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Durch die Tumorerkrankung einer nahestehenden Person wurde ich konfrontiert mit Neuroleptikagaben in der Krebs- und Schmerzbehandlung.

Die Person war tagelang nicht mehr ansprechbar, weil Ihr ohne Kommunikation und Einwilligung Haldol verabreicht wurde. Seit sie alles weg kippt, was Haldoltropfen sein könnten, ist sie wieder ansprechbar und kann alleine zur Toilette gehen.

Ich halte das für Körperverletzung.
Haldol gegen Schmerzen und gegen Übelkeit und Quetiapin als Schlafmittel ist off-lable-use.

Gibt es hier andere Menschen die so was bei sich oder bei Angehörigen erleben mußten?
 
Neuroleptika in der Onkologie, insb. palliativ

Gibt es hier andere Menschen die so was bei sich oder bei Angehörigen erleben mußten?
Ja, Zorro. Eine nahestehende, ebenfalls an Krebs erkrankte Person bekam dies einige Tage vor ihrem Tod. Ebenfalls ohne Absprache mit der Person selbst oder den Vorsorge-Bevollmächtigten. Von da an wurde ihre vorher nur punktuell auftretende "Desorientierung" (sie fragte z.B. plötzlich, ob noch jemand im Raum sei) deutlich signifikanter. Verordnet wurde wohl gegen Übelkeit. Diese war allerdings meines Wissens schon durch andere Medikamente wirksam unter Kontrolle.

Ich kann nicht mit Sicherheit den Kausalzusammenhang herstellen, da zu der Zeit der Stoffwechsel dieser Person insgesamt schon sichtlich nicht mehr funktionierte (Sterbephase i.e.S.). Von daher ist Dein Bericht für mich wertvoll, denn...

... leider war kürzlich Haldol wieder bei einer nahestehenden Person mit fortgeschrittener Krebserkrankung im Gespräch - gegen Dauer-Brechreiz, der sich durch andere bislang probierte Maßnahmen kaum lindern ließ. Die nach einem KH-Aufenthalt darauf angesprochene Hausärztin reagierte allerdings sehr verhalten auf den Vorschlag - was ich ihr irgendwie ("gefühlsmäßig") hoch anrechne.

Es wird jetzt ein SAPV eingebunden - ich hoffe nur, dass die nicht auch dieses Konzept fahren wollen.

Nach meiner damaligen Recherche wird Haldol in der Palliativ(!)-Medizin gegen - ansonsten nicht behandelbare(!) - Übelkeit sehr gering dosiert eingesetzt. Und ist bei dieser engen Indikation auch - trotz wie Du sagst Off-Label-Use - wohl üblich.

Anmerkung: Aus meiner Sicht ist eine palliative Situation - vor allem, wenn das Lebensende schon direkt absehbar ist - eine absolute Sondersituation. Bspw. Langzeitnebenwirkungen sind hier völlig irrelevant. Auch gibt es - wohl insbesondere bei Krebskranken - Symptome, die ein dermaßen unerträgliches Ausmaß erreichen, dass Menschen sogar manchmal künstlich ins Koma versetzt werden. Von Menschen, die ein Koma er- und überlebt haben, hörte ich allerdings auch schon, dass dies eine äußerst traumatische Erfahrung war (und in diesem Sinne keine Symptomfreiheit bedeutet). Hier könnte evtl. ein Neuroleptikum das geringere Übel sein, wenn es denn wie gewünscht wirkt und Wirkung/Nebenwirkung in einem akzeptablen Verhältnis stehen (worüber die Betroffenen leider u.U. nicht mehr selbst Auskunft geben können). Welche "Evidenzen" dafür vorliegen, weiß ich nicht. Ob es nun gerade Haldol sein muss, wäre eine weitere Frage.

Übrigens hörte ich schon ab und zu mal von Off-Label-Use dieser Art Medikamente, auch hier im Forum - so erschreckend einem das auch erscheinen mag. Aber selbst beim "On-Label-Use" i.e.S. (Psychosen) kann man wohl infrage stellen, ob dies (immer) sinnvoll und alternativlos ist.

Mit Gruß
Kate
 
Zuletzt bearbeitet:
Haldol wurde hier meinem Partner ohne jede Absprache sogar nach seinem Herzinfarkt auf der Intensivstation verabreicht.

Da habe ich ihn dann unter Polizeiandrohung nach vier Tagen raus und nach Hause geholt.

Das ist absolut unverantwortlich, arrogant, herablassend und unwürdig, wer das Dreckszeug einsetzt, sollte wirklich selber mal damit abgefüllt werden, 1 Tropfen zu jeder Mahlzeit reicht völlig aus.

"Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg auch keinem andern zu!"

Den Mist setzen sie absolut unbekümmert und völlig hemmungslos ein, aber beim sanften und vor allem schmerzlindernden THC tun sie sich extrem schwer dem Menschen einen sanften, friedlichen, bewussten und würdevollen Abschied zu ermöglichen.

Und das schimpft sich dann moderne Medizin!

Liebe Grüße Tarajal :)
 
Das Zeug wird auch als KO Tropfen verwendet.
Psychiatriepatienten können schon bei einmaliger Anwendung bleibende Schäden davon tragen.
Der Nachweis einer antipsychotischen oder antischizophrenen Hauptwirkung fehlt.
Die offenbar erwünschte Hauptnebenwirkung ist Müdigkeit und Lethargie, um aufmüpfige Patienten ruhig zu stellen.
Nur warum sollen schwer kranke Krebs- oder Intensivpatienten zusätzlich damit gequält werden?

Danke Tarajal für die Referenzdosierung. Eine Krankenschwester wollte mir einreden, daß 3 Tropfen eine niedrige Dosierung wären.

Danke Kate für Deine Rückmeldung.

Es geht mir schon etwas besser, wenn ich mitbekomme, daß ich nicht der einzige bin, der sich wundert oder aufregt.
 
Nebenwirkung Tod

Was Peter Lehmann schon 1986 im Buch "Der chemische Knebel" publiziert hat, dämmert 26 Jahre später sogar Schulmedizinern:
Deutsches Ärzteblatt: Demenz: Haloperidol gefährlicher als andere Neuroleptika?
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49262
"... Der Einsatz von Neuroleptika ist bei Demenzpatienten mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Die Gefahr könnte bei Haloperidol größer sein als bei anderen Neuroleptika, wenn man den Ergebnissen einer Kohortenstudie im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2012; 344: e977) folgt. ..."
 
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