Eigene Geschichten und Geschichten von Geschichten

  • Themenstarter Anuka
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Lieber Michel,

es handelt sich doch nur um eine Geschichte. Ich schreibe die immer einfach so heraus aus mir. Das hatte ich ja schon geschrieben. Du mußt Dir also keinerlei Gedanken um mich machen. Aber vielen Dank für Dein Mitgefühl, wem auch immer es gilt, denn es gibt immer Menschen, die benötigen es.

Ich weiß nicht, ob ich an irgendeine Ewigkeit glaube. Ich weiß es einfach nicht. Deshalb lasse ich mich wohl einfach überraschen.

Engel aber scheint es zu geben. Manche nennen es auch Glück oder Schicksal. Ich nenne es Engel.

Ich wünsche Dir einen sehr liebevollen Engel, einen, der gut über Dich wacht.

Herzliche Grüße
Anuka
 
Legende

Gestern noch schien die Sonne und verbreitete ein sanftes Licht über die Flächen aus. Nun war es schon soweit, dass früh morgens ein Hauch von Zucker an den verdorrten kargen Moosen klebte. Gnädig hielt der Winter Einzug über der Ebene. Bald würde es schneien, das schien fast sicher. Ein früher Winter wird es dieses Jahr und ein kalter dazu, so sagten die Alten. Sie spürten es in ihren Knochen, die schon so viele Winter erlebt hatten.

Hier war es nicht üblich, die Alten auszusetzen und auf eine Eisscholle verhungern zu lassen. Man schleppte sie mit und teilte mit ihnen das Wenige, was da war. Lieber gemeinsam zugrunde gehen, als einen Teil der Gemeinschaft zu verstoßen, so hieß die Regel. Die Alten waren selbst oft bekümmert, wenn sie mit ansahen, wie die kleinen Kinder zusammenschrumpften unter dem Hunger. Viele sparten heimlich ihre Rationen und fütterten die Kleinen ungesehen damit.

Nein, sie brauchten nicht mehr viel und sie hingen auch nicht mehr am Leben. Aber es war gut zu sehen, dass eine neue Generation heranwuchs und ihr Lachen machte sie glücklich. Was aber ist, wenn die Kinder nicht mehr lachen können? Was passiert, wenn niemand mehr da ist, der sie nährt, sie umarmt und ihnen Geschichten erzählt? Was, wenn niemand sie tröstet und ihnen Mut macht, ihnen die Überlebensregeln vermittelt und sie lehrt, stolz auf sich und ihre Geschichte zu sein?

Wie gut es war, wenn neue Nahrung gefunden wurde. Welch ein Fest es war und wie die Augen aller Mitglieder der kleinen Gemeinschaft glänzten. Von der Natur zu nehmen, das was sie bietet ohne vorsorgen zu können, das war schon seit jeher ihr Schicksal gewesen. In der Unwirtlichkeit ihrer Lebensräume war ein Überleben anders nicht möglich.

Die Geschichten der Ahnen aber sprachen von einem Land, wo das Meer golden in der Sonne wogte, ganz genauso wie das graue Meer im Sommer. Sie sprachen von einem Meer, dass nicht nass und kalt war, sondern trocken und warm, dass begehbar war, sich unter ihren Schritten teilte und in jeder Welle Reichtum verbarg. Reichtum, der essbar waren und nahrhaft, der gesammelt werden konnte und aufbewahrt und als Vorrat in der kalten Zeit zur Verfügung stand. Sie träumten alle immer wieder von diesem essbaren Meer.

Doch es gab keinen, der in diesen Geschichten Wahrheit erkannte. Es handelte sich doch nur um Legenden und sie sollten sicher etwas ganz anderes bedeuten. Was soll es bedeuten, wenn ein Meer eßbar ist, fragten die größeren Kinder? Es bedeutet, dass das Meer das Leben ist, antworteten die Alten. Es ist das Leben und deshalb ehren wir es. Wir nehmen, was es uns gibt und danken dafür.

Was bedeutet des Wort "Brot", fragte ein sehr kleines Kind. Na das ist ja wohl einfach, gab ein älteres etwas hochnäsig zurück. Es bedeutet rot, es wurde früher anders ausgesprochen. Siehst du die rote Sonne aufgehen, dankst Du dafür, dass sie wieder erscheint und uns Licht gibt. Wenn sie untergeht, dankst Du dafür, dass sie uns Licht gegeben hat. Und die Tage, an denen wir das täglich erleben, sind die Tage des Wechsels. Im Wechsel liegt die Weisheit. Ohne ihn könnten wir nie Dankbarkeit erleben. Ohne Dankbarkeit wären wir keine Menschen.

Ja, das hast Du gut gelernt, bekräftigte die Älteste. Du bist ein kluges Kind und ich bin stolz auf Dich. In der Dankbarkeit und in der Freude erweisen wir dem Leben Ehre. Nur so können wir aufrecht in ihm stehen mit den Füssen auf der Erde und mit dem Kopf in den Sternen und mit den Händen können wir uns halten und begreifen.
 
Überleben
I

Der kleine Vogel hüpfte auf einen höher liegenden Ast und lächelte innerlich. Er hatte es wieder mal geschaft, der Katze zu entkommen. -so flinkt war er geworden. So wendig, dass keine Katze es mit seiner Schnelligkeit aufnehmen konnte. Mochten die anderen fliegen, mochten sie in den höchsten Bäumen leben. Er konnte es ebenfalls mit dem Leben aufnehmen. Er war nicht schlechter als sie.

Warum nur konnte er nicht fliegen? Seine Geschwister hatten es gelernt, sie standen am Rand des Nestes, ließen sich fallen - und schwebten. Er aber war heruntergefallen wie ein Stein, abgebremst nur von den dichtgewachsenen Blättern des Strauches unter ihm. Wie gut, dass sich darunter vermodertes Laub angesammelt hatte.

Es war ihm nichts weiter passiert, nur ein Beinchen tat ihn etwas weh. Aber er war verloren, denn niemand sah ihn, niemand fütterte ihn, wärmte ihn oder sang ihm ein Schlaflied. Seine Mutter war nicht wiedergekommen. Der Vater war schon vorher verschollen. Die Geschwister waren ausgeflogen, auch sie mehr schlecht als recht, aber sie hatten es geschafft.

Aber er hatte überlebt, lernte seine Nahrung selber zu suchen, lernte sich zu verstecken und lernte bald, sehr schnell zu sein. Seine seitlichen Federn halfen ihm, ein wenig Höhe zu gewinnen, wenn es seine Muskeln sehr schnell bewegte. So wurde er damit und mit den Beinchen sehr schnell.

Er hüpfte auf den nächsten Ast. Noch ein Stückchen höher und noch ein Stückchen, dann waren die Äste dünner, jetzt noch auf ein paar Zweige und er saß auf der Zinne seinr Burg. Unerreichbar für schwerere Tiere. Zufrieden kuschelte er sich in sich selbst und machte die Augen zu. Gute Nacht.
 
Überleben
II


Ein Uhu lebte am Ende des Waldes in einer kleinen Höhle. Er litt ein wenig unter einer alten Verletzung, die er sich in einer Falle zugezogen hatte. Er hatte sich seinem Leiden freilich gut angepasst. Wohl konnte er nicht so ausdauernd hinter seiner Beute herjagen, doch seine angeboren Fähigkeit zur List hatte er mit den Eigenschaften der Nachbarskatze kombiniert. Er hatte ja Zeit genug, sie in aller Ruhe zu beobachten. Wie sie so scheinbar desinteressiert in der Sonne lag, nur ein Auge ein ganz klein wenig geöffnet, so vollkommen sanft und harmlos daliegend, schoss sie blitzschnell ihre Krallen aus, wenn ein nichtsahnendes naives Opfer in ihre Nähe kam.

Nun hatte er leider keine ausfahrbaren Krallen zur Verfügung. Er lernte noch zusätzlich zur Geduld und scheinbaren Schläfrigkeit eine weitere Eigenschaft, diesmal von einer Schlange, die sich oft in seiner Nähe aufhielt. Ebenso reglos wie die Katze, ja beinahe versteinert oder holzähnlich, verschmolz sie perfekt mit dem Waldboden. Sie schnellte mit dem ganzen Kopf und mit dem ganzen Körper vor, wenn sie eine Beute wahrnahm.

Der Uhu wurde zur Katze und zur Schlange. Er hockte reglos und verschmolz mit dem Waldboden. Näherte sich ein Beutetier bewegte er sich in Sekundenschnelle und packte zu. So konnte er sich gut ernähren, ohne sich über Gebühr bewegen zu müssen. Dumme Kleintiere gab es genügend und sein Bäuchlein war immer wohlgefüllt.

Ein unscheinbarer Vogel ärgerte ihn jedoch. Diese Tier, offenbar eine Mutation, konnte nicht fliegen, glich dies jedoch durch seine Hüpf- und Flatterbewegungen so vortrefflich aus, dass er es nie erwischte, so sehr er sich auch tot stellte, so sehr er auch in den Waldfarben seiner Umgebung verschwand. “Diese Missgeburt ist schwach und unfähig”, krächzte er. “Und doch entwischt sie mir jedes Mal. Wahrscheinlich schmeckt sie nicht einmal gut, aber es bringt mich zu Weißglut, dass ich sie nicht packen kann.”

Er ersann eine neue List. Eines Tages setzte er sich aufrecht hin und sprach den Vogel an: ”Was willst Du hier im Wald, der doch so voller Gefahren ist und Du bist so schlecht davor gerüstet?”
Der Vogel erschrak sichtlich, hatte er doch den Uhu dieses Mal glatt übersehen. Sonst saß er doch immer da und stellte sich schlafend. Er erschrak so sehr, dass er erstarrte und beinahe wäre er nun doch zum Opfer geworden. Voller Panik flatterte er mit seinen unbrauchbaren Flügeln in die Luft und hackte dem großen Verwandten ins Auge.

Der Uhu, nun hätte er doch zuschlagen können, doch noch mehr als die Verletzung seines Auges, schmerzte ihn, dass so ein kleiner harmloser Vogel ihm dies beibringen konnte. Er heulte lauf auf und verzog sich klagend in seine Höhle. Sein Auge tränte, sein Atem ging keuchend. Erhockte dort am Boden zerstört und die Welt brach über ihm zusammen.

Der kleine Vogel hatte sich erneut sein Bein verletzt. Mit wild klopfendem Herzen hockte er in einem Blätterhaufen und bewegte sich nicht mehr. Wie sollte er in Zukunft sein Leben retten, wenn er nun nicht einmal mehr hüpfen konnte? Resigniert schleppte er sich zur Höhle des Uhus, bereit, sich von ihm fressen zu lassen, denn welchen Sinn sollte sein Leben noch haben?

Der mochte seinen Augen nicht trauen, aber auch er hatte resigniert. Wie sollte er noch jagen und sich ernähren, wenn so ein kleiner unscheinbarer verkrüppelter Vogel ihn so verwunden konnte. Er sah seinen Besucher aus seinem unverletzten Auge angewidert an und drehte ihm den Rücken zu. So setzte sich der Vogel an den Rand der Höhle und wartete. Was auch immer kommen mochte, er ergab sich seinem Schicksal.
 
Liebe Anuka,

ich hoffe, ich darf mich hier einfach hereindrängen so zwischen Deine Geschichten.

Ich will nämlich selber auch versuchen, etwas zu schreiben, aber eben nicht so einen Beitrag zu einem bestimmten Thema. Ich wage es einfach, obwohl ich vermute, dass Deine Überlebensgeschichte noch nicht zu Ende ist. Es ist allerdings nur eine Vermutung von mir...

Dies also ist ein fiktiver Brief an eine vollkommen unbekannte Person.

Liebe...,

verzeih mir, dass Du mich nicht verstehen konntest. Wie gerne hätte ich einen Ort für mein wild schlagendes Herz gehabt. Einen Ort, wo es sich sicher und aufgehoben fühlen kann, einen Ort, wo es ausatmen kann und sich wohl und zart umhüllt fühlt von liebevollen Gedanken. Verzeih mir, dass ich so unverständlich war und immer noch bin, so dass Du vor mir flüchten musstest und noch immer musst. Verzeih mir, dass Du mir misstraust und mich sonderbar oder gar bedrohlich empfinden musst. Verzeih mir, dass ich mich nicht angenommen fühlen konnte, dass ich immer mit Dir streite und Du mir nur mit Mißachtung begegnen kannst.

Verzeihe mir von ganzem Herzen, dass Du Dich vor mir abschotten und mich immer wieder auf den Weg zurückstoßen musstest, auf meinen Weg, den ich ja nur selber gehen kann. Du warst und bist so viel schlauer als ich. Verzeih mir, dass Du mir Schmerzen zufügen musst und dass ich um Deiner fehlenden Nähe leiden muss.

Nimm es mir nicht übel, dass Dich liebte und Dir dieses Gefühl um die Ohren schlug. Es muss regelrecht in Deinen Ohren geknallt haben, so heftig war ich, so sehr habe ich die Saiten meiner Sehnsucht gezupft, für die ich so taub war.

Ich war mir meiner Lautstärke nicht bewusst, diesem dröhnenden Geläut, welches erschallte, von dem ich nur ein Vibrieren spürte. Bitte entschuldige meinen Lärm und die schmerzenden Gehörgänge, die ich verursachte. Ich habe ihn nicht gehört. Ich habe geweint und geschrien und habe es nicht vernommen.

Nur hin und wieder höre ich den lauten Pulsschlag meines Herzens als Ausdruck meiner Sehnsucht, Angst und Verwirrung. Hast Du ihn auch vernommen, liebe....?

Verzeih mir auch meine Trauer und Verwirrung.

Dein.....


Danke
Michel
 
Lieber Michel,

Du liegst richtig mit der Annahme, dass die Geschichte nicht beendet ist. Das Ende ist sehr einfach, aber nicht unbedingt leicht. Der Vogel, der nicht fliegen konnte, begab sich eines Tages, da er seinen Hunger in einer Höhle nicht stillen konne, wieder an die frische Luft und er lebte sein Leben so weiter, wie er es bisher gelebt hatte. Vielleicht lernte er eines Tages auch noch, zu fliegen. Vielleicht flog er mit seinen Artgenossen in den Süden, vielleicht war er glücklich. Vielleicht ist es auch kein Zugvogel, eigentlich...

Der verletzte Uhu erholte sich wieder und da er oft ein Auge zukniff, fiel seine Verletzung nicht weiter auf.;) Auch er setzte seine Leben wie gehabt fort. Vielleicht begnügte er sich mit Mäusen und anderem Kleingetier, dass ihm vor die Füße lief. Vielleicht ärgerte er sich nicht mehr über Artgenossen, die nicht fliegen können. Vielleicht erschreckte er niemals mehr ein lebendes Wesen.

Vielleicht verzeihen sie sich. Vielleicht gibt es Weisheit unter den fliegenden Wesen, den Kranichen, Eulenvögeln, den Raben, den Schwänen...Vielleicht ja mehr Weisheit, als bei uns.

Ich weiß es nicht.

Lunatico von Isaak Asimov ist übrigens tatsächlich die Geschichte, die ich hier zu Anfang suchte. Danke für die Eingebung. Ich bekomme sie jetzt über ein Antiquariat. Es geschehen manchmal tatsächlich Wunder.

Damit endet die Geschichte und auch meine Zeit hier im Forum. Ich wünsche allen ein gutes und glückliches Leben, so wie es ist.

Anuka
 
Eine wahre Geschichte

Der Ameisenkönig

In der 1. Klasse an einer Montessorischule ging es locker zu, wie es halt dort so erlaubt war. Kinder konnten konzentriert arbeiten, oder die Zeit des freien Arbeitens wählen, in der dann schon mal Projekte zustande kamen die außergewöhnlich waren.
So war es mit dem Jungen C. der sich als Ameisenkönig fühlte und sein größter Feind war der Ameisenbär, der öfter mal wechselte, je nachdem er einen anderen Jungen leiden konnte oder nicht.
Wenn C. schlecht gelaunt war, kam er mit seiner Hand, die er zu einer grotesken Schattenfigur formen konnte und sie „ Pußhand“ nannte und zwickte den ungeliebten Kameraden empfindlich in den Arm, oder da wo er ihn sonst gerade erwischte.
Dieser Ameisenkönig hatte auch eine Königin, die natürlich das netteste Mädchen der Klasse war. Sie konnte hinreißend Schlittschuhe fahren, ja tanzen auf dem Eis und war ein kluges Mädchen, von dem sich der Junge C. gerne was erklären ließ. Der König konnte sehr gut zeichnen und stellte hinreißende Szenen auf dem Papier dar, wie sich das mit dem Ameisenvolk so verhält und was es gerade zu erdulden oder erleiden hat, aber auch was es gerade zu feiern gab.
Alle Kinder der Klasse respektierten den Jungen, und er tobte seine Macht aus, manchmal sogar bis über die Hutschnur. Einmal stach er seinen Lehrer mit einem spitzen Bleistift mitten in die Hand, sodaß der unter dem Schmerze zusammenzuckte. Der Grund war, er sollte schreiben lernen, was er aber unter gar keinen Umständen wollte.
Eines Tages erzählte ich meinem Mann von dem Buben und der erinnerte sich, daß er als Kind ein Buch besessen hatte das „Butziwackel der Ameisenkönig“ hieß.

Ich begann meine Suche nach diesem Buch in der Theresienstraße im ersten Buchantiquariat das ich kannte.
Ich öffnete die Eingangstüre, stieß dabei an den Besitzer des Ladens und fragte ihn frei von der Leber weg, ob er dieses Buch hätte. Der brauchte keinen Schritt zu tun, er griff einfach über sich ins Regal und zog in der Höhe von 2 Metern ein Buch heraus und reichte es mir. Es war das gesuchte Werk von Luigi Bertelli (Pseudonym Vamba 1893) "Butziwackel der Ameisenkaiser". Man beachte bei einer Menge von geschätzt 50000 Büchern stand das da und wurde auch sofort gefunden, phantastisch!
Ich meine, es kann mir keiner verdenken, wenn ich damals dachte, diese Begebenheit ist verdächtig schicksalhaft. Da muß etwas dahinter stecken, dem ich nachgehen sollte.
Wir dachten, daß der Junge C. der aus einem Waisenhaus gekommen war und dessen Pflegerin ihn zu sich nach Hause geholte hatte, in seiner Vergangenheit dort einen schmerzlichen Verlust gehabt haben mußte. Vielleicht war eine andere Pflegerin weggezogen oder krank geworden und hatte eine angefangene Geschichte, nämlich die des Ameisenkönigs nicht zu Ende bringen können, sodaß der kleine Kerl in der Handlung stecken geblieben war und nicht mehr selbständig herauskam. Wie auch immer, es konnte nicht beantwortet werden, weil der Junge nicht darüber sprach.

Ich sprach mit dem Psychologen der Schule und erzählte ihm meinen Verdacht, gab ihm das Buch zu treuen Händen und verlor es dadurch wieder, weil der Unglücksrabe es verlegt hatte und nicht mehr fand. Er unternahm auch nichts in der Hinsicht und wertvolle Zeit verstrich.
Ich suchte das Buch ein zweites Mal und fand es wieder, aber dieses Mal in einem anderen Laden, obwohl es eigentlich sehr selten war.
Als der Junge in der 4. Klasse immer noch nicht viel weniger Ameisenkönig sein wollte, sprach ich einmal mit seiner Tante, bei der er inzwischen lebte. Ich gab ihr das Buch und wir sahen uns nie wieder. Nach Jahren habe ich sie einmal angerufen und gefragt, wie es dem Jungen C. denn jetzt ginge, da hat sie mir erzählt, daß es ihm gut geht und daß er in einer beschützenden Einrichtung wäre die ihm Lebenshilfe gibt.
Nach dem Buch gefragt erzählte sie mir, daß sie ihm das Buch nach und nach über lange Zeit hinweg vorgelesen hätte und daß er Todesängste ausgestand hätte, und immer wieder lange Zeit gebraucht hätte um die weiteren Texte anhören zu können.

Nun wußte ich, daß ich recht gelegen hatte. Der Junge C, ist heute von seinem Tick befreit und wir sind glücklich, daß wir ihn gekannt haben. :kiss:

PS

ich würde mich freuen, wenn ich ein wenig Reaktion aus dem Leserkreis hervorholen könnte.
Mein Eintrag steht dafür, daß hinter Kindern, die Schulschwierigkeiten habe eine massive Geschichte stehen könnte, der man nachgehen kann.

Vielleicht braucht es dazu aber einen neuen thread, den man noch erstellen müßte.
Die heutigen Kinder sind eventuell die Nutzer dieses Forums, vielleicht in 10 Jahren und keiner weiß mehr, wie das gekommen ist.


Liebe Grüße
Rota
 
Zuletzt bearbeitet:
unerkannte Kinderdramen wäre ein Vorschlag für einen neuen thread.
Wer möchte an dem mitschreiben.
Bitte lest erst meinen Eintrag.
Eine wahre Geschichte

Der Ameisenkönig

In der 1. Klasse an einer Montessorischule ging es locker zu, wie es halt dort so erlaubt war. Kinder konnten konzentriert arbeiten, oder die Zeit des freien Arbeitens wählen, in der dann schon mal Projekte zustande kamen die außergewöhnlich waren.
So war es mit dem Jungen C. der sich als Ameisenkönig fühlte und sein größter Feind war der Ameisenbär, der öfter mal wechselte, je nachdem er einen anderen Jungen leiden konnte oder nicht.
Wenn C. schlecht gelaunt war, kam er mit seiner Hand, die er zu einer grotesken Schattenfigur formen konnte und sie „ Pußhand“ nannte und zwickte den ungeliebten Kameraden empfindlich in den Arm, oder da wo er ihn sonst gerade erwischte.
Dieser Ameisenkönig hatte auch eine Königin, die natürlich das netteste Mädchen der Klasse war. Sie konnte hinreißend Schlittschuhe fahren, ja tanzen auf dem Eis und war ein kluges Mädchen, von dem sich der Junge C. gerne was erklären ließ. Der König konnte sehr gut zeichnen und stellte hinreißende Szenen auf dem Papier dar, wie sich das mit dem Ameisenvolk so verhält und was es gerade zu erdulden oder erleiden hat, aber auch was es gerade zu feiern gab.
Alle Kinder der Klasse respektierten den Jungen, und er tobte seine Macht aus, manchmal sogar bis über die Hutschnur. Einmal stach er seinen Lehrer mit einem spitzen Bleistift mitten in die Hand, sodaß der unter dem Schmerze zusammenzuckte. Der Grund war, er sollte schreiben lernen, was er aber unter gar keinen Umständen wollte.
Eines Tages erzählte ich meinem Mann von dem Buben und der erinnerte sich, daß er als Kind ein Buch besessen hatte das „Butziwackel der Ameisenkönig“ hieß.

Ich begann meine Suche nach diesem Buch in der Theresienstraße im ersten Buchantiquariat das ich kannte.
Ich öffnete die Eingangstüre, stieß dabei an den Besitzer des Ladens und fragte ihn frei von der Leber weg, ob er dieses Buch hätte. Der brauchte keinen Schritt zu tun, er griff einfach über sich ins Regal und zog in der Höhe von 2 Metern ein Buch heraus und reichte es mir. Es war das gesuchte Werk von Luigi Bertelli (Pseudonym Vamba 1893) "Butziwackel der Ameisenkaiser". Man beachte bei einer Menge von geschätzt 50000 Büchern stand das da und wurde auch sofort gefunden, phantastisch!
Ich meine, es kann mir keiner verdenken, wenn ich damals dachte, diese Begebenheit ist verdächtig schicksalhaft. Da muß etwas dahinter stecken, dem ich nachgehen sollte.
Wir dachten, daß der Junge C. der aus einem Waisenhaus gekommen war und dessen Pflegerin ihn zu sich nach Hause geholte hatte, in seiner Vergangenheit dort einen schmerzlichen Verlust gehabt haben mußte. Vielleicht war eine andere Pflegerin weggezogen oder krank geworden und hatte eine angefangene Geschichte, nämlich die des Ameisenkönigs nicht zu Ende bringen können, sodaß der kleine Kerl in der Handlung stecken geblieben war und nicht mehr selbständig herauskam. Wie auch immer, es konnte nicht beantwortet werden, weil der Junge nicht darüber sprach.

Ich sprach mit dem Psychologen der Schule und erzählte ihm meinen Verdacht, gab ihm das Buch zu treuen Händen und verlor es dadurch wieder, weil der Unglücksrabe es verlegt hatte und nicht mehr fand. Er unternahm auch nichts in der Hinsicht und wertvolle Zeit verstrich.
Ich suchte das Buch ein zweites Mal und fand es wieder, aber dieses Mal in einem anderen Laden, obwohl es eigentlich sehr selten war.
Als der Junge in der 4. Klasse immer noch nicht viel weniger Ameisenkönig sein wollte, sprach ich einmal mit seiner Tante, bei der er inzwischen lebte. Ich gab ihr das Buch und wir sahen uns nie wieder. Nach Jahren habe ich sie einmal angerufen und gefragt, wie es dem Jungen C. denn jetzt ginge, da hat sie mir erzählt, daß es ihm gut geht und daß er in einer beschützenden Einrichtung wäre die ihm Lebenshilfe gibt.
Nach dem Buch gefragt erzählte sie mir, daß sie ihm das Buch nach und nach über lange Zeit hinweg vorgelesen hätte und daß er Todesängste ausgestand hätte, und immer wieder lange Zeit gebraucht hätte um die weiteren Texte anhören zu können.

Nun wußte ich, daß ich recht gelegen hatte. Der Junge C, ist heute von seinem Tick befreit und wir sind glücklich, daß wir ihn gekannt haben. :kiss:

PS

ich würde mich freuen, wenn ich ein wenig Reaktion aus dem Leserkreis hervorholen könnte.
Mein Eintrag steht dafür, daß hinter Kindern, die Schulschwierigkeiten haben eine massive Geschichte stehen könnte, der man nachgehen kann.

Vielleicht braucht es dazu aber einen neuen thread, den man noch erstellen müßte.
Die heutigen Kinder sind eventuell die Nutzer dieses Forums, vielleicht in 10 Jahren und keiner weiß dann mehr, wie das gekommen ist.

Liebe Grüße
Rota[/QUOTE]
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Anuka,

Ich habe mir jetzt auch ein paar Bücher von I. Asimov über das Internet besorgt. Ich bin faszieniert! Welche ein fantastischer Fantast! Und mit welchem scharfen liebevollem Blick ausgestattet. Jetzt habe ich auch den Humor bei ihm entdeckt, der war mir bislang entgangen. Die langen Winterabende sind gerettet.

Es ist übrigens hochinteressant, was Du in Erinnerung behalten hast. Du hast den "Denkling" vollkommen ausgeblendet. Hast Du schon mal darüber nachgedacht, warum wohl? Der nach Vereinigung strebende, den Du den Sehnsüchtigen genannt hast, ist interessanterweise bei Asimov der "Elterling" und aus dem "Gefühlsling" hast Du dafür anscheinend zwei Wesen gestaltet. Beinahe hast Du also eine ganz neue Geschichte erfunden. Vielleicht lässt sie sich ja noch ausbauen? Wäre schön, sie dann hier oder woanders zu lesen.

Herzlichst
Michel

P.S. Weiß evtl. jemand was von Verfilmungen?
 
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