Info Einstufung von Pflegebedürftigen (D)

James

Moderator, Leiter WIKI
Teammitglied
Themenstarter
Beitritt
20.05.08
Beiträge
7.017
Wenn bei Ihnen oder einem Angehörigen eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, können Sie bei der zuständigen Pflegekasse eine Prüfung formlos beantragen. Sie erhalten, wenn die Aktenlage nicht eindeutig ist vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einen Begutachtungstermin. Der Gutachter legt dann fest, welche Pflegebedürftigkeit vorliegt und in welche der drei Pflegestufen der Patient einzustufen ist.
Die Einstufung erfolgt über Minutenwerte, individuelle Besonderheiten und pflegerelevante Diagnosen.
Die meisten Patienten und pflegende Angehörige kennen weder die anrechenbaren Minutenwerte noch den Hilfebedarf und haben den geleisteten Pflegeaufwand nicht dokumentiert. Es ist dann nicht verwunderlich, dass etliche Pflegefälle nicht als solche anerkannt werden. Mir scheint, dass seit Einführung der Pflegestufen auch die Kriterien immer höher ausgelegt werden. Viele Patienten, die zwar noch nicht an das Bett gefesselt sind aber dringend der Hilfe bedürfen, werden sich selbst, den Nachbarn oder Verwandten überlassen. Erst wenn die Einweisung in ein Heim droht scheint in neueren Fällen der MDK eine Pflegestufe anzuerkennen.
Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass das Gutachten von Ihnen bei einer Ablehnung bei der Pflegekasse angefordert wird. Nur dann können Sie überprüfen, wo eventuelle Fehler des MDK-Gutachters im Gutachten vorliegen. Darauf haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auch wenn die Kassen sich zögerlich zeigen und Sie vertrösten wollen! Die Widerspruchsverfahren werden oftmals absichtlich von den Pflegekassen verzögert, da der gerichtsrelevante, gesetzlich geregelte Weg im Widerspruchsverfahren von den Kassen nicht eingehalten wird. Die vorgeschriebene Prüfung durch den Widerspruchsausschuß wird umgangen und dem ahnungslosen Patienten nur noch mal lapidar mitgeteilt, dass sein Widerspruch erfolglos war. Bestehen Sie (schriftlich) auf die Prüfung ihres Widerspruches durch den Widerspruchsausschuß!
Wird Ihr Antrag auf eine Pflegestufe zu Unrecht abgelehnt, legen Sie Widerspruch ein. Sie brauchen keine Begründung zu schreiben! Schreiben Sie eine Begründung, wird in der Praxis nur dieser Punkt überprüft. Begründen Sie nicht, wird das gesamte Gutachten durch einen (anderen?) Gutachter überprüft. Da Sie dann wissen wo sich der Fehler befindet, können Sie den Gutachter genau auf diesen Umstand und weitere, nicht berücksichtigte Hilfen hinweisen.
Besser ist es, wenn man sich vorher umfassend informiert. Eine gute Quelle ist u.A. das Buch "100 Fehler bei der Einstufung von Pflegebedürftigen" von Jutta König, ISBN 978-3-89993-454-0, 9,90 €
und die Begutachtungsrichtlinie. Diese können Sie von der Homepage des Medizinischen Dienst der Spitzenverbände (MDS) kostenlos als PDF aus dem Internet herunter laden.
Link:
https://www.mds-ev.de/media/pdf/BRi_Pflege_090608.pdf

Bitte nicht vergessen:
Es gibt neben den Pflegestufen (besonders wenn die Stufe 1 mit min. 45 Min Pflegebedarf/Tag NICHT erreicht wird) noch das relativ unbekannte "Persönliche Budget" und zusätzlich "Pflegebeihilfeüber welche man auch Ausgleichszahlungen erhalten kann. Bitte über die Infothek informieren!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo James,

danke für das interessante Thema und die hilfreichen Hinweise, vor allem auch für den Link!

Da ich vor ein paar Jahren selbst einige Erfahrungen mit dem Thema machen konnte - und weil es eines ist, was vermutlich jeden mal betreffen kann - interessiert es mich sehr.

Was mich verblüfft hat:
Sie erhalten, wenn die Aktenlage nicht eindeutig ist vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einen Begutachtungstermin.
Sind Dir tatsächlich Fälle bekannt, bei denen ausschließlich nach Aktenlage entschieden wurde?

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leòn,

ja, das gibt es öfters als man ahnt. Besonders natürlich bei jenen Patienten, die nach einem Krankenhaus-Aufenthalt nicht in die häusliche Pflege sondern in einer Einrichtung untergebracht werden. Bei der häuslichen Pflege gehen die Pflegekassen wohl eher "auf Nummer SICHER" und wollen sich trotz Aktenlage und Zusatzkosten fast immer noch selbst überzeugen, dass sie sich nicht irgendwie "drücken" können. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Menschen, die etwas vortäuschen möchten um an zusätzliches Geld zu kommen. Die Leidtragenden sind die echten Pflegefälle.
 
Hallo Leòn,

Bei der häuslichen Pflege gehen die Pflegekassen wohl eher "auf Nummer SICHER" und wollen sich trotz Aktenlage und Zusatzkosten fast immer noch selbst überzeugen, dass sie sich nicht irgendwie "drücken" können. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Menschen, die etwas vortäuschen möchten um an zusätzliches Geld zu kommen. Die Leidtragenden sind die echten Pflegefälle.
Ich bin zwar nicht Leòn, aber muss doch was dazu schreiben.
Ich habe es bisher in der Verwandtschaft und bei Bekannten nur so erlebt, dass den alten Menschen nicht klar ist, dass eine Einstufung für sie zum Vorteil ist. Also haben sie sich zu solchen Terminen immer von der allerbesten Seite gezeigt.
Und so kommt da einer zur Einstufung und der alte Mensch, der sich seit Monaten/Jahren kaum noch selbst helfen kann, hat sich zu diesem Termin seit Jahren das erste Mal wieder alleine gebadet und erzählt das dann auch ganz stolz.:D Ähnliche Geschichten habe ich zuhauf gehört.
Daher denke ich, dass es für Menschen in Privathaushalten ungleich sehr viel schwieriger ist als für die Pflegeheime überhaupt die Anerkennung einer Pflegestufe zu bekommen.
Ich bezweifle zudem, dass ein Gutachter im Pflegeheim wirklich beurteilen kann, ob ein alter Mensch aus rein organisatorischen Gründen im Rollstuhl gehalten wird oder wirklich nicht mehr laufen kann.:cool:
 
Zuletzt bearbeitet:
Da hast Du mit Deiner Beobachtung völlig Recht!
Es ist wirklich in vielen Fällen so, dass sich Pflegebedürftige in der Situation der Einstufung von der besten Seite zeigen möchten und so eine falsche "Wahrheit" spiegeln, die sich natürlich negativ auswikt. Ich möchte hier darauf hinweisen, dass die Führung eines Pflegetagebuches wirklich anzuraten ist. Oft wird erst dadurch auch der pflegenden Person deutlich, wie viele und wie oft Handreichungen notwendig sind. Es reicht meist, wenn ein Zeitraum von 14 Tagen genommen wird, da sich dann die meisten Dinge zyklisch wiederholen. Aber bitte dann mal ALLES auflisten, auch "Kleinigkeiten"!
 
Oben