Zur Kirche für Bares

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Auf ein Wort | 24.01.2008 18:20 Uhr
Pastor bezahlt Kirchenbesucher

Nicht jeden Tag sorgt ein Dorfpastor aus Ostfriesland für Schlagzeilen - und schon gar nicht für so unglaubliche! Burkhart Westphal, so heißt der Seelsorger aus Collinghorst im Landkreis Leer, verspricht jedem, der am kommenden Sonntag an seinem Gottesdienst teilnimmt, 5 Euro.

Meinen Sie, es gibt eine Kneipe in Collinghorst? Ich gebe zu, ich bin noch nie tief genug ins Herz Ostfrieslands vorgedrungen, um "zwischen Wallhecken und Weiden", wie es im Internet-Auftritt des Sprengels heißt, nach einem Zapfhahn zu suchen, aber aus der Ferne betrachtet sieht es nicht gut aus - was das angeht. Es gibt dort zwar einen Schlachter, eine Auto-Werkstatt und den womöglich weit über Collinghorst hinaus bekannten Frisier-Salon "Kamm und Schere". Aber eine Kneipe? Dabei läßt die Tatsache, dass diese Gegend schon seit 5000 Jahren von Menschen bewohnt ist und Collinghorst die "vermutlich älteste Siedlung des Overledingerlandes", doch erwarten, dass da auch mal einer Durst hat! Feuerwehr, Sportverein, Shanty-Chor ... und wirklich keine Kneipe?
Ja um Himmels Willen, was machen die Collinghorster Schäfchen denn, wenn sie sonntags durstig und geläutert aus der Kirche trotten? Zumal jetzt, wo sie gleichsam einen Mindestlohn für andächtiges Lauschen im Gottesdienst erwarten dürfen? 5 Euro - grob geschätzt zwei Bier, ein Korn - für eine Stunde Stillsitzen in einer strukturschwachen Region - wer will da meckern?
Andererseits: Wie verzweifelt muss Pastor Burkhard Westphal eigentlich sein, um auf die Idee zu verfallen, seine harten Kirchenbänke mit bezahlten Gläubigen zu besetzen, die - wie Statisten beim Film - ihren Heiermann natürlich erst nach der Predigt abholen dürfen? Ist seine Kirche, die zu den - Sie ahnen es - "ältesten im gesamten Overledingerland" gehört, ist dieses schmucke, mittelalterliche Backstein-Gotteshaus denn wirklich auf keine christlichere Weise zu füllen als durch die Verlockung schnöden Mammons? Und kann sich das die angeblich so abgebrannte Kirche überhaupt leisten: Bestechung aus dem Klingelbeutel? Korruption statt Kollekte? Dem göttlichen folgt der Geldsegen? Gott bewahre! Auch wer in vager Erinnerung an die Speisung der 5000 vermutet, Pastor Westphal wolle die wundersame Vermehrung des Brotes und der Fische nun zeitgemäß mit 5-Euro-Noten nachstellen, geht fehl. Denn was immer man Ostfriesen nachsagt: Sie sind nicht blöde, und dieser Gottesmann ist vermutlich viel schlauer als man glaubt.
Wie wäre es, wenn er nichts anderes bewirken will, als den Wert des Geldes zu relativieren? Wenn er erfahrbar machen will, dass Geben seliger denn Nehmen ist und Geiz alles andere als geil. Dass die Schlussverkaufsmentalität unserer Tage lächerlich, beschämend und würdelos ist und Großzügigkeit - vielleicht sogar in Form von seliger Verschwendung - im Herzen und im Portemonnaie zu Mangelware verkommen ist? Wenn dieser Pastor also ein ganz besonders listiger Vertreter seiner Zunft wäre?

Den 250 Besuchern, die sich am Sonntag für 5 Euro in die Kirche von Collinghorst locken lassen, wird der kleine Schein wie Feuer in der Tasche brennen. Ausgeben? Verschenken? Spenden? Was tut man mit dem Geld, das doch nur dazu da ist, den inneren Schweinehund zum Erröten zu bringen! Irgendwie, das ahnt der Pastor wohl, werden es ihm die bestochenen Schäflein heimzahlen. Am besten natürlich beim Frühschoppen nach der Kirche in der Kneipe. Die wäre Collinghorst, der vermutlich ältesten Siedlung der Overledingerlandes, durchaus zu gönnen. Schon des pfiffigen Pastors wegen.

Autor: Jürgen Hanefeld

Stand: 24.01.2008 14:30 Uhr NDR Info - Programm - Sendungen
 
Nun ist es passiert :):
Pastor verteilt mehr als 1.000 Euro im Gottesdienst
Übersicht

Collinghorst/Kr. Leer (epd). Der evangelisch-lutherische Pastor Burkhard Westphal hat am Sonntag im ostfriesischen Collinghorst an alle Gottesdienstbesucher jeweils einen Fünf-Euro-Schein verteilt. "Mit der Aktion wollen wir ein biblisches Gleichnis nachspielen", sagte Westphal dem epd. Insgesamt habe er fast 250 Scheine verteilt. Das Geld stamme aus Rücklagen für die missionarische Arbeit und nicht aus Spenden. Der Kirchenvorstand stehe hinter der Aktion.

Die Aktion sei kein bloßer Gag, um Menschen in die Kirche zu locken, betonte Westphal. In seiner Predigt habe er das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden aus dem Lukas-Evangelium ausgelegt. Die biblische Botschaft laute: "Wuchert mit dem, was Gott euch gegeben hat." Die Leute könnten mit dem Geld machen, was sie wollen, so der Pastor. Am 6. April werde die Geschichte erneut Thema im Gottesdienst sein. Wer sich an der Aktion beteilige, könne das bis dahin erwirtschaftete Geld wieder abgeben.

Aufgrund des Medienrummels um die Aktion seien fast viermal so viele Gottesdienstbesucher gekommen wie an einem normalen Sonntag, sagte Westphal: "Das ist ein toller Erfolg." Es seien viele Neugierige erschienen, die sonst nicht den Gottesdienst besuchten. Eine Gruppe Jugendlicher habe sich sogar trotz des strömenden Regens mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht.

Dass dabei eine Menge Geld verloren gehen könne, störe ihn nicht, so Westphal. Wenn Konfirmanden die fünf Euro in Pommes frites und Cola umsetzten, würden sie sich trotzdem immer an diesen besonderen Gottesdienst erinnern. Im Übrigen kosteten Bibelarbeiten und Kirchentage immer Geld: "Doch da fragt keiner, woher das Geld kommt und wohin es geht."

Die Aktion hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Zahlreiche Journalisten und zwei Kamera-Teams besuchten den Gottesdienst, berichtete Westphal. Am kommenden Dienstag werde er mit seiner Aktion in der Fernseh-Sendung "Johannes B. Kerner" um 23 Uhr im ZDF zu Gast sein.
EVLKA - News

Evangelisch Lutherische Kirchengemeinde Collinghorst Rhauderfehn

Herzliche Grüße von
Leòn
 
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