Hallo hübi,
hast Du zu Hause mal Deine Lichtverhältnisse überprüft? Zur Zeit warte ich dringend drauf, dass jemand mal die 14 Euro für eine Vollspektrumlampe investiert, um meine Erfahrungen zu kontrollieren.
Um Deine Verunsicherung zu beenden: natürlich braucht jemand mit HPU B6 und Zink, und wenn es Dein Sohn verträgt, dann rein damit. Obwohl ich immer noch eine Abneigung gegen Therapeuten habe, würde ich beim Dr. Kamsteeg eine Ausnahme machen, der Mann scheint Ahnung zu haben und seine Empfehlungen sind auf alle Fälle einen Versuch wert, Versuch meint mal ein bis zwei Jahre ausprobieren.
Normalerweise ist Dein Sohn auch nicht in Gefahr, in eine Psychose zu geraten, da gehört noch einiges anderes dazu.
Bei mir ist einiges im Leben vorgefallen, dass es schlimmer gemacht hat. Da einige (für mich unverständlich) solche Geschichten gerne lesen, schreibe ich mal was auf, aber hier nur für Dich, da ich die Asperger-Diagnose für eine Notlösung halte, dass Du das abgleichen kannst.
Ich war eine Frühgeburt, meine Mutter hatte Rasen gemäht, als die Wehen anfingen. Gleich nach der Geburt kam ich in den Brutkasten und bekam Gelbsucht, lag da wie eine quietschgelbe Zitrone, als meine Oma mütterlicherseits mich in dem Zustand sah, erklärte sie, dass das nicht ihr Enkel wäre, die Ärzte wechselten erst mal das Blut. Als nächstes füllte mir eine dusslige Krankenschwester die Milch per Infusion nicht in den Magen, sondern in die Lunge, da wäre ich fast dran gestorben; glücklicherweise hatte meine Mutter immer fleißig abgepumpt und die Milch in die Klinik gebracht, da konnte meine Lunge die Milch absorbieren, körperfremde Kunstmilch hätte zu einer allergischen Reaktion geführt, ich war das erste Kind in der Klinik, das so was überlebt hat.
Mit einem Jahr konnte ich fließend sprechen, mit zwei Jahren habe ich mich zum Entsetzen meiner Mutter in die Küchenecke gesetzt und die Zeit bis zum Schuleintritt damit verbracht, Daumen zu lutschen und vor mich hinzuwimmern. Nachdem die Hilfsschule umschifft war (da ich mit der Ärztin bei der Schuleingangsuntersuchung kein Wort redete), fand ich die Lösung: das Lesen.
Von da an ging es aufwärts. Ich habe in der Woche immer 5 Bücher gelesen (Bibliothekarin: Versteht der Kleine dass denn eigentlich?), ich wollte nicht verstehen, sondern mich rein versenken. Der schlimmste Augenblick war immer, wenn ich das Buch wieder zumachen musste und wieder in der bedrückenden Realität war.
Mit 14 las ich "Haben oder Sein" von Fromm und es machte schnapp und ich begann selbstständig zu denken, da hatte ich zwei schöne Jahre, bis 16, dann verguckte ich mich in meine Partnerin bei der Tanzschule und es machte wieder "Schnapp" und mein Gefühl war weg. Einfach weg. Da war nichts mehr, und der ganze Rest ist eigentlich die Auseinandersetzung mit diesem "Nichts". Die Psychose kam hauptsächlich dadurch, dass ich mit Hilfe von Alkohol versucht habe, mein "verklemmtes" Gefühl zu lösen.
Jetzt gehe mal zum Arzt und sage: Herr Doktor, ich habe nichts. Der schickt dich doch wieder heim.
Jetzt kannst Du mal für Dich abgleichen, wies bei Deinem Sohn ist, ich glaube nicht so schlimm. Übrigens bitte keine persönlichen Sachen über Deinen Sohn schreiben, das wäre eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte.
Jedenfalls war das Unangenehmste an diesem Nichts, dass man in diesem Zustand zwar noch einwandfrei denken kann, aber unfähig ist, eine Beziehung zu einem andersgeschlechtlichen Sexualpartner einzugehen, mehr noch, jedesmal, wenn ich mit Ach und Krach eine Beziehung zu einem Mädchen eingegangen bin, bekam ich schwarze Wolken im Kopf. Es wundert mich bis heute, warum ich nicht schwul geworden bin, das wäre die Lösung gewesen. Es wäre alle nicht so schlimm gekommen, hätte ich mich damit abgefunden, dass Leben lang alleine zu bleiben und meine Befriedigung aus der Intellektualität zu ziehen.
Das heißt also: man hat als "Aspie" eigentlich keine Probleme, solange man nicht versucht, eine Beziehung einzugehen, oder gar eine Familie zu gründen. Für eine Frau ist es andererseits eine Qual, sich in einen Aspie zu verlieben, weil man an die vom Gefühl her schlecht rankommt. Früher, zu meinen Zeiten und in der DDR, war das anders, aber heute, da die Hälfte der Bevölkerung aus kinderlosen Singles besteht, verschwimmt der Unterschied zwischen Aspie und Nicht-Aspie. Unsere Bundeskanzlerin, Frau Merkel, geht doch astrein als Aspie durch.
Das heißt, die Frage ist, was Du/Dein Sohn willst? Soll er Mathematik oder Physik studieren, das kann er auch ohne B6 und Zink (jetzt mal von der Akne abgesehen). Soll er mal eine Familie gründen und Du willst Enkel sehen? Dann hast Du ganz schlechte Karten, obwohl nicht unmöglich.
Wenn man also keine Familie gründen will und alleine bleiben, dann weiß ich wirklich nicht, was das Schlimme daran sein soll, ein "Aspie" zu sein. Man hat keine Verantwortung für niemanden und kann doch machen, was man will. Meine Mutter wollte von mir, dass ich Mathematik studiere und den Doktor mache und gleichzeitig eine Partnerschaft eingehe und ihr Enkel schenke, und das geht nicht. Nicht Beides und nicht als Mann. Ent- oder weder.
Ich habe mich für das Schwierigere entschieden: die Kinder. Der Mathedoktor wäre einfacher gewesen.