn Du nicht mehr schreibst. Ich bin wohl in den meisten Fällen überhaupt nicht Deiner Meinung - freue mich aber, dass DU eine Meinung hast und diese auch relativ konsequent vertrittst!

PS: Ich finde es auch sehr schade, dass Lukas vor kurzem gegangen ist

Hallo Mr. X, ich denke, so weit liegen unsere Meinungen gar nicht auseinander. Wir wollen alle dasselbe, nämlich ein friedliches Miteinander. Was sichtbar wird, ist doch nur ein Bruchteil dessen, was in uns allen ruht. Ich schreibe im Durchschnitt einen Beitrag am Tag. Was willst du daraus von mir wissen oder gar ableiten? Ich bin auch gar nicht der Typ, der unbedingt seine Meinung sagen will oder muss. In diesem Falle war es nur so, dass in diesem Forum sehr viel über Toleranz und Achtung allen Menschen gegenüber geschrieben wird, jedoch gleichzeitig immer wieder auf die gewaltige Vergangenheit der christlichen Religion Bezug genommen wird. Diese Vergangenheit kann man nunmal nicht auslöschen. Der Kardinal hatte längst erklärt, was er mit seiner Äußerung meinte. Das wollte nur niemand mehr wissen.

Die Presse hat also wiedermal gute Arbeit geleistet. Auf diese Weise funktioniert das Prinzip der Schaffung und Unterhaltung von Feindbildern. Ich schaue in erster Linie auf das, was Menschen wirklich leisten und lege deshalb Worte, die in der Presse erscheinen, nicht auf die Waagschale.

Na ja, nun hat sich die Diskussion an anderer Stelle doch noch zum Guten gewendet. Ich denke wer wirklich Frieden will, egal mit wem, der schreibt am Ende immer auch versöhnliche Worte.

Was Lukas anbelangt, so hatte ich nach reiflicher Überlegung darum gebeten, ihn meinetwegen nicht zu sperren.

Viele Grüße
Anne
 
Noch einmal zurück zu Kardinal Meisners Rede:

Was er habe sagen wollen, könne er auch ohne das "ideologisch besetzte Wort" formulieren: "Dort, wo die Kultur - im Sinne von Zivilisation - vom Kultus - im Sinne der Gottesverehrung - abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus, und die Kultur nimmt schweren Schaden. Sie verliert ihre Mitte."

Der Richtigstellung eignet etwas Schiefes. Die Rede von der "Entartung" war nie unschuldig. Die Vokabel stammt aus dem Umkreis des Biologismus, der mit christlichen Vorstellungen vom Menschen als dem Ebenbild Gottes doch wohl nicht zu vereinbaren ist.

Gewiss, die hysterieversessene Selbstgerechtigkeit mancher Wortpolizisten, der oberlehrerhafte Ton, in dem Meisner zurechtgewiesen wurde, als sei die moderne Kunst der einzige Weg zum Heil, sind ebenso ärgerlich wie die nun eingestandene Schludrigkeit des Kardinals beim Verfassen seiner Predigt.

Dass er der katholischen Lehre folgt, wird man ihm billigerweise nicht vorwerfen. Dass er es so überengagiert wie unterkomplex tut, verstört. Einer Indienstnahme der Kunst für Propaganda, Beschränkungen der künstlerischen Freiheit hat er nicht das Wort geredet....

Das stand in der SZ vom 19.9.07 www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/953/133703/

Interessanter Artikel

Gruss,
Uta
 
Ich habe die erste Formulierung im wesentlichen so verstanden, wie die Richtigstellung.

Zum Kommentar: Die Rede von der "Entartung" war nie unschuldig. Entartung heisst per Definition nicht artgerecht, dh nicht menschengerecht. Ich und zumindes einige andere verstehen es genau so.

Die Vokabel stammt aus dem Umkreis des Biologismus, der mit christlichen Vorstellungen vom Menschen als dem Ebenbild Gottes doch wohl nicht zu vereinbaren ist.
Eben doch!! Da der Mensch nach christlicher Vorstellung einen freien Willen bekommen hat, hat und kann er sich eben vom eben vom Ebenbild Gottes entfernen! (Das was zB der Mensch Hitler/Stalin/Pol Pot etc gemacht hat, ist doch eine aus Gottes Sicht nicht menschliche dh nicht artgerechte Haltung/Phylosophie/Handlung, dh eine entfernung von Gottes Menschenbild) Wie eine Gesellschaft sich eben von der Menschlichkeit, dh vom Ebenbild Gottes entfernt, hat der Kardinal eben geschildert!

Dass er es so überengagiert wie unterkomplex tut, verstört. Anders gesagt: Dort wo die Kultur / die Gesellschaft sich von Gott abkapselt, bleiben die Inhaltsleeren Riten, welches der kultur/ Gesellschaft schweren Schaden zufügt.
Das jemand diese Aussage nicht teilt, ist verständlich. Dies ist aber nicht überengagiert sondern gehört auch zum Glauben eines normalen Christen. Wenn Gott der Schöpfer und allmächtig ist, dann ist er auch allwissend und eine Abwendung von ihm muss sich negativ auswirken. (die negativenm Auswirkungen sind ja unübersehbar) Es ist auch nicht unterkoplex, sondern verdichtet auf den Punkt gebracht.
 
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