Zölibat und Priesteramt

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Vielleicht ist es sinnvoll zu wissen, dass der generelle Priesterzölibat Zölibat - Wikipedia noch gar nicht so alt ist, wie man vielleicht denkt. Endgültig und verbindlich durchgesetzt wurde er erst während des zweiten Laterankonzils, 1139, durch Innozenz II. .
Dekrete dazu gab es 1022 durch Benedikt VIII. und 1059 ein Verbot durch Nikolaus II., in dem allen Priestern die in einem "Konkubinat" lebten, die Teilnahme an der Messe verboten wurde. Das wurde, vor allem von der niederen Geistlichkeit, damals mit sehr viel Protest aufgenommen, denn die Priesterehe war ja durchaus üblich. Besonders in Deutschland soll der Prr
otest groß gewesen sein. Nur drei deutsche Bischöfe wagten es überhaupt, ihren Klerikern das Verbot mitzuteilen. Der damalige Bischof von Passau soll deshalb beinahe von einer Priester - Schar gelyncht worden sein, er wurde aber "nur" aus Passau vertrieben. Allein auf dem Konzil zu Konstanz trafen sich, noch 1075, dreitausendsechshundert Geistliche, um gegen das Eheverbot zu demonstrieren. Bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein, gab es immer mal wieder größere und kleinere Initiativen, die sich gegen den Priesterzölibat richteten.

So viel zur Vorgeschichte - und jetzt hat die deutsche Bischofskonferenz einen neuen Vorsitzenden und nun das:


Hamburg - Erst wenige Tage im Amt - und schon wagt er sich an ein Mammut-Projekt: Der Freiburger Erzbischof und neugewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, spricht sich "gegen Denkverbote" beim Thema Zölibat aus. Im Gespräch mit dem SPIEGEL sagt der 69-Jährige, die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit sei "nicht theologisch notwendig".

Erzbischof Zollitsch: "Eine Revolution, bei der ein Teil der Kirche nicht mitginge"

Für die katholische Kirche bedeutet diese Aussage eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis. Das ist auch Zollitsch bewusst: Ein Abschied vom Zölibat "wäre eine Revolution, bei der ein Teil der Kirche nicht mitginge", sagt er. Nötig wäre dafür ein Konzil, weil in das innere Leben der gesamten Kirche eingegriffen werden würde.

Zugleich spricht sich Zollitsch für die Öffnung seiner Kirche für neue gesellschaftliche Milieus aus. Er ging auf Distanz zu Äußerungen anderer Bischöfe zum Thema Kinderkrippe. "Begriffe wie 'Gebärmaschinen' oder 'Herdprämie' gehören nicht zu meinem Wortschatz und machen jede Diskussion im Ansatz kaputt. Wir brauchen Kinderkrippen, weil viele Eltern sie einfach benötigen."
Robert Zollitsch: Oberster deutscher Katholik hält Zölibat für "nicht notwendig" - Politik - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Zuletzt bearbeitet:
Mut hat er, der neue Chef der deutschen katholischen Bischöfe. Robert Zollitsch hat sich, noch nicht einmal ganz angekommen in seinem neuen Amt, „gegen Denkverbote“ beim Thema Zölibat ausgesprochen.

Zwar hat er auch schon als Freiburger Erzbischof gemeint, dass die von Rom strikt vorgeschriebene Ehelosigkeit der Priester theologisch nicht zwingend sei. Aber ab heute ist Zollitsch oberster Katholik Deutschlands. Er kann sicher sein, dass seine ersten Äußerungen in neuer Funktion in den stillen Fluchten des vatikanischen Palastes große Aufmerksamkeit finden.

Interessant ist weniger die Position Zollitschs an sich. Denn dass der Zölibat für das Priesteramt nicht zwingend erforderlich ist, zeigt die Praxis der ersten Jahrhunderte der Kirche, wo diese Verpflichtung nicht galt. Sogar der neue Chef der Kleruskongregation im Vatikan, Claudio Kardinal Hummes, gleichsam der „Priester-Minister“, meinte vor seinem Amtsantritt vor etwas mehr als einem Jahr, der Zölibat sei „kein Dogma, sondern eine disziplinarische Vorschrift“. Nichts Neues also unterhalb des Himmelreichs?

Doch. Zollitsch weiß natürlich, dass der amtierende deutsche Papst das Thema nicht auf die Tagesordnung setzt. Benedikt XVI. hat als Kardinal wiederholt zu erkennen gegeben, dass er an dieser angesichts dramatischen Priestermangels höchst umstrittenen „Vorschrift“ nichts ändern will. Zollitsch geht gleich zu Beginn seines Amtes auf den wunden Punkt ein. Das zeugt von Unerschrockenheit. Dass er den Vatikan gleich noch wegen dessen Haltung gegenüber der protestantischen Kirche offen kritisiert, grenzt schon an Luthers „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Ganz so weit wie mit Luther wird es mit ihm wohl nicht kommen, aber: Respekt, hier kommt ein Daniel, der die Löwengrube nicht scheut.
www.handelsblatt.com/News/Journal/Kommentar/_pv/_p/204051/_t/ft/_b/1392234/default.aspx/loewenmut-vor-dem-thron-des-papstes.html

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Ja, Hut ab vor diesem Löwenmut! :bang: Menschen mit Zivilcourage braucht das Land! :kraft: Das könnte noch spannend werden. :rolleyes:

Gruss
Kathy
 
Nun gut, man sollte sich erst zum Priester weihen lassen, wenn man das Kinderzeugen (ob erfolgreich oder nicht) schon ausgelebt hat. Einer meiner Katecheten war damals ein Mann, der als das zweite Kind unterwegs war als Priester entlassen wurde und heiratete. Nun die aus dieser Verbindung erwachsenen Kinder sind es unbestritten wert.

Vielleicht hat die Kirche davor Angst, dass wenn das priesterliche Zölibat fällt, im Zuge der Individualisierung - der auch die Kirche letztendlich nicht entgehen kann - auch die weiblichen dem Zölibat verpflichteten Mitglieder dasselbe Recht für sich in Anspruch nehmen könnten.

Na schön, dann können wir um Beltaine (Walpurgis) wieder die schönen alten Fruchtbarkeitsriten im Kirchenjahr aufnehmen... Es liesse sich sicherlich auch eine einen solchen kirchlich Brauch rechtfertigende Heiligen-Legende stricken...

Freude herrscht :hexe:
 
Auf ein Wort | 18.02.2008 18:20 Uhr
Zölibat

Ein keusches Leben ist für katholische Würdenträger Pflicht. Der Zwangszölibat gilt, auch wenn man von Fällen weiß, in denen es geistliche Herren damit nicht so genau genommen haben. Im Vatikan dürfte man deshalb über die Ansichten des Glaubensbruders Robert Zollitsch nicht gerade begeistert sein. Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der heute sein Amt als Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann angetreten hat, hat in Interviews erklärt: Priestertum und Ehelosigkeit sei "theologisch betracht nicht notwendig". Damit kommt neue Bewegung in eine jahrundertealte Debatte, und Bernward Kalbhenn bittet dazu auf ein Wort.
Fünf Tage Rom, An- und Abreise eingerechnet, mit Reiseleitung und der Option "etwas zu beichten" wird dieser Tage hierzulande ab 199 € angeboten; Ostern in der Ewigen Stadt sei "einfach unschlagbar", verspricht der Prospekt. Das weiß natürlich auch der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch. Auf die Frage von Journalisten, wann er seinen Antrittsbesuch beim Chef im Vatikan mache, musste er zwar einräumen, es gebe noch keinen Termin, aber es werde "wohl um Ostern herum sein".
Wenn sich der Freiburger Erzbischof da mal nicht getäuscht hat. Nach seinen unbekümmerten Einlassungen zum Thema priesterliche Ehelosigkeit könnte es sein, dass sich im ohnehin engen Terminkalender des Papstes für ihn vorerst keine Lücke mehr findet. Schließlich ist die Deutsche Bischofskonferenz nur eine von 113 in der ganzen Welt und deshalb kann sich der Heilige Vater nicht gleich um jeden neuen Vorsitzenden kümmern.
Das muss wohl zusammenhängen mit dem Bekenntnis des 69jährigen, er sei als Schüler verliebt gewesen, hätte sich Ehe und Familie gut vorstellen können und wäre gern Vater geworden. Dass ihn die Boulevard-Presse dafür feiert, kommt in Rom nicht so gut an. Zumal Zollitsch noch bemerkte, die Pflicht zur Ehelosigkeit für katholische Priester, der Zölibat, sei theologisch betrachtet nicht notwendig.
Nun weiß man auch im Vatikan nicht erst seit gestern, wie seine Exzellenz denkt. Immerhin ist aktenkundig, wie differenziert sich der Freiburger Erzbischof, der lange Zeit in der Priesterausbildung tätig war, in dieser Frage schon früher ausgedrückt hat. Obwohl er nicht mit einer Abkehr vom Zölibat rechne, sei er "gegen Denkverbote". Dass muss der Vorgesetzte in Rom als unbotmäßig empfinden. Dafür spricht auch eine Meldung des päpstlichen Zentralorgans "Radio Vatikan": Ein sogenannter "Zusammenschluss papsttreuer Vereinigungen" darf die Interview-Äußerungen des neuen Vormanns der Katholiken in Deutschland mit den Worten kritisieren, Zollitsch eröffne "keinerlei neue Perspektiven", schüre "aber Emotionen, die in keiner Weise hilfreich sind".

Aha. Könnte es sein, dass dem Freiburger Erzbischof jetzt ein freiwilliges Bußschweigen angeraten wird? "Bischöfe, seid Männer des Gebets!" hatte der Papst erst kürzlich gefordert und seinen Oberhirten eingeschärft: "Die erste Stelle im Leben eines Nachfolgers der Apostel muss Gott vorbehalten sein".

Und was kommt dann an 2. Stelle? Vielleicht doch Weib und Kind wie in anderen Kirchen? Für den Abschied vom Zölibat, sagt Erzbischof Zollitsch, braucht es ein neues Konzil. Wie wär´s mit Ostern, fünf Tage für € 199 - und mit Beichtgelegenheit.

Autor: Bernward Kalbhenn

Stand: 19.02.2008 13:46 Uhr

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