Das Lied des Elbenkönigs in der Mittsommernacht VI
Er hörte Schreie, das Schnauben von Pferden und Waffengeklirr, nachdem sie bereits die ersten Hügel erklommen hatten. Tyrad blickte von einem Hügelkamm, nicht mehr weit entfernt von der elterlichen Wohnhöhle, hinunter in eine Senke, und gewahrte zwei kleine Trupps, die mit vielen Fackeln, die inzwischen hereingebrochene Nacht, erhellten.
Er erkannte viele Bewohner des Menschendorfes. Auf der anderen Seite schien ein braungewandeter Priester und ein, mit Plattenpanzer bewehrter Bewaffneter, der einen silbern glänzenden Helm trug, einen Haufen fremder Krieger anzuführen.
,,Ich sehe Jan und Thorben! Und viele Dorfbewohner!“, flüsterte Tyrad dem kleinen Hund, der sich zwischenzeitlich auf seinen Arm gesprungen war, zu. Tyrad hockte auf dem Hügelkamm und starrte gebannt hinunter.
,,Wir lassen keine Vertreter des Bischofs mehr in die Nähe unseres Dorfes!“, hörte er die Stimme des alten Thorben. ,,Nur deshalb sind wir euch so weit entgegen gezogen, weil wir euch rechtzeitig abfangen und zurückschicken wollen!“
,,Wir lassen uns aber nicht zurückschicken!“ ereiferte sich der Priester laut, und er setzte angriffslustig hinzu: ,,Wir haben erfahren, daß zwei meiner Glaubensbrüder und ihre Diener, von den Trollen ermordet worden sind! Dafür wird Rache genommen!“
,,Das ist aber eine Lüge!“, hörte Tyrad Jan’s Stimme zurückrufen, ,,Diese vier Männer waren Verbrecher, und haben ein Thusser – Mädchen getötet. Dafür wurden sie bestraft. Und nicht das Hügelvolk hat eure ,lieben‘ Brüder gerichtet, sondern wir!“.
,,Dann werden wir auch an euch Rache nehmen!“ geiferte der Geistliche.
Ein Ruck ging durch den Haufen der Dorfbewohner, und sie hoben ihre Waffen. Tyrad sah Stöcke, Sicheln und Heugabeln.
Die Bewaffneten, auf der anderen Seite, hatten Schwerter, Spieße, Bögen, sie trugen Schilde, und viele von ihnen waren zu Pferde.
,, Es widerstrebt mir, meine Leute gegen eine Schar von Bauern anzuführen,“ erhob jetzt der Bewaffnete mit dem silbrigen Helm das Wort, ,,deren Bewaffnung aus Feldgerät besteht. – Aber wenn ihr euch der Gerechtigkeit widersetzt, werde ich keinen Augenblick zögern!“. Sein Haufen erhob mit einem Mal die Waffen.
Jetzt hatte Tyrad genug gehört. Er setzte Wusel auf den Boden und lief in die Senke hinunter, und rief:
,,Was heißt hier Gerechtigkeit? War es gerecht, daß die Priester meine Schwester dem Sonnenlicht aussetzten, so daß sie zu Stein wurde?“
,,Ein Troll!“ schrie der Priester, ,,Ergreift und tötet ihn!“.
,,Sei kein Narr!“, herrschte ihn der Anführer der Bewaffneten an, ,,Der Hügelvolk – Mann ist unbewaffnet!“ . Und als Tyrad bei ihnen angekommen war, sprach der Anführer zu ihm: ,,Auch wenn es stimmt, was du sagst, so hatte niemand das Recht, die Priester und die Bewaffneten zu töten!“.
,,Die Bewaffnung der Dorfbewohner ist untauglich, das weißt du!“ drang Tyrad in ihn. Ein Kampf mit ihnen wäre ungleich und ungerecht!“ Da kam Wusel den Berg herunter gelaufen, rannte auf Tyrad zu und knurrte dabei den Trupp der Bewaffneten drohend an. Als er merkte, daß vorerst keine Gefahr bestand, schnüffelte er neugierig an dem Anführer herum, der sich das gefallen ließ, und ruhig auf Tyrad antwortete: ,,Hügelvolk – Mann, das weiß ich! Mir ist nicht wohl dabei!“.
,,Höre auf zu schwatzen und gib das Signal zum Angriff!“, keifte der Priester daneben, ,,ihr seid überlegen, und das gilt es auszunutzen! – Im Namen des Herrn!“. Interessiert wandte sich Wusel jetzt den Beinen des Priesters zu.
In diesem Augenblick sah man von den nahen Hügeln eine gewaltig große Schar, mit leuchtenden Fackeln und im Licht des aufgehenden Mondes blitzenden Schwertern bewehrt, herabströmen.
,,Das Hügelvolk rückt an!“ brüllte ein Schrei durch den Trupp der Bewaffneten, und die Dorfbewohner machten sich bereit, die Schar des Bischofs anzugreifen.
,,Halt!“, rief Tyrad, und stellte sich vor den Haufen, während die bewaffneten Thusser zwischen den Parteien Aufstellung nahmen,
,,Wartet!“., forderte er die Leute des Bischofs, die Dorfbewohner und die Thusser gleichermaßen auf. ,,Meine Schwester wurde versteinert, durch die Schuld zweier Priester und ihrer Wachen. Sie wurden gerichtet. Dabei muß es bleiben! Laßt uns nicht noch mehr Leben zerstören!“.
,,Hügelvolk – Mann! Wenn du wüßtest, wie gerne ...“, antwortete ihm der Anführer der Bewaffneten, und wurde von Thorben unterbrochen, der rief: ,,Wir wollen kein weiteres Blutvergießen, nur Frieden! Aber sie müssen .... !“.
,,Sehr richtig, Tyrad!“ Bolgorm trat aus dem Heer der Thusser hervor, und ging mit weiten Schritten auf den jungen Thusser zu. ,,Es ist genug schlimmes passiert! Genug wurde gelitten!“, fuhr er mit lauter, tiefer Stimme fort.
,,Was soll das denn jetzt?“ krähte der Priester, ,,Laß die Bogenschützen antreten und diesen anmaßenden Troll nieder mähen!“ Doch dann kreischte er plötzlich: ,,Iiiihhh! Das Hundevieh hat sein Wasser an mir abgeschlagen!“. Der Anführer verzog die Lippen, alle anderen brüllten vor Lachen, während Wusel mit fröhlichem Gebell von dem Priester weg sprang.
,,Um dem Haß ein Ende zu bereiten,“ sprach Bolgorm weiter und gesellte sich zu Tyrad, dabei sah er dem Anführer der Bewaffneten direkt in die Augen, ,, will ich euch anbieten, daß mit dem selben Zauber, der Feja erlösen kann, die schuldigen Menschen zum Leben erweckt werden sollen. Mögen sie danach auf einem besseren Pfade gehen!“.
,,Nun laß ihn schon nieder machen!“ zeterte der Priester, ,,Wer weiß ...“.
,,Jetzt halt doch mal das Maul!“ schnauzte der Anführer der Truppe des Bischofs ihn an, und drängte ihn zurück. ,,Laß uns hören, was der Mann zu sagen hat!“.
,,Ich habe euch zu sagen,“ gab der weise Thusser zurück, ,,daß ich bereit bin, den Zauber für Feja – so Tyrad mir das gesuchte Zubehör bringt, auch für euere Freunde zu zelebrieren!“.
,,Glaub‘ ihm kein Wort!“ zischte der Priester von hinten, aber er fand keine Beachtung..
,,Ich bin mir nicht so sicher, ob das meine Freunde sind!“ antwortete der Anführer der Schar, ,,Aber nach dem, was ich bisher vernommen habe, scheint es mir ein sehr großmütiges Angebot zu sein!“.
,,Nun, wenn ich dein Einverständnis habe, so bitte ich dich, drei deiner Leute, und vier Vertreter der Dorfbewohner, in einer Stunde, nämlich zur Mitternacht, zum Thing – Platz der Thusser zu kommen!“
Bolgorm wandte sich zu Tyrad und lächelte ihn an: ,,Wir werden sehen, was sich tun läßt!“.
Die Menschen wählten aus ihren Reihen viere aus und schickten sie mit den Thussern zum Thing – Platz des Hügelvolkes. Bolgorm schritt kräftig aus und führte sie an. Tyrad trug den kleinen Hund Wusel auf dem Arm und lief neben ihm her. ,,Was hast du vor, Bolgorm?"“ fragte er.
,,Hast du alles mitgebracht, was wir brauchen?“ fragte der Weise, statt einer Antwort.
,,Ja, das Wasser von der tiefsten Stelle des großen Fjordes habe ich, drei Hand voll Erde aus dem Erdreich eines Baumelben und drei Stücke gefrorener Luft vom Ellefolk, bringe ich auch mit!“ gab Tyrad.
zurück.
,,Und die drei Schwerter liegen noch in der Schmiede!“ damit seufzte Bolgorm befriedigt und fuhr fort: ,,Ich habe nichts anderes vor, als deine Schwester zu erlösen, und ihr das Leben zurückzugeben, das ihr gebührt!“.
,,Du willst die vier Verbrecher nicht wirklich in ’ s Leben zurückrufen?“ fragte Tyrad, und kraulte Wusel dabei hinter den Ohren.
,,Hm!“ grübelte Bolgorm, ,,Die Macht dazu habe ich, aber warum sollte ich es wirklich tun?“.
,,Ich weiß es auch nicht!“ antwortete der junge Thusser. ,,Aber bevor ich auf die Menschen, gerade eben traf, begegnete ich, bei einer Erdspalte, in die Wusel hinein gefallen war, den Nornen!“
Bolgorm horchte auf: ,,Du hast die Nornen getroffen?“.
,,Ja!“, sagte Tyrad, ,,Und das letzte, was sie zu mir sagten war: ,Vergiß´die Liebe nicht!‘
Bolgorm lachte laut auf und rief: ,,Die Gnade! Die sonst so unerbittlichen Schicksalsgöttinnen meinten die Gnade!“. Sie gingen voran, und Bolgorm kicherte. ,,Was der inzwischen handamputierte Tyr wohl dazu sagen würde? Liebe – Gnade!?“.
,,Gnade kann so schlimm nicht sein!“ fiel Tyrad plötzlich ein, ,,Ich erinnere mich daran,. wie du ,gnädig‘ mit mir verfahren bist, als ich vor Jahren bei dir Schüler war, und du mir die Strafe hast erlassen, als ich die Runen nicht gelernt hatte, die du mir aufgegeben hattest!“..
Wieder mußte Bolgorm lachen. ,,Egal, was du meinst, Tyrad, oder was ich denke!“ und er wurde mit einem Schlage ernst. ,,Die Nornen wollen Gnade! Also werde ich Gnade walten lassen.!“.
Sie erreichten den Thing – Platz, eine ebene, von Büschen umstandene Fläche, auf einer Anhöhe, nahe der Thusser – Siedlung.
Fast alle Thusser waren bereits dort, wie es zum Mittsommerfest brauch war, nur daß sich wohl niemand in rechter Feststimmung befand.
Ein paar der Fiedelspieler unter den Thussern, brachten traurige Melodien zu Gehöhr, ein Skalde sang schwermütige Lieder zur Leier.
Die Nacht war so hell, wie eine Mittsommernacht in Norwegen nur sein kann. Der Mond schien blaß, und kaum ein Stern war am Himmel zu erkennen.
Bolgorm trat in die Mitte des inneren Thing – Kreises. Die große Steinplatte in dessen Zentrum, die sonst bei Thing – Versammlungen dem Rat als Tisch diente, war nun als Altar ausgestattet. Auf den Wink des Weisen hin, brachten ein paar Thusser die zwei erschlagenen Priester und deren toten Begleiter. Sie wurden auf den Boden, neben den Tisch gelegt.
Inzwischen war der Anführer der Truppe des Bischofs mit drei Ausgewählten seiner Bewaffneten angelangt. Sie hatten Helme, Waffen und Rüstungen im Lager zurückgelassen. Aufatmend erkannte Bolgorm, daß sie es ehrlich meinten. Er bat sie, ihren Platz neben dem Altar einzunehmen, und gruppierte Thorben, Jan und zwei weitere Dorfbewohner auf die gegenüberliegende Seite.
Gydris, Jork, Tyrad und einen Bruder der Gydris, ließ er am Kopfende Feja’s Aufstellung nehmen.
Ein noch ganz junger Thusser brachte dem Weisen die Gegenstände, die er für die Zeremonie brauchen würde: Tyrad’ s Schwerter, die Flaschen mit dem Fjordwasser, den Beutel mit der Baumelbenerde und das aus warmer Luft gewebte Kästchen, mit den drei Stücken gefrorener Luft, vom Ellefolk. Außerdem brachte er noch einige andere Fläschchen und Beutel herbei.
Die Angehörigen des Hügelvolkes bildeten, auf Bolgorms Geheiß, einen großen Kreis um den Altar.
Plötzlich hörte man ein Bellen, und Wusel durchbrach den Ring, lief auf den Altar zu und sprang auf den Tisch, kauerte sich zu den Füßen Feja‘ s nieder.
Bolgorm bat die Fiedler und den Skalden, sie mögen in den Kreis treten, und ihre Instrumente bereit machen. Dann hob er, mit ernstem Gesicht, die Arme zu einer großen, umfassenden Geste und sprach, mit lauter, tiefer Stimme: ,,Thusser, Dorfbewohner, Männer des Bischofs! Böses ist geschehen, von Mensch zu Thusser und von Mensch zu Mensch! Ich kann darüber nicht urteilen, nicht richten!
Es geht nun darum, Feja, die unschuldige, junge Thusser – Frau, aus dem Fluch des Lichtes und ihrer Versteinerung zu befreien! Mögen die Götter uns helfen ...“. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da schoß ein Falke, im schnellen Bogen, vom Himmel herab, beschrieb einen Halbkreis, über dem Altar, und ließ sich dann auf dem Tisch, an Feja‘ s Kopfende, nieder.
Der Weise strahlte. ,,Frigg!“ flüsterte Tyrad leise, und der kleine Wusel grunzte zufrieden.
,,Und,“ fuhr Bolgorm fort, ,,Es geht geht auch darum, die gerichteten Menschen zum Leben zurück zu holen! Mag es dem Willen der Götter entsprechen!“.
Da erhob sich ein gewaltiger Lärm, Fußtrampeln wie von Riesen, und dröhnende Stimmen, rund um den Thing – Platz.
,,Tyr und die anderen Götter!“ entfuhr es Tyrad. Die riesenhaften Gestalten bildeten einen großen Kreis, rund um den Platz, und verharrten in aufmerksamen Schweigen.
,,Nun, da sich die Götter zu uns gesellen, will ich mit dem Zauber beginnen!“ redete Bolgorm, nach einem kurzen Schreckmoment, weiter.
Er zog mit einem Stock einen Kreis um den Altar, und um die vier Erschlagenen. Die Umstehenden bat er, ein wenig weiter zurück zu treten. Dann nahm er die Flaschen mit dem Fjordwasser, und besprenkelte den Innenraum des Kreises so lange damit, bis sie leer waren.
Daraufhin verteilte Bolgorm die Erde, dann legte er die drei, von Tyrad geschmiedeten Schwerter, im Dreieck, um den Altar.
Der Weise trat aus dem Kreis, nahm einige der Beutel und Fläschchen zur Hand und verteilte deren Inhalt, Pulver und Tinkturen, am Rande.
Die Schwerter begannen zu glühen, die Erde dampfte und das Fjordwasser fing an zu brodeln, während die Flüssigkeiten und die Pulver, an der Peripherie des Kreises, Rauchschwaden entwickelten, und alles darin befindliche, in eine schwarze Wolke einhüllte.
,,Um die Aufgabe zu erfüllen, versteinertes Leben in die alte, lebendige Form zurückzubringen, und kaltes Fleisch neu zu erwecken, bedarf es eines besonderen Zaubers!“, rief Bolgorm und forderte die Musiker auf, mit dem ,,Lied des Elbenkönigs“ zu beginnen, dann wandte er sich wieder an die Umstehenden, die wie gebannt auf die tiefschwarzen Rauchwolken starrten, die mit bizarren Bewegungen, den von Bolgorm gemalten Kreis umgaben. Die Fiedelspieler hoben ihre Instrumente und die Bögen. Die ersten Töne des alten Liedes erklangen, und Bolgorm führte seine Rede fort: ,,Als die Erde von den Göttern geboren ward, schied sie sich gleich von den Sternen. ab, und Leben entstand auf ihr: Pflanzen, Tiere, Elben und Menschen!“, die Musik klang lauter und zog die Thusser langsam in ihren Bann, die schwarzen Rauchwolken bewegten sich in ihrem Rhythmus. Bolgorm‘ s Stimme erhob sich weiter: ,,Die Götter,“ so rief er, ,,sorgten dafür, daß das Leben gedieh, und daß es der Erde gut ging! Um Wunden zu heilen, die ihr von den Lebewesen zugefügt wurden, schufen sie einen mächtigen Zauber. Dieser Zauber heilt die Schäden der Erde gleichermaßen, wie die an Pflanzen, Tieren, Elb und Mensch! – Nur wenn die Götter es wollen, dürfen wenige, dazu Ausersehene, diesen Zauber durchzuführen, um erlittene Verwundungen zu heilen, auch um Leben dem vorzeitigen Tod zu entreißen!“.
Die Thusser fingen an, sich zu der Musik zu bewegen, die aus der dicken Rauchwolke hervor drang, sie tanzten mal schneller, mal langsamer, zu dem wechselnden Rhythmus ihrer Melodie. Jetzt begann der Skalde, das Lied des Elbenkönigs zu singen, und Bolgorm murmelte dazu unverständliche Worte. Dann nahm er das Kästchen vom Ellefolk in die Hand, öffnete es und warf die drei Stücke gefrorener Luft, durch den undurchdringlichen Rauch, hinein in das innere des Kreises.
Die Musik und die Stimme des Sängers erhoben sich laut, und der Rauch bewegte sich stärker, wechselte die Farben, von schwarz über grau, bis weiß. Seltsame Klänge fielen in die Musik der Thusser ein, es war, als kämen sie aus weiter Ferne. Mal erschien es, als kämen sie vom Himmel her, dann wieder wirkte es, als drängen sie aus den Tiefen der Erde herauf.
Tyrad sah sich in völlige Finsternis gehüllt. Eine Dunkelheit umgab ihn, die selbst Thusser – Augen nicht durchdringen konnten.
Von ferne nahm er die Klänge des Liedes des Elbenkönigs wahr, und die seltsamen Töne einer zauberhaften Begleitmusik.
Mit einem Schlage fühlte er sich emporgehoben, die Musik wurde lauter und lauter, drang in ihn ein, und es war ihm, als wirbele sie ihn, in schnellen Rhythmen, hinaus ins All.
Blitze fuhren um ihn herum, die Musik rauschte in wunderbaren Klängen an ihm vorbei – und ein neues, gleißendes Licht blendete ihn.Tyrad schloß die Augen, und wurde von Licht und Musik fortgetragen. Von weitem hörte er den Schrei eines Falken. Licht und Farben wirbelten in endlosen Fontänen um ihn herum, die Musik brandete auf, und dann schwebte er, wie von unsichtbaren Schwingen getragen, in einer sternklaren Nacht, unter einem samtschwarz glänzenden Himmel.
Die Sterne leuchteten sanft und freundlich. auf ihn herab, und leise, sanfte Stimmen klangen ihm wie Sternenmusik. In der Ferne sah er die Gesichter von Jork und Gydris vorüberschweben, auch Feja’s, sie wirkte lebendig und lachte. Dann verdunkelte sich der Himmel plötzlich, und Tyrad spürte dumpfe Vibrationen, wie von heran rollendem Donner. Er merkte, wie er den Halt verlor, und hilflos in die Tiefe stürzte.
Tyrad sah im Hinabfallen, wie Feja vor das Dorf geführt, und dem Sonnenlicht ausgesetzt wurde. Er erkannte Thorben, Jan und Bolgorm;
sah, die Meerfrau, den Baumelben, Kallesanstrom, den Fenriswolf, die Götter, das Ellefolk und die Nornen, an sich vorüber gleiten.
Dann fiel wieder alles um ihn herum in schwarze Finsternis. Er hörte Bolgorm’s Stimme laut und kraftvoll durch die Dunkelheit klingen: ,,Einer der mächtigsten aller Zauber ist der STERNENZAUBER !“
Da explodierte Licht in der Dunkelheit. Tausende von Farben platzten aus der schwarzen Nacht hervor. Unzählige Sterne blühten glühend auf wie leuchtende Rosen und verstrahlten ihren vielfarbigen Schein am Himmel.
Tyrad taumelte durch das Licht, er folgte einer Musik, die dem Lied des Elbenkönigs glich. Klänge lockten ihn von Farbe zu Farbe. Das Licht war Musik, die Musik war Licht.
Vor ihm öffnete sich ein Tor, worin er die Nornen erkannte. Sie grüßten und entschwanden in eine ferne, zauberhafte Landschaft, wo sie sich in schimmernde Lichtgestalten verwandelten.
Langsam verebbte die Musik, und die Farben erloschen.
Tyrad stand bei seinen Eltern, am Kopfende des Steintisches.
Er hörte ein freudiges Gebell, blickte auf, und sah, daß seine Schwester Feja sich auf dem Tische aufgerichtet hatte, und den aufgeregten kleinen Hund herzlich an sich drückte.
Am Boden regten sich die beiden Priester und die Bewaffneten. Während Jork und Gydris sich auf ihre Tochter stürzten, um die wieder in’s Leben zurückgekehrte glücklich zu umarmen, halfen die Männer des Bischofs, den am Boden liegenden auf die Beine.
Der Falke erhob sich und verschwand am Himmel., und die Götter, am Rande des Thing – Platzes, entfernten sich mit freundlichem Gebrummel.
Die Wand aus Rauch war verschwunden, Bolgorm trat in den inneren Kreis und strahlte vor Freude. Die Thusser jubelten laut, und die Musiker spielten begeistert eine fröhliche Melodie.
Die wiederbelebten Männer standen inzwischen da, und blickten sich verwirrt um, ganz offensichtlich wußten sie überhaupt nicht, was ihnen geschehen war.
Tyrad trat zu Bolgorm und fragte ihn, was mit ihnen geschehen sei. Der lächelte leise, und seine Augen blitzten listig: ,,Nun, Tyrad,“ antwortete er, ,,ich habe den Zaubermitteln eine geheime Substanz zugefügt, die nur auf Menschen wirkt! Sieh selbst ....!“.
Er deutete auf Wusel, der inzwischen vom Tisch gesprungen war, und mißtrauisch knurrend um die vier Männer herum schlich.
,,Aber was hast du, lieber Bruder Hund!“ sprach einer der beiden Priester mit liebevoller Stimme und beugte sich zu Wusel hinab. ,,Sieh nur, wie schön alles ist auf der Welt!“. Wusel, nun seinerseits verwirrt, ging langsam, mit gesträubtem Nackenfell rückwärts,.
Tyrad sah Bolgorm verblüfft an, während einer der ehemals erschlagenen Bewaffneten auf die anderen Thusser zuging, mit strahlendem Lächeln und weit ausgebreiteten Armen rief: ,,Liebe und Frieden, meine lieben Hügelvolk – Freunde! Liebe und Frieden!“. ,,Ja, rief der andere und eilte ihm nach: ,,Liebe und Frieden! Nie wieder Krieg!“.
Die Thusser brüllten vor lachen, aber sie nahmen die beiden gutmütig in ihre Mitte, und tanzten mit ihnen zu der heiteren Elbenmusik.
Die beiden, ehemals gestrengen Geistlichen, hüpften ihnen fröhlich hinterher und jubelten ausgelassen: ,,Friede auf Erden!“.
Nun trat der Anführer der Bewaffneten des Bischof‘‘s, auf Bolgorm und Tyrad zu. Lachend reichte er beiden die Hand und wandte sich mit einem verschmitzten Lächeln an den Weisen: ,,Sag, weiser Bolgorm! Meinst du nicht, daß du da ein wenig übertrieben hast?“. ,,Das ärgste wird sich mit der Zeit legen! Aber alle vier werden künftig auf freundlicheren Pfaden wandeln!“, gab der zurück.
Der Anführer bedankte sich, hieß seine drei Männer die anderen einsammeln, und zog mit ihnen ab.
Nachdem Tyrad seine Schwester begrüßt und herzlich umarmt hatte, gingen Feja und ihre Eltern, mit Jan, Thorben und den anderen Dorfbewohnern, zu den feiernden Thussern.
Bolgorm legte Tyrad die Hand auf die Schulter und nahm ihn beiseite. ,,Nun, junger Tyrad,“ sprach er ihn an, ,,das waren gewiß harte Tage für dich!“ Tyrad nickte: ,,Ich habe viel gesehen, viel erlebt, mehr als jemals zuvor in meinem Leben. Und ich habe manches gelernt!“.
,,Ja,“ antwortete der Weise, und senkte die Stimme, ,,und es wird noch nicht alles gewesen sein!“. Tyrad fragte, wie er das meine, aber Bolgorm antwortete nur: ,,Laß uns auf die Zeichen warten!“.
Sie gingen eine Weile schweigend über den Thing – Platz, und hielten sich abseits der Menge.
,,Ich muß dich noch etwas fragen, Bolgorm!“, sagte Tyrad, und fuhr fort: ,,Vorhin, während des Zaubers, habe ich die Nornen gesehen, wie sie sich durch ein Tor in eine bezaubernde Landschaft begaben!“
Der Weise horchte auf: ,,Ja?“, fragte er nach, und Tyrad setzte hinzu:
,,Dieses Land, wo liegt es.? Und kann ich jemals dorthin gelangen?“.
,,Du hast die Gärten des Schicksals gesehen!“, antwortete Bolgorm,
,,Sollte das schon das Zeichen sein?“. Er schwieg nachdenklich, dann sagte er mit fester Stimme: ,,Nein, laß uns noch warten!“.
Sie begaben sich jetzt zu den anderen, und die Musiker spielten wieder das Lied des Elbenkönigs.
--- Ende ---