Kleines Lexikon esoterischer Irrtümer

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Miss Marple

"Kleines Lexikon esoterischer Irrtümer" von Wolf Schneider
Wolf Schneider: Blogarchiv Kleines Lexikon esoterischer Irrtümer


Beispieltexte:

Esoterik ist das höhere religiös-philosophische Wissen, das früher Eingeweihten vorbehalten war und geheim gehalten wurde. Es ist nicht für die Massen gedacht und wird von diesen auch nicht verstanden.
Zu einer Lehre, die etwas auf sich hält, gehört meist auch die Behauptung, von den Massen nicht verstanden zu werden. So bleibt man unter sich, in einem kleinen, elitären Kreis, rümpft über den Rest der Welt die Nase und behauptet, »höheres« Wissen zu besitzen. In der Hinsicht ist die Esoterik also nichts Besonderes, sondern so wie andere Religionen und Weltanschauungen auch. Im Falle der Esoterik ist der Widerspruch jedoch besonders krass zwischen der oft aggressiven, massenhaften Vermarktung der Einsichten und dem unter Insidern immer noch irgendwo schlummernden Anspruch, nur Eingeweihten sei dies zugänglich oder nur für solche verständlich.

Ethik ist die Lehre vom richtigen Handeln und als solche für den Esoteriker, der sich jenseits von Gut und Böse bewegt, irrelevant.
Als »Lehre vom richtigen Handeln« ist Ethik relevant für alle, auch für Esoteriker. Wer sich damit nicht beschäftigen will, verdrängt einen zentral wichtigen Teil des menschlichen Lebens aus dem Bewusstsein. Dass Erkenntnis von dem was ist im Gegensatz zu dem, was zu tun ist sich jenseits einer Beurteilung im Raster von gut oder schlecht, plus oder minus, erwünscht oder unerwünscht bewegen sollte, auch das ist richtig. Vorurteilsfrei zu erkennen und dann gut urteilend zu handeln, das wäre der richtige Weg – auch für fortgeschrittene Esoteriker.

Mystifizierung. Menschen wie Uri Geller und andere Esoteriker sind aufgrund ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten imstande, die Welt für uns wieder zu verzaubern: Sie mystifizieren sie und bringen uns so der mystischen Erfahrung näher, die Welt wieder mit dem Staunen eines Kindes zu erleben.
Menschen wie Uri Geller und andere Zauberer sind Mystifizierer, keine Mystiker. Das ist ein großer Unterschied. Der Mystiker sieht die Welt, wie sie ist. Der Mystifizierer sieht sie durch die Brille des Verstandes, getrennt in Subjekte und Objekte und tausend andere Dinge, will sich aber gern wieder fühlen wie ein staunendes Kind und verzaubert sie deshalb neu. Er arbeitet mit Tricks, die wie Nebelwerfer auf der Bühne die Welt wieder geheimnisvoller erscheinen lassen. Die Medien sprechen dann davon, dass alles »wie in ein mystisches Licht« getaucht ist. Das ist Mystifizierung, nicht Mystik. Mystik nimmt den Schleier von der Welt, Mystifizierung legt über die bereits verschleierte Welt noch einen weiteren Schleier, damit sie wieder zauberhaft aussieht.

Politik ist das Terrain der Menschen, die an Ruhm und Macht interessiert sind und die Geheimnisse des Inneren und der Polarität (innen wie außen, außen wie innen) ignorieren.
Die Verdrängung des Politischen aus den heiligen Hallen der Esoterik und seine Verleumdung als nur machtinteressiert führt zu dem bekannten und vielfältigen Gezänk der esoterischen Richtungen und Institute untereinander. Wer die Themen Macht und Ruhm/Reputation per Verdrängung dem verleumdeten Ressort der Politik zuweist, hat in den eigenen Reihen umso mehr damit zu kämpfen. Denn das Verdrängte drängt sich ja früher oder später doch an die Oberfläche. Politik ist nicht »sauber«, das wissen wir alle, aber die Esoterik und die Religionen sind es auch nicht. Also kein Grund, sich auf die weiße Weste zu klopfen, es sei denn, man praktiziert → Klopftherapien

Pop-Esoterik. Esoterik enthält die tiefste Weisheit des Menschen, wie sie Philosophien und Religionen der Menschen über die Jahrtausende tradiert haben. Allerdings ist nicht jeder Mensch bereit und fähig, diese Weisheit zu verstehen und in sich aufzunehmen. Außerdem stellt sie eine Gefahr dar für das Machtinteresse religiöser und weltlicher Autoritäten, denn sie ermächtigt den einzelnen, indem sie ihn zum Weisen macht. Deshalb musste der Kern der Esoterik seit je geheim gehalten werden.
Schön wär’s. Ist aber nicht so. Fast alles, was heutzutage Esoterik genannt wird, ist Pop-Esoterik, eine mit den modernen Massenmedien und unserer heutigen, schnelllebigen Konsumkultur kompatible Mischung aus Volksweisheit, Philosophie light, den üblichen Phrasen der Lebensberater und Motivationstrainer sowie einem Kondensat der Religionen und Philosophien aller geografischen Regionen und Epochen – einmal kurz durch den Mixer gedreht, denn püriert ist die Sache leichter verdaulich.

Sex heilt. Leider nicht immer. → Tantra
 
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