Teilnahme an einer Medikamentenstudie will gut überlegt sein

Clematis

Hallo,

hier im Forum werden gelegentlich Teilnehmer für Studien gesucht. Bei manchen besteht kein Risiko, z.B. wenn Ernährungsgewohnheiten analysiert werden sollen. Das Risiko erhöht sich, wenn es um bereits zugelassene Medikamente geht, die in neuen Kombinationen mit anderen erprobt werden sollen. Besonders riskant für den Probanden sind jedoch Studien, bei denen völlig neue, noch nicht zugelassene Substanzen erprobt werden sollen.

Wenn bei letzteren etwas schief geht, hört man nur selten davon. Vor einigen Jahren gab es in London einen Fall bei dem alle jungen Männer, sechs an der Zahl, nach und nach verstarben. Dieser Fall ging durch die Presse...

Es muß aber nicht gleich tödlich verlaufen, es können dauerhafte Gesundheitsschäden verursacht werden.

Hier ein neuerer Fall:
One Death, Three Serious Brain Injuries in Phase 1 Trial
Dabei wurde ein in Erforschung befindliches Analgetikum (Schmerzmittel) getestet - 1. Versuch. Ein Teilnehmer wurde als Hirntod bezeichnet und starb am 17.1.2016. Als er eingeliefert wurde, vermuteten die Ärzte zunächst es handele sich um einen Schlaganfall. Dieser und fünf weitere Freiwillige wurden in das Krankenhaus in Rennes, Frankreich, eingewiesen nachdem sie schwere neurologische Probleme entwickelt hatten. Altersgruppe 28-49 Jahre. Der Zustand der Fünf soll stabil sein, wie das Krankenhaus am 18. Januar berichtete. Vier der Patienten zeigen neurologische Störungen und der Fünfte, ohne Symptome, wird beobachtet. Drei der Patienten befinden sich in einem schwerwiegenden Zustand, der Anlaß zu der Befürchtung gibt, daß die Schäden nicht umkehrbar sind. Das MRT zeigt nekrotische und hämorrhagische Gehirnschäden.

Dies ist der erste solche Fall in Frankreich. Weitere Teilnehmer an der Studie werden zwecks Nachuntersuchung einbestellt. Der Staatsanwalt in Paris ermittelt wegen unfreiwilliger Körperverletzung. Dieser Versuch betrifft ein Molekül, das motorische Störungen, neurodegenerative Beschwerden und Angstzustände behandeln soll.

Dann wird der Fall in London kurz beschrieben. In beiden Studien blieben je zwei mit Placebo behandelte Probanden gesund. Verschwiegen wird hier aber, daß alle Probanden starben.

Ein weiterer Fall, Test eines neuen Antibiotikums, von Pfizer geleitet, kostete in Nigeria 1996 elf Kinder das Leben. Pfizer mußte € 75 Millionen Strafe an die Nigerianische Regierung zahlen. Verschwiegen wird hier, daß noch viele weitere Kinder sehr schwer erkrankten.

Alle hier genannten Probanden waren vorher kerngesund, was besonders tragisch ist.

Ein Problemkreis, der hier nicht erwähnt wird ist, ob die Unterlagen, die eingereicht wurden, um die Genehmigung für diese Studien zu erhalten vollständig und richtig waren. Sollten Tierversuche vorausgegangen sein, gab es mit Sicherheit erste Warnzeichen. Leider wird seitens der Pharma hier schon oft einiges verschwiegen. In Nigeria war dies der Fall.

Gruß,
Clematis
 
Dazu passt auch diese Information. Demnach sind in der einstigen DDR zahlreiche Medikamenten-Studien durchgeführt worden, wohl teilweise oder ganz ohne Wissen der Patienten. In dem Artikel steht nichts darüber, ob es dabei zu "Schäden" gekommen ist. Aber das ist doch stark anzunehmen.

Außerdem denke ich auch an die Hormone, die zur Leistungssteigerung an Athleten in der DDR (nur da?) ausgegeben wurden; - als Vitamine getarnt.

Ahnungslose Probanden: West-Pharmafirmen experimentierten in der DDR - Politik - Tagesspiegel

Grüsse,
Oregano
 
Das ist ein ganz ganz mieses und höchst Skrupelloses Geschäft! :-(

Liebe Grüße Tarajal :)
 
Das geschah nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD selbst:
Patienten nicht informiert: Ex-Chefarzt hat bei Studien betrogen - Gesundheit | STERN.de
Klinikung Ludwigshafen: Ex-Chefarzt betrog bei HES-Studien - SPIEGEL ONLINE

Die meisten Studien, bei denen die Patienten gar nicht wissen, worum es geht oder daß sie überhaupt an einer Studie teilnehmen, werden im Ausland durchgeführt. Indien ist dabei sehr beliebt - siehe in Beitrag 57
https://www.symptome.ch/vbboard/oxi...nschaft-fehler-design-auswertung-studien.html

Wer von seinem Arzt des "Vertrauens" auf ein frisch zugelassenes Medikament umgestellt wird, wird oft gleichzeitig zum Probanden, ohne daß er dies weiß. Pharmaunternehmen bezahlen Ärzte dafür, detailliert über Wirkungen und Nebenwirkungen zu berichten, daher ist der Anreiz groß das neue Medikament zu verschreiben, selbst wenn dafür kein Bedarf besteht. Dies wurde in der Presse schon oft genug thematisiert.

Aus den USA ist bekannt, daß viele Studien gar nicht veröffentlicht werden. In der EU dürfte das ähnlich ablaufen. Die Probanden haben dann ihre Gesundheit sogar völlig umsonst aufs Spiel gesetzt. Deutsches Ärzteblatt: ClinicalTrials.gov: Viele Studien werden nie publiziert

Als besonders infam empfinde ich, daß Angehörige aufgefordert werden, eine Einwilligung zur Studienteilnahme zu unterschreiben, wenn der Patient selbst nicht einwilligungsfähig ist. Ob solch eine Teilnahme gesundheitliche Vorteile haben könnte, ist mehr als fraglich und wie soll ein Angehöriger das beurteilen können? Wird er unterschreiben, weil er in dieser Situation nach jedem Strohhalm greift? Kann man einem Angehörigen überhaupt eine derartige Verantwortung aufbürden? Und was ist, wenn sich die Teilnahme als schädlich erweist? Dann wird er sich lebenslang selbst Vorwürfe machen.
Wenn kein Betreuer bestellt wurde, darf der Arzt sogar selbst darüber entscheiden - experimentiert am Patienten herum, ohne daß dieser oder seine Angehörigen es wissen.
https://www.uni-marburg.de/fb20/ethikkommission/studien-nach-berufsordnung/HinweiseAng

Gruß,
Clematis
 
Hallo,

zum ersten Beitrag hier noch eine Ergänzung vom BfArM:

Zwischenfall bei einer klinischen Prüfung in Frankreich: keine vergleichbaren Fälle in Deutschland. Probandensicherheit hat bei der Genehmigung klinischer Prüfungen höchste Priorität.
Pressemitteilung Nummer 1/16
Ausgabejahr 2016
Datum 19.01.2016

Das BfArM nimmt den schweren Zwischenfall bei einer klinischen Prüfung eines neuen Arzneimittels in Rennes, Frankreich, sehr ernst.
BfArM - Presse - Zwischenfall bei einer klinischen Prüfung in Frankreich: keine vergleichbaren Fälle in Deutschland. Probandensicherheit hat bei der Genehmigung klinischer Prüfungen höchste Priorität.
Mit der Überschrift möchte man neue Probanden in Sicherheit wiegen -
aber: Hochmut kommt vor dem Fall! ;).

Gruß,
Clematis
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Tag,

ich möchte mich zu diesem Thema kurz einmischen.
Besonders bei neu auf dem Markt erschienen Psychopharmaka ist es so, dass Patienten (leider) unfreiwillig und unwissentlich zu Probanden einer Studie werden.
Das habe ich während eines Praktikums in einem psychiatrischen Krankenhaus selbst gesehen.
Tragisch...

Alex
 
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