Nicht jeder, dem es schlecht geht, will Hilfe oder Ratschläge ...

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... schreibt Roland Kopp-Wichmann. Und er schreibt noch mehr Kluges, was man sich immer mal wieder einprägen kann, wenn man z.B. enttäuscht ist, daß Ratschläge und der eigenen Meinung nach gute Tipps und Interpretationen und Analysen nicht akzeptiert und schon gar nicht umgesetzt werden.
Wenn das öfters passiert, ist es auch ein paar Gedanken wert, darüber nachzudenken, warum das öfters passiert? - Habe ich evtl. ein Bedürfnis zu helfen, weil das wiederum mir hilft, mich gut zu fühlen? Habe ich eine Art Helfersyndrom? Lenke ich mich von meinen eigenen Problemen ab, indem ich mich mit fremden Problemen beschäftige? ...

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Fast alle klagen darüber, dass es ihnen damit schlecht geht, zum Teil schon seit Jahren. Doch nicht jeder, dem es schlecht geht, will auch Hilfe. (Bei den Menschen, die zu mir kommen, sind es ca. 40 Prozent)
Die Frage ist: was wollen die anderen?
Meine Antwort: sie wollen sich besser fühlen – aber keine Hilfe. Sie fühlen sich besser, wenn man ihnen zuhört, ihre Beschwerden, Klagen und Vorwürfe an andere ernst nimmt und versteht. Aber bitte keine Hilfe. Dann erleben Sie heftigen Widerstand nach dem Muster:

Das geht nicht.
Das traue ich mich nicht.
Das hilft nichts.
Dafür bin ich zu alt/zu jung/zu dumm/zu intelligent etc.
Nicht jeder, der Hilfe will, will auch etwas ändern.

Viele Menschen wollen geholfen bekommen – aber nichts selbst ändern.

Das ist das gängige Arzt-Patient-Modell: der Patient schildert seine Beschwerden und der Arzt verschreibt ein Medikament oder eine Maßnahme, zum Beispiel einen Cholesterinsenker. Sobald jedoch der Arzt auf die Eigeninitiative des Patienten anspielt: „Kurzfristig wird Ihnen der Cholesterinsenker helfen, langfristig müssen Sie Ihre Ernährung umstellen.“ trennt sich die Spreu vom Weizen.
Denn Geholfen werden ist bequem, etwas ändern meist unbequem.

Geben Sie Ratschläge oder Tipps nie ohne Auftrag!
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Warum Hilfe ohne Auftrag meist schiefgeht. › DER Persönlichkeits-Blog

Grüsse,
Oregano
 
Ich glaube, das sind Situationen, wo es jemanden sehr schlecht geht und er unflexibel wird.oder der Tipp sehr weit von seiner Lebensweise entfernt ist. Oder er ist einfach bequem.

Ich finde, man soll nichts verschweigen, wenn einem bei Freunden etwas auffällt, was man verbessern könnte. Nachher, sollte etwas unangenehmes passieren, ist es zu spät. Aber man muss sich auch nicht verausgaben mit dem Geben von Tipps, wenn es nicht so gut ankommt.

:morgenkaffee:
 
Hallo zusammen,

ein sehr brisantes Thema

es gibt so viele verschiedene Typen von Menschen, dass man hier nicht so pauschal sagen kann, dass man nicht "ohne Auftrag" Hilfe anbieten sollte.

Wenn man jemanden länger kennt, weiß man schon, wann der Schuh drückt und wie man evtl. mit diesem umgeht, was Hilfe- oder auch Anteilnahme, Hilfe- zur Selbsthilfe etc. betrifft.

Es gibt Menschen, die sich bei Kummer oder Problemen erstmal zurückziehen müssen und sich selbst ein Konzept schneidern und dann erst um Rat oder Bestätigung fragen.

Menschen die viel zu stolz oder auch schambesetzt sind um um Hilfe zu bitten. Einige leben deswegen auf der Straße und betteln auch nicht, es gibt soviele Facetten, dass man wirklich nicht pauschal urteilen, sich aber auch nicht aufdrängen sollte, wenn etwas nicht gewünscht wird und dennoch gibt es meist auch Hintertürchen, um diesen Menschen vielleicht das Problem zu erleichtern ohne zu bedrängen.

Dann gibt es Helfer, die nur Helfen um sich selbst besser zu fühlen
oder Helfer, die spontan dann auch die richtige Hilfe anbieten ohne irgendwelche Hintergründe die sich bei ihm auftun.
 
Hallo Kayen,

ich stimme Dir in allen Punkten so ziemlich zu. Nur meine ich trotzdem, daß man sich gut überlegen soll, ob man von sich aus Hilfe leisten soll, wenn man merkt, daß jemand in einer schwierigen Lage ist. Einfaches Beispiel für das, was ich meine:

Ein Kind mit älteren Geschwistern stellt sich im Vergleich zu denen oft (selbstverständlich) noch ungeschickt an. Wenn nun die älteren Geschwister ihm die Aufgabe abnehmen und für das Kind lösen, ist das nicht gut für das Kind, es sei denn, die Aufgabe wäre unlösbar für es.
Aber im allgemeinen nehmen solche hilfreichen älteren Geschwister dem kleineren Geschwister die Möglichkeit, an einer Aufgabe zu wachsen, Hartnäckigkeit zu üben, die PHantasie zu nutzen, kreativ zu sein. Letztlich erweisen sie dem Kind so einen Bärendienst und keine Hilfe.

Grüsse,
Oregano
 
Hallo Oregano,

ich würde bei Deinem konkreten Beispiel erst mal liebevoll motivieren.
Wird es völlig abgewiesen oder manchmal auch von den Geschwister aufgezogen, es wäre "zu dumm" oder ähnlich, kann es auch passieren, dass in späteren Jahren hier die Wurzel des Schames gelegt wurde und es dem Kind / später erwachsen, darum immer schwerer fällt um Hilfe zu bitten.

Dann gibt es auch Charaktere, die puzzeln still vor sich hin und sind von allein motiviert die Aufgabe zu lösen.

Oder aber es schmeißt die Aufgabe in die Ecke, weil schon keine Geduld mehr vorhanden und die Aufgabe hat sich erledigt.

Es gibt auch hier wieder soviel Möglichkeiten/Charaktere;
jedoch, wie Du schon schreibst, das Kind erst mal lassen und keinesfalls sein Tun unterbrechen, so lange die Aufgabe noch in Arbeit ist:) hier wäre "Gutmeinen" und helfen ohne Auftrag kontraproduktiv.


Grüße von Kayen
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag:
Eine weitere Frage, die sich beim "nicht Helfen ohne Auftrag" bei Kindern stellt, ob sich damit nicht auch die Aufgabe "Mutter" erledigt. Soll man den Kindern überhaupt noch erzählen, wie das Leben funktionieren könnte oder sie einfach nur noch tun lassen.
 
Hallo Kayen,
das ist eine interessante Frage.
Wenn man die Energie hat, finde ich es gut bei Kindern vorrausschauend zu denken und sich in allen wichtigen Dingen durchzusetzen, wo man weiß, dass es besser ist. Wenn dann was in die Hose geht, das Kind krank wird ... etc, haben die Eltern ja den Ärger.
:morgenkaffee:
 
Hallo Earl Grey,

wenn man sich nicht überall einmischt spart man unter Umständen ja auch gewisse Energien.
Ehrlich gesagt sind mir manche Mütter, was die Einmischung in bestimmten Dingen erfordert, zu phlegmatisch. Das mag natürlich auch am Energiehaushalt liegen.

Beispiel: Neulich auf dem Spielplatz stand ein kleiner Junge der auf einem Plastiktrecker saß auf einem kleinen Mädchen gleichen Alters drauf, welches platt auf dem Boden lag.
Das Mädchen war zwar krebsrot im Gesicht, sagte aber nichts und der Junge fuhr einfach noch mit seinen Füsschen auf ihr hin und her. Weder die Mutter von dem Mädchen machte Anstalten zu helfen aber auch nicht die Mutter des Jungen.
Nach dem Motto es wurde keine Hilfe gefordert, dann lassen wir das mal so bis sie schreit:rolleyes:
Für mich kaum erträglich soetwas.


Grüsse von Kayen
 
Hallo Kayen,

dieses Beispiel für "nicht helfen" ohne Aufforderung ist auch für mich übel. Was mich da sehr wundert, ist, daß das kleine Mädchen nicht schreit! Das wäre doch eigentlich eine normale Reaktion?
Daß beide Mütter nicht hinsehen (vielleicht haben beide lieber auf ihr Handy geschaut?), ist mir auch nicht verständlich, und ich finde das nicht richtig.
Manchmal denke ich, daß die Mütter selbst noch nicht wirklich reif sind für Erziehung und die erziehende Rolle gar nicht kennen?

Es ist immer das Zwischending: die Mütter sollten ja nicht ständig hinter ihrem Kind her sein und es dadurch unselbständig machen. Sie sollten aber auch nicht ständig wegschauen und damit dem Kind den Weg zum sich-wehren versperren.

Grüsse,
Oregano
 
Hallo Oregano,

ich war wirklich auch sehr verwundert, dass das Mädchen kaum eine Reaktion, außer ihren hochroten Kopf, zeigte. Vielleicht wird es auch sonst nie erhört oder aber, sie selbst fand es nicht so schlimm, wie es für mich aussah, ist ja alles möglich.

Die Mütter waren schätzungsweise schon über dreißig, jedoch heißt das ja nicht, dass man dann verantwortungsbewusst mit diesen Situationen umgehen kann. Manche 16-jährige könnte es besser.

Die Mutter des Jungens, was jetzt noch makaberer wird, stieg sogar noch über das Mädchen drüber, weil der Gehweg durch diese Situation versperrt war, um zu ihrem weiteren Kind zu gelangen:rolleyes:

Also mitbekommen haben es Beide - jedoch keine Reaktion.

Mit dem "Zwischending" stimme ich Dir absolut zu.

Liebe Grüße von Kayen
 
Die Mutter des Jungens, was jetzt noch makaberer wird, stieg sogar noch über das Mädchen drüber, weil der Gehweg durch diese Situation versperrt war, um zu ihrem weiteren Kind zu gelangen:rolleyes:

Hi Kayen,

ich nehme in den letzten Jahren auch zunehmend gehäuft solche Situationen wahr. Ich frage mich dabei immer: Ist das mangelnde Empathie, ein niedriger EQ oder doch einfach nur schlechte Erziehung? Wobei ich immer mehr meine, dass es - leider - einfach "nur" an der Erziehung liegt.

LG

Mera
 
Hi Mera,

danke für Deine Nachfrage, mich lässt dieses Geschehen auch nicht wirklich los, keine Ahnung warum.
Einen niedrigen IQ würde ich jedoch ausschließen, der hat m.E. nichts mit Empathiefähigkeit zu tun.
Mit schlechter Erziehung meinst Du, die Mütter wurden schon grob erzogen:) oder meinst Du diese beiden Mütter würden ihre Kinder garnicht/oder schlecht erziehen? Wahrscheinlich meinst Du Letzteres.
Man kann hier nur vermuten und ich glaube es ist vielleicht so eine Art "emotionales abgestumpft sein" bei diesen Müttern vorhanden, nicht mehr richtig hinschauen können, was da eigentlich passiert und sich Gedanken machen, was das Mädchen fühlen könnte, welches erstarrt unter dem Trecker liegt. . . irgendwie so, diese Richtung. . . also letztendlich doch mangelnde Empathie und vielleicht haben diese Mütter ja selbst in dieser Richtung keine liebend fühlenden Werte aufgezeigt bekommen. . .


Beste Grüße von Kayen
 
Hi Kayen,

mit EQ hab ich die emotionale Intelligenz gemeint. Neee mit dem IQ hat so ein Verhalten ja sicher gar nichts zu tun.:rolleyes:

Und ich meinte, dass die Erziehung der Mütter durch deren Mütter schon mal nicht funktioniert haben kann. Aber wie gesagt - darüber lässt sich diskutieren. Ich hab mir halt auch viele Gedanken gemacht, weil ich oftmals fassungslos solchen Situationen gegenüber stand und immer noch stehe. Und solche Situationen werden leider immer mehr. Es kann ja auch ein anderer kultureller Hintergrund die Ursache für ein solches Verhalten sein. Das wäre im Endeffekt dann aber auch die grundlegende Sozialisierung bzw. die Erziehung.

Was mir dennoch immer mehr heute auffällt, ist leider ein ausgeprägtes Mitläufertum. Also - es passiert zum Beispiel ein Übergriff - egal welcher Art - und alle schauen zu. Und von daher ist mir dann aufgefallen, dass es generell nur noch wenige Leute gibt, die eine gute Erziehung haben, also das beispielsweise mit ihren Umgangsformen anderen Menschen gegenüber ausdrücken und der Mehrheit ist das schlicht egal.

LG

Mera
 
Sorry, Mera, natürlich EQ, habe ich falsch gelesen.
Ich stimme Dir in allen Punkten zu - NUR - diese Entwicklung des Mitläufertums bzw. die Ignoranz der Menschen nicht hinzuschauen oder auch wegzuschauen, in Bezug auf möglicher Hilfestellung ist mir nicht neu. Das beobachte ich schon; ich möchte fast sagen, von jeher.:mad:

Beste Grüße von Kayen
 
Ja hast mit Sicherheit Recht. Fällt mir nur jetzt gerade so unangenehm auf, als wäre es noch ärger geworden oder ich sehe das erst jetzt so deutlich. :eek:

LG

Mera
 
...
Was aber wenn man gar nicht um Hilfe gebeten, oder sonst auf irgendeine Weise Hilfsbedürftigkeit signalisiert wurde? Wenn sich das Ego auf das Thema Hilfsbereitschaft gesetzt hat, dann wird diese oftmals aufgedrängt, selbst wenn niemand darum gebeten hat. So z. B. bei ungebetenen Ratschlägen, die dann sehr leicht belehrend wirken können.
Auf den erwartungsgemäßen Widerstand der Zwangsbeglückten, reagieren die Ego-Helfer dann meist mit Rechtfertigungen wie „Ich meine es ja nur gut. Ich will eben einfach helfen.“

Doch im Leben gibt es kein „einfach“ und „nur“. Alles hat zwei Seiten, und hinter jedem noch so vermeintlich edlem Zug, stecken persönliche Motive, die dafür sorgen, dass wir uns selbst auch besser fühlen. Im Idealfall verhält sich das bei Hilfsbereitschaft so, dass sowohl derjenige der tatsächlich Hilfe braucht, sich danach besser fühlt als auch der Helfende.

Bei aufgedrängter Hilfe fühlt sich aber entweder nur der Ego-Helfer danach besser, oder keiner – weil das Hilfsangebot nicht erwünscht war und dementsprechend nicht gut ankam.
Im Extremfall kann man mit diesen Ego-Helfern keine normale Kommunikation führen, ohne permanent analysiert, zwangsgecoacht oder mit Ratschlägen erschlagen zu werden. Oft kann das auch mit Themen wie Redesucht und Energievampirismus einhergehen. Diese wurden bereits in vorigen Artikeln behandelt.

Signalisiert man dem Ego-Helfer, dass man gar keine Hilfe braucht, sondern sich nur mitteilen und austauschen möchte – auf Augenhöhe wohlgemerkt, was gar nicht ihr Ding ist – reagieren sie häufig mit Angstmache und Schwarzmalerei in Bezug auf die Situation der vermeintlich Hilfsbedürftigen. Da diese ihren Bedarf an Hilfe ja nicht erkennen, muss der Überlegene seine Hilfe und Ratschläge schließlich aufdrängen.
Wirklich zuhören können die Ego-Helfer meist nicht. Sie sind viel zu sehr mit den Gedanken an ihre eigenen Weisheiten und Ratschläge beschäftigt und damit was sie als nächstes sagen könnten.
...
https://autorinbarbarasinger.wordpr...ergrunde-von-aufgedrangter-hilfsbereitschaft/

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Grüsse,
Oregano
 
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