Anfangsgründe. Poems von Windpferd

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Windpferd

Guten Tag!

In diesem Thread werde ich in lockerer Folge einige meiner Poems einstellen.

"Poems" - das Wort "Gedichte" ist mir nach Goethe, Hölderlin, Rilke, Celan . . . allzusehr mit Würde beladen, zu heilig. Andere Sprachen sind nicht so schrecklich ernst.

Wer Lust hat, ist herzlich eingeladen, sich zu äußern. Mich persönlich interessieren vor allem "primäre" Reaktionen - Empfindungen, die man hat, ehe man nachdenkt. Die sind in aller Regel einfach und klar - Verwunderung, Lächeln, Langeweile, Zuneigung, Abscheu, Neugier, Abwendung usw. usw.

Manche Poems kann man gewiß verbessern. (Manchmal läuft das auf Kürzen hinaus.) Das fände ich sehr gut.

Natürlich kann man auch literaturwissenschaftliche Überlegungen anstellen. Die tendieren m.W. zur Langeweile, leider.

Euere eigenen Poems / Gedichte sollten - so wünsch ich mir - eher in anderen Threads ihren Ort finden.

Was m.E. nicht viel bringt: einem Poem mit Argumenten zu Leibe zu rücken. Beispiel: Ich glaube etwa gar nicht, daß ich vor der Empfängnis schon einmal auf der Welt war. Aber wenn Goethe an Charlotte von Stein schreibt: "Sag', was will das Schicksal uns bereiten? / Sag', wie band es uns so fein, genau? / Ach, du warst vor abgelebten Zeiten / meine Schwester oder meine Frau", - dann berührt, bewegt mich das (öffnet etwas in mir?), unabhängig von meiner philosophischen Überzeugung. Poesie hat ihre eigene Wahrheit - eine andere als Theologie, Philosophie, Mathematik, Geschichtsschreibung, Kunst-, Natur- und Humanwissenschaften. Auch ihre eigene Logik. Sozusagen ihr Reservat, ihren legitimen Teil unseres bodymindspirit.

Schließlich: Schon lange brauchen Poems nicht mehr gereimt zu sein. (Ich persönlich mag und kann nicht reimen.) Sie brauchen auch kein fixes Metrum mehr zu haben. Und sie können jede Länge haben. In der Regel mindestens zwei Zeilen. Woran man dann ein Poem überhaupt erkennt? Das wüßte ich selber gern. Aber man erkennt's irgendwie.

Also: viel Vergnügen!

Herzlich
Windpferd
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wenn du lang genug geschwiegen hast
wirst du das Wort finden
das vielleicht
einer hört.
 
Lern ich
wider Erwarten
noch sprechen

unzynisch und nicht ins Leere
und nicht in Hinblick auf den Tod

große
runde
Wörter

die wirklich
einer auffängt?
 
Mein Land ist unregierbar geworden, mein Herz
hat sich emanzipiert von mir, es lacht
mich aus, und ziemlich entmachtet
geb ich ihm, was es gerade braucht, Schreibzeug,
Auto, Telefon,
Augen, Hand -

Es wird schon wissen
wozu.
 
Hallo Windpferd:)

Poem von Windpferd klingt gut und zeigt einmal eine andere Seite von dir.
Vielleicht gelingt es uns dadurch,etwas von deinem Inneren zu erkennen,mit meinen Worten ausgedrückt,zu erwischen.
Ein Austausch ist immer gut und primäre Gedanken von dir erwünscht.Na da fühle ich mich wohl,sind sie doch spontan und ehrlich.
Aber was ist,wenn etwas nicht gefällt und man es sagt?Beißt du dann um dich,weil du verletzt bist?

Von deinen jetzigen Poems spricht mich sofort das erste Gedicht an.

Ich bin gespannt auf weitere!:bang:

Liebe Grüße von Wildaster
 
Hi Wildaster,

"Aber was ist,wenn etwas nicht gefällt und man es sagt? Beißt du dann um dich,weil du verletzt bist?"

Nein; das gehört zu den elementaren Regeln. Nie reagiert ein Produzierender auf Kritik. Er macht auch keine (sichtbaren) Luftsprünge, wenn er gelobt wird.

Außerdem ist der Schreiber ja nicht identisch mit seinem Geschreibsel. Zum Glück nicht.

Das Windpferd grast dann einfach weiter. Und äpfelt gelegentlich. Das schon.

Grüezi
Windpferd
 
Liegend im Kahn.
Der Bug zeichnet eine Linie an den Berghang
die schnell vergeht.
Leerer Himmel.

Der Kahn weiß wohin.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das Eis gebrochen.
Wir sinken schnell.
Kein Grund.

Hier sind wir seit je
zuhaus.​
 
Du
und ich
gleichzeitig jetzt
in all den Jahrtrillionen:

Nichts
kein Wissen, keine Weisheit,
keine Wahrsagung, nichts
will ich kennen
erkennen


als dieses gleichzeitige Jetzt
dieses Und.
 
an so vielen
unendlich
dünnen
fäden
nach
ein
ander

doch keiner riß
und wir atmen
und sehn noch das licht​
 
Liegend im Kahn......leerer Himmel:mad:

Vielleicht- wunderschöner,stiller,Wolkengestalten,tröstender, hüllt uns ein,der Himmel ist uns überall gleich nah......
Dann Windpferd,weiß der Kahn wohin!

Der Himmel hat die Erde leicht geküsst.:bang:

Herzlichst Wildaster,die über den leeren Himmel stolperte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Wildaster,

"Liegend im Kahn......leerer Himmel:mad:

Vielleicht- wunderschöner,stiller,Wolkengestalten,tröstender, hüllt uns ein,der Himmel ist uns überall gleich nah......
Dann Windpferd,weiß der Kahn wohin!

Der Himmel hat die Erde leicht geküsst.:bang:

Herzlichst Wildaster,die über den leeren Himmel stolperte.


Hab vielen Dank für Deine Mühe. Ja, so ist die Arbeit, wenn man mir einem Poem nicht ganz zufrieden ist.

Man tapert leicht in Worte, die definitiv schon besetzt sind. "Wandelt auch rasch sich die Welt / wie Wolkengestalten, / alles Vollendete fällt / heim zum Uralten" (Rilke). "Es war als hätt' der Himmel / die Erde still geküßt" (Eichendorff / Schumann; das schönste aller Lieder, zum Weinen schön.). Fehlte bloß noch Schiller: "Brüder, überm Sternenzelte muß ein guter Vater wohnen". Da kann man sich nur verneigen - und verstummen.

Und man weiß nie, ob die ursprüngliche Fassung wirklich besser ist, oder ob man sie bloß rechthaberisch verteidigt. Man kann sich nur jedes alternative Wort langsam auf der Zunge zergehen lassen.

Ich glaub, zu verstehen: Du suchst das Positive? "Wunderschöner" - zu heavy, zu viele Silben. "Stiller" - damit könnte ich mich anfreunden, wär's nicht so nah an "gestillt". "Tröstender" - ach, verkleinert Trost nicht den Raum? Eine Ent-täuschung gehört wohl zum Text.

Auch wurzeln ja manche (oder alle Poems) in einer Lebenssituation. In dieser wurde mir mein katholischer Glaube zunehmend fremd (der Himmel wurde "leer") und der Kahn (nicht das "lyrische Ich") wußte doch. Eine andere Praxis (in der - immer mißverstanden - "Leerheit" eine zentrale Rolle spielt) hatte sich noch nicht erschlossen.

(Das "lyrische Ich", eine kluge Erfindung der Literaturwissenschaftler. Es ist schon persönlich, aber nicht - wie das gewöhnliche Ich - privat. Auch der Icherzähler, das "epische Ich" eines Romans ist eine Erfindung, eine Rolle - nicht identisch mit dem Schreibendem.)

Aber, vielleicht als Entschädigung, weil wir mal beim Himmel sind:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
MONEMVASSIA

Himmelsdreieck
in der Öffnung des Zelts

Hummeln im dürren Gras

der Geruch von Meerwind

und die Frage, was du zum Frühstück willst.​
 
Hallo Windpferd,

es war eine primäre Reaktion,ohne Mühe.
Egal in was für einen Zusammenhang du dein Poem siehst,es gibt keinen leeren Himmel.

Das letzte nie erlebt und weckt die Sehnsucht nach Jugend,mit ihrer Leichtigkeit und Unbeschwertheit.

Herzlichst Wildaster
 
DIE ERBEN
BEI DER DURCHSICHT MEINER HINTERLASSENSCHAFT

Da schau: gedichtet
hat er anscheinend auch.

Ja du,
ein schwieriger Mensch war er schon.
 
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Mein ältestes Buch sagt
Dauer
Gelingen
kein Makel.

Das Sanfte ruht
in erregter Bewegung.

Der Weg des Mannes und der Frau darf nicht anders
als langwährend sein, die Berufenen bleiben
dauernd in ihrer Bahn und die Welt
gestaltet sich zur Vollendung
um.

So sagt mein ältestes Buch.

(Der Text, gekürzt und nur wenig verändert, entlehnt aus dem Zeichen Nr. 32: "Die Dauer" des I Ging, eines uralten, chinesischen Weisheits- und Orakelbuchs, das "rechtem Handeln" gilt, vor allem in Familie und Gesellschaft. In der klassischen Übersetzung von Richard Wilhelm. Rechts oben das zugehörige der 2 hoch 6 = 64 Hexagramme, aus denen sich nach sehr komplizierten Regeln die Bedeutung der Zeichen ableiten läßt.)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sommeranfang. Welch ein Versprechen. Doch schon
die Tageszeit schwindend, ein Hauch von Abschied
über den Farben des Walds
Nebel
und beklommen fragt sich das Herz.

Es ruht aber fraglos das Herz im Herzen.
Alterslos unverzweifelt heiter
verweilt's.​

(Das "Herz im Herzen" - entlehnt von Hugo von Hofmannsthal, "Ariadne auf Naxos": "Ans Herz im Herzen greift's.")
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Mein ältestes Buch sagt
Dauer
Gelingen
kein Makel.

Das Sanfte ruht
in erregter Bewegung.

Der Weg des Mannes und der Frau darf nicht anders
als langwährend sein, die Berufenen bleiben
dauernd in ihrer Bahn und die Welt
gestaltet sich zur Vollendung
um.

So sagt mein ältestes Buch.

(Der Text, gekürzt und nur wenig verändert, entlehnt aus dem Zeichen Nr. 32: "Die Dauer" des I Ging, eines uralten, chinesischen Weisheits- und Orakelbuchs, das "rechtem Handeln" gilt, vor allem in Familie und Gesellschaft. In der klassischen Übersetzung von Richard Wilhelm. Rechts oben das zugehörige der 2 hoch 6 = 64 Hexagramme, aus denen sich nach sehr komplizierten Regeln die Bedeutung der Zeichen ableiten läßt.)

Lieb Windpferd,
ein wunderschönes ältestes Buch.
Vor allem: "Das Sanfte ruht in erregter Bewegung."
Das löst eine innere Ruhe aus beim langsamen Lesen der Zeilen... welche Lebensweisheit.

Danke für diesen Deinen Thread.

alles Liebe
flower4O
 
Liegend im Kahn.
Der Bug zeichnet eine Linie an den Berghang
die schnell vergeht.
Leerer Himmel.

Der Kahn weiß wohin.

Lieb Windpferd,
"Leerer Himmel"
Das löst Erstaunen aus und einen eher fragenden Blick. Der Himmel hat Farbe
und je nach Wettersituation Farben, die vorüberziehn.

alles Liebe
flower4O
 

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