Bundeswehr im Innern

  • Themenstarter oli
  • Erstellt am

oli

Dieses Thema wurde so nebenbei in den Medien abgehandelt.
Fakt ist jedoch, dass die große Koalition eine Grundgestzänderung durchbringen will, die es erlaubt, dass die Armee im Innern agiert.
Das wurde ja beim Schreiben des GG bewusst verhindert, um eine wiederkommende Diktatur zu verhindern.

Artikel 35 soll in Zukunft wie folgt lauten:

"Reichen zur Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalles polizeiliche Mittel nicht aus, so kann die Bundesregierung den Einsatz der Streitkräfte mit militärischen Mitteln anordnen"
lautet der Kernsatz der geplanten Änderung. Als abzuwehrender Unglücksfall gilt auch ein Terroranschlag.
Quelle: https://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/bundeswehr-gegen-den-inneren-feind/

Burkhardt Hirsch, Bundestagsvizepräsident a.D. erläutert das Problem hierbei etwas genauer:

Man muss den juristischen Text der geplanten Verfassungsänderung über den Einsatz der Bundeswehr im Inland in normales Deutsch übersetzen, damit klar wird, was er eigentlich bedeutet: Wenn der Bundesverteidigungsminister der Auffassung ist, dass ein besonders schwerer Unglücksfall droht und dass zu seiner Abwehr polizeiliche Mittel nicht ausreichen, dann kann er entscheiden, ob er die Bundeswehr im Inland mit militärischen Mitteln einsetzen und den Ländern Weisungen erteilen will. Das Parlament oder der Verteidigungsausschuss haben dabei nichts zu suchen.
Es kommt weder darauf an, wie sicher sich der Minister ist, noch ob er meint, das Unglück werde sich aus einer ihm unverständlichen Demonstration gegen ein politisches Top-Ereignis entwickeln, ob der Unglücksfall das Leben von Menschen bedroht, oder wie viele Menschen er durch den Einsatz militärischer Mittel gefährdet. Es kommt auch nicht darauf an, ob er schwere Maschinengewehre, Raketen oder Sprengkörper einsetzen lässt, Panzer oder Tornados, und ob der Einsatz dieser Mittel - der zwar nicht direkt gegen Unbeteiligte gerichtet sein darf - aber nach ihrer Art mit großer Sicherheit auch unbeteiligte Bürger töten wird.
Das ist der eigentliche Trick des Vorschlags: Während die Polizei an das Polizeirecht gebunden ist, das exakt bestimmt, welche Mittel die Polizei einsetzen und wann sie von der Schusswaffe als letztes Mittel Gebrauch machen darf, gibt es solche Bestimmungen für die Bundeswehr im Inland nicht. Der Minister war schon erstaunt, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Luftsicherheit die Möglichkeit offen ließ, dass er nach einem Abschuss eines Passagierflugzeugs wegen Totschlags vor einem Schwurgericht landen könnte. Nun will er zur freien Hand ermächtigt werden.

dieGesellschafter.de: Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch: Nothelfer Bundeswehr?: Tagebuch
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zur Ergänzung: Der jetzige Artikel 35 lautet so:

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.
(2) 1 Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte.
2 Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) 1 Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen.
2 Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.

Quelle: GG - Einzelnorm

Der Unterschied wird deutlich: In der neuen Version soll kein Umweg mehr über die Landesregierungen mehr bemüht werden. Die Bundesregierung soll in Zukunft ganz alleine bestimmen, ob militärische Mittel eingesetzt werden sollen. Der Föderalismus muss wieder einmal zugunsten des Zentralismus zurückstecken.
Außerdem liegt der Fokus ganz klar auf Naturkatastrophen und Unglücksfällen. Dass das auch jetzt schon anders geht, sah man in Heiligendamm letztes Jahr.

Ist ja auch nichts gegen zu sagen, wenn Bundeswehrsoldaten eine internationale Konferenz bewachen oder beim Oder-Dammbruch die Säcke stapeln.

Das Problem ist nur, dass je mehr Legalität (sprich GG-Änderung) diese Aktionen bekommen, desto normaler wird es, wenn in ein paar Jahren die Soldaten durch die Städte marschieren. In Italien ist das ja bereits Realität:

Die Ministerien für Inneres und Verteidigung setzten am Dienstag in Rom eine Anordnung in Kraft, wonach künftig 3000 Soldaten die Sicherheitslage in italienischen Großstädten verbessern sollen.
Quelle: Regierung ordnet Einsatz von Soldaten im Inneren an

Selbst SPD-Politiker wehren sich gegen diese Vorstöße:

Die von der Bundesregierung geplante Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren droht zu scheitern. Sowohl in der SPD-Bundestagsfraktion als auch in den Bundesländern gibt es dagegen teilweise massiven Widerstand. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses Sebastian Edathy (SPD) nannte die vorgeschlagene Gesetzesänderung im Gespräch mit ZEIT ONLINE „hochgradig problematisch“ und „viel zu weitgehend“. Sein Fraktionskollege Rüdiger Veit sprach von einer „Generalermächtigung zum Einsatz militärischer Mittel im Bundesgebiet“.
Quelle: Bundeswehr : SPD-Politiker wehren sich gegen Einsatz im Inneren | Nachrichten auf ZEIT ONLINE
 
Hallo Oli, und andere,

Das ist interessant und ich finde es Gut dass Du die Aufmerksamkeit auf diese Entwicklungen lenkst. Es scheint alles abstrakt, und weit vom eigenen Bett, aber die Folgen könnte jeder Bürger zu spüren bekommen, und sollte es auch jeden interessieren was da vor sich geht. Eine Grundgesetzänderung ist ja nicht etwas was fast keiner angeht, sondern alle in einem Land etwas angeht.

Obwohl es nun nicht meine Heimat betrifft, könnte sowas hier genauso irgendwann in nächster Zeit aktuell werden. Das Angst vor "Terror"-Fieber hat hier auch ziemlich heftig zugeschlagen, und daraus sind schon Gesetzänderungen hervorgekommen, die leicht zum nachteil aller Bürger werden (könnten).

Ironisch: Heute habe ich hier in einem anderen Thread bezüglich Einbürgerungstest für Deutschland mal reingeschaut in der Link in der neueste Beitrag da,.. wo es einige Fragen gab was Demokratie beinhaltet. Wenn das so weitergeht, sollte bald die Frageliste da mal angepasst werden müssen ... :schock:

Herzliche Grüsse
Kim

PS: Oli schrieb:
Dieses Thema wurde so nebenbei in den Medien abgehandelt.
Das sagt ja nicht viel gutes aus über die durchschnitts Qualität der Medien... "so nebenbei" sind die alle eingeschlafen? - Oder liegt es da auch an die Nachfrage... Upps ;)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das sagt ja nicht viel gutes aus über die durchschnitts Qualität der Medien... "so nebenbei" sind die alle eingeschlafen? - Oder liegt es da auch an die Nachfrage... Upps ;)

Naja, die Medien gehören ja nur einigen wenigen Verlegern, bzw. Intendanten. Auch die Redakteure der öffentlich-rechtlichen Sender können nicht schreiben, was sie wollen. Jedenfalls befinden sich die obersten Chefs der Medienanstalten in Kreisen, in denen sie sich nicht unbeliebt machen möchten.

Ich denke nicht, dass man sagen kann, die Medien seien eingeschlafen. Beim Pandababy in Peking, bei Austauschschülerin XY in Neuseeland oder einer neuen Unten-Ohne-Prominenten sind sie hellwach. Die Zuschauer auch.
Leider kommt ja in ARD, ZDF usw - bis auf wenige Ausnahmen - auch nur noch Mist. Sogar schon Castingshows und sonstige sogenannte Reality-Formate...

Bei den Medien gibt es so ne Art vorauseilenden Gehorsam. Selbst wenn Redakteure mal auf die Idee kommen, was brisantes nachzuforschen oder anzusprechen, kann der Chefredakteur das blocken. Wenn der nicht, dann der Sendeleiter uswusw.
Jedenfalls ist denen ganz klar, dass bestimmte Themen nicht so ausgewalzt werden sollen. Um Job und Karriere nicht zu gefährden, berichtet man lieber über was Unverfängliches...

Dass die Nachfrage für solche Nachrichten nicht besteht, ist ja leider auch so. Viele Menschen wissen sicher nicht mal, dass es ein Grundgesetz gibt und wozu das gut sein soll.

Selbst intelligente und gebildete Menschen in meinem Umfeld schauen keine Nachrichten mehr, geschweige denn lesen Zeitung oder - noch verrückter - lesen im Netz die unterschiedlichsten Quellen aus dem In- und Ausland.

Bei einer so schlecht informierten Bevölkerung brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn´s bald anders zu geht bei uns...
 
Hallo Oli, und andere,

Das ist interessant und ich finde es Gut dass Du die Aufmerksamkeit auf diese Entwicklungen lenkst.
Hi oli,

ich kann mich KimS in der Hinsicht nur anschließen, und finde es auch sehr gut, dass Du immer wieder versuchst die Leute "wachzurütteln". ;)

Ich hatte diese Meldung vor gut einer Woche auch kurzzeitig in der Online-Tagespresse gesehen. Für mich passt das alles genau ins derzeitige Bild. Der Bankencrash und die damit verbundenen Lasten, die unsere Politiker einfach auf den Staat und damit auf die Bürger umgewälzt haben, die gestiegenen Energiepreise, die sonstigen Preiserhöhungen, usw. Irgendwann wird sich das noch sehr träge Volk diese ganzen Bürden wohl doch nicht mehr so ohne weiteres gefallen lassen wollen, vielleicht... Daher muss man rechtzeitig "vorbauen".

Neulich stand hier in unserem Lokalblatt unter dem Titel "Wehret den anfängen" die Ankündigung, dass hier demnächst an einigen zentralen Punkten Videoüberwachung eingeführt werden soll.

Einige Mittelschichtsbürger sind jedoch durchaus sogar auch froh darum, wenn hier von Anfang an "Ruhe geschaffen werden soll", "nicht dass erst solche Verhältnisse bei uns einkehren wie in Italien"… sagte neulich eine Arzthelferin zu mir. Tja, ist nur die Frage, wann es diese Schichten dann auch mit der Armut endgültig erwischt, und sie ihre Ölrechnung o.ä. nicht mehr bezahlen können... Irgendwie meinen wohl die meisten ihnen käme dann eine Sonderbehandlung zugute oder sie wären nicht irgendwann auch betroffen :confused:

Wusstet Ihr übrigens, dass heute auf dem Gipfel der EU-Staatschefs, dass irische "nein" zum EU-Reformvertrag "zur Diskussion" stehen soll:

Sie argumentieren, dass „Nein“ auch wirklich „Nein“ bedeuten sollte und äußern ihre tiefe Besorgnis über Berichte, denen zufolge die EU plant, das irische „Nein“ zu ignorieren und die Umsetzung des Vertrages mit einer massiven Erhöhung der finanziellen Mittel voranzutreiben.
Quelle: Presseerklrungen – 14. Oktober 2008 | INITIATIVE FR EIN EUROPISCHES REFERENDUM | www.EU-Referendum.org

Warum wohl hat das alles eine solche Eile und warum wird darüber kaum etwas in den Medien berichtet u.v.a. warum darf das deutsche Volk nicht über diese Verträge entscheiden und warum akzeptiert man nicht die Entscheidungen der Irlander, Holländer und Franzosen ???
 
Hier eine Diskussionsrunde von gestern Abend bei Phoenix:
Die Phoenix Runde
Direktlink:
Feuer frei - Soldaten als Polizisten ?

War sehr interessant. Teilnehmer: Edathy (SPD), Bosbach (CDU), Baum (FDP), Freiberg (Gewerkschaft der Polizei)
Erfreulich, dass mal so offen drüber geredet wird. Die SPD will einen eingeschränkten Einsatz der BW in Innern bei Notfällen (bei Angriffen von Wasser und Luft), die CDU will uneingeschränkten Einsatz der BW, wenn die Polizei es nicht schafft.
Baum von der FDP will, dass alles gesetzlich minutiös geregelt ist und der Herr von der Polizei will, dass die BW nur in Amtshilfe kommt und nur wenn keine ausreichenden Mittel da sind (Boot, Flugzeug).

Oben schrieb ich:
In der neuen Version soll kein Umweg mehr über die Landesregierungen mehr bemüht werden. Die Bundesregierung soll in Zukunft ganz alleine bestimmen, ob militärische Mittel eingesetzt werden sollen.

Es scheint aber so gemeint zu sein, dass die Bundesregierung den Einsatz nur bestimmen kann, wenn ein Land um Hilfe ruft, weil die dortige Polizei es nicht schafft.
Das wäre diese Amtshilfe-Sache.
Allerdings scheint dieses Faktum nicht ausreichend im neuen Paragraphen geregelt zu sein, denn da gab es selbst bei den Politikern gestern Abend Unklarheiten.

Mir ist aber aufgefallen, dass immer nur über Terroranschläge geredet wurde. Keiner kam auf die Idee, dass oder ob die Armee bei (bevorstehenden) Großdemonstrationen gegen die soziale Schräglage eingesetzt werden könnte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
In Italien sind sie da nicht so zimperlich. Aus eher fadenscheinigen Gründen -
"Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit" patrouilliert nun italienisches
Militär in den Gemeinden. Dies wurde Ruckzuck so beschlossen - Basta.
In Deutschland ist dies in dieser Form undenkbar, Begründung wie Ausführung betreffend.

Man lese und staune oder besser lese und schüttle den Kopf:

Italien: Berlusconi holt Armee auf die Straßen

01.08.2008 | 18:29 | Von unserem Korrespondenten PAUL KREINER (Die Presse)

Notstand Müll, Notstand Roma, Notstand Bootsflüchtlinge – die Regierung hangelt sich von Notstand zu Notstand. Ab Montag lässt sie Militär in den Städten patrouillieren.

ROM. „Nur keine Soldaten-Patrouillen im historischen Stadtzentrum! Wir wollen den Touristen Sicherheit bieten, aber nicht den Eindruck erzeugen, als sei Rom militarisiert.“ Gianni Alemanno, der Bürgermeister von Rom, wehrt sich gegen die italienische Regierung. Diese aber gibt zurück: „Ihr habt uns doch gerufen!“, sagt Ignazio La Russa, der Verteidigungsminister, und drängt auf „Sichtbarkeit“ jener 1052 Soldaten, die von Montag an die römische Polizei verstärken sollen.

Ein Streit wie dieser wäre nicht weiter verwunderlich, stünde die Stadt Rom unter einer linken und Italien unter einer rechten Regierung, wie das lange Jahre der Fall war. Heute aber gehören beide zum selben Lager, Alemanno und La Russa sogar zur selben rechten Partei, zur Alleanza Nazionale; gemeinsam haben sie mit Silvio Berlusconi und mit dem Thema „Sicherheit“ im Frühjahr die Wahl gewonnen. Jetzt, da es ernst wird, steht kommunale Pragmatik gegen koalitionäre Ideologie.

Die Bevölkerung ist begeistert

Das Land sei in Gefahr, hatten sie alle erklärt, bedroht von illegal eingereisten, kriminellen Ausländern, belagert von Roma. Flugs schnürte die Regierung ein „Sicherheitspaket“, das vor allem den Kampf gegen die Roma und deren Ausweisung zum Ziel hatte – eine heikle Sache, da die meisten Roma aus Rumänien stammen, damit EU-Bürger und keine „illegalen Einwanderer“ mehr sind.

Verschiedene europäische Stellen, zuletzt der Europarat, haben Italiens Regierung für die „diskriminierende, menschenrechtswidrige“ Behandlung der Roma gerüffelt – nicht zuletzt deswegen, weil Innenminister Roberto Maroni allen Kindern der „nomadi“ die Fingerabdrücke abnehmen lässt. Der Innenminister sagte darauf: „Dann nehmen wir sie eben auch allen Italienern ab, in zwei Jahren.“

Die Umfragen geben der Regierung recht. Die Italiener erklären mehrheitlich, sie hätten Angst, zwar noch mehr vor Arbeitslosigkeit als vor Kriminalität, aber die Tagesordnung der Regierung ist eben, wie sie ist. Und so rücken am Montag 3000 italienische Soldaten in die eigenen Städte aus. In einer Blitzumfrage des unabhängigen Fernsehsenders „Sky“ applaudierten 82 Prozent der Zuschauer.

Das Parlament hingegen wurde nicht gefragt; Berlusconi nützt propagandistisch die Möglichkeiten des italienischen Rechts: Er ruft für dies und jenes den Notstand aus und regiert dann fürs erste per Dekret.


Die Opposition kritisiert, eine „Militarisierung der Städte“ verbreite keineswegs ein „Sicherheitsgefühl“; eine Präsenz von Soldaten schüre vielmehr die Angst. Für die Kirche stimmt nur der Mailänder Kardinal Dionigi Tettamanzi in den Chor der Opposition ein: „Spekulieren wir nicht mit der Angst!“

Andere kritisieren, die Sache sei lediglich Show. In Padua zum Beispiel rechnet der zwar linke, aber wegen seiner Ordnungspolitik als „Sheriff“ bezeichnete Bürgermeister Flavio Zanonato vor: Wenn die Hälfte der Soldaten, wie geplant, auf die drei Städte Rom, Mailand und Neapel aufgeteilt werde, wenn danach noch fünf andere „bedürftige“ Städte bedient würden, dann blieben für Padua ganze hundert übrig, pro Schicht praktisch zwanzig. „Eine Propagandamaßnahme also, mehr nicht.“ 400.000 Polizisten gebe es in Italien: „3000 Soldaten obendrauf – können sie die Verhältnisse ändern?“


Rivalisierende Rechte

Dann überlegt Zanonato, wie die Polizeigewerkschaften, dass die mit so großem Geräusch bewerkstelligte Mobilisierung der Soldaten in Wahrheit nur von den tiefen finanziellen Einschnitten ablenken solle, die Berlusconis Regierung bei den Ordnungskräften plane: Einige tausend Polizisten, Carabinieri und Angehörige der Finanzwache – Gewerkschaften sprechen von 40.000 – sollen in den nächsten drei Jahren eingespart werden; schon jetzt sind aus Geldmangel selbst die regulären Instandhaltungsmaßnahmen an Polizeiwachen und -kasernen eingestellt; im Herbst, warnen Insider, werde die Polizei kein Geld mehr haben, die Tanks der Dienstfahrzeuge zu füllen.

Womöglich ist die Mobilisierung der Soldaten ja auch nur Resultat einer Rivalität innerhalb von Berlusconis Koalition. In ihr gibt es zwei rechte Parteien, die das Thema „Sicherheit“ gepachtet haben wollen: die immer schon ausländerfeindliche Lega Nord und die früher postfaschistische, jetzt rechtskonservative Alleanza Nazionale. Innenminister Roberto Maroni gehört der Lega Nord an. Er meinte, mit den Polizeien auskommen zu können. Den Militäreinsatz, von Maroni anfangs nicht goutiert, hat Verteidigungsminister Ignazio La Russa aus der Alleanza Nazionale durchgedrückt.

Die Presse

Die Menschen erklären (wohl nicht unbegründet), sie hätten Angst.
Statt aber mit den Organen Präsenz zu zeigen, die für den Schutz
der Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat zuständig sind,
nämlich der Polizei, schickt der eitle Widerling aus reinem Populismus
die Jungs in Grün und mit MG auf die Straßen. Gleichzeitig beschneidet
er hinter den Kulissen massiv (siehe Text) Mannschaftsstärke und
Ausrüstung der Carabinieri.

Wenn die Italiener Berlusconi nicht bald endlich endgültig in die
politische Bedeutungslosigkeit wählen, dann haben sie es nicht
anders verdient. Brutalst boxte er ein rigides Sparprogramm durch,
das fundamental die Bildung beschneidet.

Gestern, auf Besuch bei Kollege Medwedew, glänzte er dann mit einem
Spruch, den er lächelnd aus seiner Verbrechervisage tröpfeln lies:

Auf Staatsbesuch in Moskau hat der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi sich auch zum designierten US-Präsidenten geäußert - und für einen kleinen Eklat gesorgt. Auf eine Frage nach dem amerikanisch-russischen Verhältnis unter einem Präsidenten Obama sagte Berlusconi, er erwarte eine einfachere Zusammenarbeit beider Staaten: Schließlich hätten Barack Obama und sein russischer Amtskollege Dimitri Medwedew vieles gemeinsam, unter anderem das Alter.

Mit einem Lächeln ergänzte der 72-Jährige dann: "Ich habe ihm (Medwedew) gesagt, dass er (Obama) alles hat, um Vereinbarungen mit ihm zu erreichen: Er ist jung, ansehnlich und sogar gebräunt." Medwedew zeigte sich von Berlusconis missglücktem Versuch eines Scherzes äußerlich unbeeindruckt - nicht so aber die italienische Opposition.

FDT


Bella Italia - Stupido Berlusconi
 
Oben