Asperger Syndrom im Erwachsenenalter

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07.07.14
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Hallo an alle,

Ich würde gerne wissen wie ihr zurecht kommt mit dem Asperger Syndrom im Erwachsenenalter. Habt ihr sofort eine Arbeitsstelle gefunden? Habt ihr Kinder? Wie läuft es in der Partnerschaft?

Das sind alles Fragen über Fragen die ich habe. Ich würde gerne wissen,wie es anderen in meinem Alter ergeht und wo man sich gegebenenfalls noch Hilfe holen kann.

Ich selbst bin übrigens 27 Jahre alt und warte zur Zeit auf meine berufliche Rehamaßnahme. Ich habe lange Zeit in der Tourismusbranche gearbeitet bis ich schwer krank wurde (Ängste und Depressionen bekam). Die Diagnose Asperger Syndrom wurde bei mir erst sehr spät gestellt (Mitte der Ausbildung).
Nun nach mehrfachen Versuch in verschiedenen Reisebüros und Callcentern musste ich feststellen, dass ich in dieser Branche nicht bleiben kann.
Mir fiel es unter anderem schwer im Team zu arbeiten und den Kunden zum Buchen einer Reise bei bestimmten Reiseveranstaltern zu überreden. Ich kann leider kein SmallTalk führen.
Ich verstehe keine Ironie und kann nicht unter Zeitdruck arbeiten. Außerdem brauche ich eine Tagesstruktur.

Allerdings war ich schon immer gut in Geografie.
Ich und meine Eltern sind schon viel verreist.
So kannte ich mich in verschiedenen Ländern schon gut aus.
Ich dachte immer das man das Verkaufsgeschick während der Ausbildung schon lernen wird. Aber leider war dem nicht so. In einer Partnerschaft bin ich nun schon seit März 2013. Kinder habe ich allerdings noch keine. Was die Zukunft anbetrifft habe ich meist Angst vor den Erwartungen die an mich gestellt werden. Manchmal glaube ich, dass ich vielleicht nie einen passenden Beruf finden kann. Da jeder Chef irgendwo seine Ansprüche stellt. Meist so hoch, dass es schon fast nicht zu erreichen ist. Zu mindest habe ich immer das Gefühl, das dem so ist. Ob ich mit einem Kind überfordert wäre, denk ich auch manchmal. Wenn man bedenkt das man nicht nur auf das Kind ein paar Stunden mal aufpasst, sondern das den ganzen Tag, ist das schon heftig. Das Kind meiner Nichte ist sehr aufgeweckt. Ich mag den Kleinen. Nur fehlt mir meist die Konzentration nach 2 bis 3 Stunden auf ihn weiter aufpassen zu können. Dann spielt meist mein Freund mit ihm weiter.
Nun habe ich aber schon viel über mich erzählt. Nun bin ich gespannt was ihr so zu erzählen habt. :)
 
Das gibt es zwar bei uns, aber es findet nur einmal im Monat eine Stunde statt. Und da kann man sich nicht wirklich austauschen. Ich dachte das Forum hier ist dafür da sich gegenseitig zu helfen ohne, dass man Umwege gehen muss.
 
Hallo TinkerBell
Das ist ein Thema, was - zumindest für mich - nicht so einfach mit ein paar Zeilen zu beantworten ist, weil es eben ein sehr komplexes Thema ist.

Ich bin 47 Jahre, Autistin, und stehe auf eigenen Beinen, ohne Partner, zwei Söhne, die noch bei mir leben und voll berufstätig - irgendwie muss es ja funktionieren. Nur der Weg bis hierhin war all die 47 Jahre extrem steinig und schwer, mit vielen Krisen, und dennoch musste ich mich immer wieder hocharbeiten und habe dies auch immer wieder geschafft.
Im Laufe des Erwachsenenlebens habe ich an meinen (Kompensations-)Strategien gearbeitet, wie ich besser zurechtkommen kann. Und dennoch habe ich auch heute noch häufige Blockaden, die mich in bestimmten Situationen handlungsunfähig machen. Das können zum Teil ganz banale Alltagssituationen sein.

Mein unschätzbarer Vorteil ist wohl, dass ich naturgemäss ein sehr lebensbejahender Mensch bin, ich schätze mein Leben sehr, da es doch oft genug (aus gesundheitlichen Gründen) früher bedroht gewesen ist. Somit gerate ich auch nicht so leicht in depressive Phasen. Die gab es schon auch immer wieder mal, insbesondere als junge Erwachsene, als ich immer tiefer abgestürzt bin.

Die Arbeitsstellen war oftmals ein grosses Problem, es gab viele Zeiten mit Mobbing, ich bin auch zweimal gekündigt worden aufgrund des autistischen Verhaltens. Derzeit bin ich seit mehr als fünf Jahren bei meiner Arbeitsstelle und auch dort gab und gibt es immer wieder Krisen, mal mit dem Chef, mal mit einer bestimmten Mitarbeiterin. Ich stand oft vor der Frage, ob ich mir einen neuen Job suchen soll, habe mich dann aber nie dazu entschliessen können, aus Angst vor der Ungewissheit, denn es könnte am neuen Arbeitsplatz ja erneut zu ähnlichen Schwierigkeiten kommen, da sich meine autismusbedingten Schwierigkeiten ja nicht auflösen werden mit dem Arbeitsplatzwechsel. Also bin ich noch immer dort, ich versuche immer mein Bestes zu geben und ich versuche auch, manche Angriffe nicht zu sehr persönlich zu nehmen, was nicht immer so einfach ist, aber ich bin ja auf den Job angewiesen.

Ich kenne übrigens autistische Mütter, die vier Kinder haben - ich wäre vollkommen überfordert damit gewesen. Ich selbst habe nur zwei Kinder, diese Kinder haben mich sehr vieles gelehrt. Nur über die Kinder ist es mir gelungen, für mich selbst Tagesstruktur zu entwickeln, auf regelmässige Ernährung zu achten uvm., wozu ich zuvor absolut nicht in der Lage gewesen bin. Aber ich bin sehr häufig an meine Grenzen der möglichen Belastungsfähigkeit geraten und oft darüber hinausgehend, da ich keine Unterstützung erhalten hatte.

Nun ende ich hier erstmal mit dem langen Monolog, ich weiss gar nicht, ob ich dir jetzt deine Fragen beantworten konnte.
LG Annette
 
Hallo Annette,

danke, dass du geschrieben hast. Einiges hast du mir schon beantworten können. Schön finde ich, dass du zwei Kinder hast. Denn von einigen hört man ja immer, dass man das als Aspie garnicht so schaffen würde. Ich bin mittlerweile an einem Punkt angelangt, wo man nicht so recht weiß, wie geht es in der Zukunft weiter. Werde ich einen Job finden der mir Spaß macht und der mir liegt. Kann ich genauso wie alle anderen Mütter ein Kind erziehen. Das sind alles Fragen die man sich stellt, wenn man im Leben immer wieder mal aneckt. Anderer Seits bin ich fürsorglich, habe eine enorme Willenskraft und Durchsetzungsvermögen. Man muss Ziele im Leben haben und auch, wenn diese nur mit Umwegen erreichbar sind werde ich diese meistern. Darf ich fragen was du beruflich machst und wann die Diagnose bei dir gestellt wurde?
 
Wie gesagt, ich kenne (respektive weiss von vielen, wenn ich sie auch nicht persönlich kenne) viele autistische Mütter, etliche auch mit mehr als zwei Kindern.
Und ich kenne nicht autistische Frauen, die keinesfalls ein Kind bekommen wollen.
Elternsein schliesst weder das eine noch das andere aus. Überfordert sein kann letztlich jeder mit der Verantwortung, die da auf einen als Eltern zukommt.

Für mich war es zum Teil sehr schwierig, weil ich auch nicht auf helfende Menschen zurückgreifen konnte in schwierigen Situationen. Ich bin selbst autistisch und habe einen autistischen Sohn und der andere Sohn war lange krank als Kind, ich musste zudem immer noch Geld verdienen, damit wir leben konnten, musste Betreungspersonen finden, die mit meinem Kind zurechtkamen usw.
Und dennoch, würde ich es wohl immer wieder so machen wollen, ich bereue es nicht Mutter zu sein, ganz im Gegenteil.
Ich bin früher kaum mit mir selbst zurechtgekommen, da wäre es für mich auch undenkbar gewesen Kinder zu bekommen. Dann hatte ich aber auch einen Partner an meiner Seite, der mich anfangs unterstützte, wenn auch eher unbewusst.

ups abgeschickt, war noch gar nicht fertig...
 
...also weiter im Text, sorry...

Zur Zeit meines Kinderwunsches hatte ich das grosse Glück eine tolle Arbeitsstelle zu haben. Ich war psychisch stabil und ausgeglichen, ich war belastbar und mir ging es auch gesundheitlich wieder gut. Somit habe ich es mir auch zugetraut Mutter zu werden.

Und das finde ich sehr wichtig. Man muss sich selbst ehrlich einschätzen können. Wie ist das Umfeld, wie würde der Partner mithelfen und unterstützen usw. Unvorhergesehenes kann immer wieder geschehen, das ist schon klar, insbesondere in Bezug auf Kinder. Und es kann auch immer wieder zu Einbrüchen kommen, auch wenn man zuvor sehr stabil war, auch das ist nicht vorhersehbar. Aber wenn ich vor dem Kinderwunsch schon selbst so sehr angeschlagen bin, dann wird die Belastung mit Kind schätzungsweise noch grösser werden, es ist nunmal eine riesige Verantwortung die man da trägt.

Den Rest beantworte ich nachher...
 
Sorry für den Unterbruch des Postings...

Ich habe als Kind bereits eine Autismus-Diagnose in Verbindung mit Mutismus erhalten, dann erneut mit 21 Jahren die Autismus-Diagnose.

Anderer Seits bin ich fürsorglich, habe eine enorme Willenskraft und Durchsetzungsvermögen. Man muss Ziele im Leben haben und auch, wenn diese nur mit Umwegen erreichbar sind werde ich diese meistern.

Das ist eine tolle Einstellung.
Ich hatte bisher auch immer die feste Überzeugung, dass es immer irgendwie weitergehen wird, auch wenn es zu manchen Zeiten ausweglos scheint.

Beruflich bin ich im Büro tätig, aber in Verbindung mit medizinischen Tätigkeiten und so kann ich es einigermassen ertragen. Schwierig sind für mich die Telefonate und die häufige Unruhe sowie der Geräuschpegel (Telefon, sprechende Patienten, Kollegen, Drucker), die ständigen Unterbrüche während eines Arbeitsvorgangs, ich kann praktisch nie eine Arbeit mal in Ruhe von Anfang bis Ende durchführen und das stresst mich sehr, weil ich immer wieder wie aus dem Konzept komme, den "roten Faden" verliere. Es ist keinesfalls ein idealer Beruf für mich, weil es viel zu viel Kommunikation erfordert und ich diesbezüglich doch sehr gehandicapt bin.
 
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