Glosse zu Halloween

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Halloween

"Lisa macht ne Grusel-Party!" Sagt das Kind begeistert. "Wir sollen als Skelett kommen oder als Tod. Und wir sammeln überall Süßigkeiten ein. Cool, oder?" Oh. Oh. Jetzt müsste man eigentlich zu einem kleinen Vortrag ansetzen: Heute ist - erstens - nicht Halloween, sondern Reformationstag und ein Skelett-Kostüm ist - zweitens - nicht cool, sondern ätzend und drittens wird nicht um Süßigkeiten gebettelt. Schließlich sind wir hier in Deutschland und Halloween ist Quatsch aus Übersee, der hier nur der Geschäftemacherei dient. Außerdem sind wir evangelisch, und da denken wir am 31. Oktober doch wohl an Luther und nicht an den Sensenmann. Und überhaupt, wenn man schon bei Fremden klingelt und nach Süßigkeiten fragt, dann bitte freundlich (am besten mit einem netten Gedicht) und nicht mit diesem zickigen "Süßes-oder-Saures"-Geschrei. Jawohl. Das müsste man jetzt sagen. Aber achtjährige Kinder wissen nichts von Geschäftemacherei. Zum Glück. Und Luther war im Religionsunterricht noch nicht dran. Hm. Den Teil des Vortrags kann man sich also gleich sparen. Die Einladung zur Grusel-Party sieht zugegebenermaßen wirklich süß aus. Eine ganz und gar freundliche Fledermaus. Selbst gebastelt. Kürbismuffins soll es geben und einen Vampir-Cocktail. Ist ja auch irgendwie kreativ. In Zeiten, in denen Kindergeburtstage vornehmlich im Kino oder Indoor-Spielplatz gefeiert werden, ist diese Halloween-Party eigentlich sogar zu begrüßen. Mal abgesehen davon, dass man dem Kind ja wohl kaum verbieten kann, zu einer Feier bei der besten Freundin zu gehen. Trotzdem. Halloween geht gar nicht. Hm. Hm. Hm.
"Als was würdest du dich denn verkleiden?" Die Taktik der vorsichtigen Annährung. Das Kind ist nicht dumm und ahnt die Falle. Langes Überlegen. "Als Tod...???" Oh Gott. "Oder als Hexe!" Na gut, das klingt schon besser. Aber ein Gedicht, das müsste doch drin sein! Dieser Vorschlag sorgt sichtlich für Verzweiflung, aber da das Kind bereit wäre, seinen rechten Arm für diese Party zu geben, schluckt es nur schwer und fragt "Welches denn?" welches denn, welches denn. Gute Frage. Hektische Suche nach einem Halloween-geeigneten Gedicht. Was aus der Bibel vielleicht, als Gegengewicht zu dieser Geistersache. Irgendeinen Vers wird es da doch wohl geben. Hektische Suche nach der Bibel. Oh Gott. Kennt das Kind kein Gedicht? Irgendwas Neutrales vielleicht? "Ene meene miste, es rappelt in der Kiste." Äh ja. Willkommen in Absurdistan. Kapitulation. Halloween ist Halloween und wird durch Gedichte an der Haustür auch nicht besser. Kinder finden Halloween aber super, weil sie gruseln super finden und Verkleidungspartys sowieso. Nach einem kleinen Gespräch "Was ist Tod und warum soll damit kein Schabernack getrieben werden?", wird also ein Hexenkostüm gebastelt und das Thema Gedicht nicht mehr erwähnt. Sei freundlich zu den Leuten, die du um Süßigkeiten bittest und keine Randale, wenn jemand nichts gibt.
Ach ja, und morgen reden wir auf jeden Fall über Martin Luther.

Autor: Katharina Mahrenholtz

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