Der Zeitpunkt der Geburt beeinflusst Krankheitsrisiken und sogar die Lebenserwartung
(SZ, Donnerstag, 10. Februar 2005, Deutschland Seite 11) Der Geburtsmonat muss für so manche Charaktereigenschaften als Begründung herhalten. Doch jenseits der Astrologie können Menschen ihrem Geburtsmonat tatsächlich eine Mitschuld an ihrem gesundheitlichen Schicksal geben. Seit einigen Jahren verdichten sich die Hinweise, dass der Zeitpunkt der Geburt und andere Umstände am Anfang des Lebens sich noch am Ende des Lebens auf die Gesundheit auswirken. Auf der Liste der Krankheiten, auf die die Geburt Einfluss haben könnte, finden sich neben den Volkskrankheiten Herzinfarkt und Krebs auch einige Hirn- und Autoimmunleiden.
Ein aktuelles Beispiel ist die Multiple Sklerose (MS), bei der das Immunsystem die Isolierschicht von Nervenzellen attackiert. Kanadische Forscher haben die Geburtsdaten von etwa 30 000 MS-Patienten mit denen von Gesunden verglichen. Dabei fanden sie eine eigentümliche Verteilung: MS-Kranke hatten etwas häufiger im Mai Geburtstag und etwas seltener im Herbst (1). „Leute, die im November geboren sind, haben unseren Daten zufolge das niedrigste Risiko, an MS zu erkranken“, so die Gruppe um George Ebers von der Universität Oxford.
Allerdings zeigt ein Blick auf die Zahlen, dass der Geburtsmonat keineswegs über das Schicksal entscheidet. Im Durchschnitt erkrankten 130 von 100 000 Männern und Frauen an MS. Im Mai, dem Monat mit der höchsten Rate, waren es 135, im November, dem Monat mit der niedrigsten Rate, 120.
Ähnliche Zusammenhänge sind von der Schizophrenie bekannt. Experten schätzen, dass bei drei von 100 Betroffenen der Geburtstermin den späteren Ausbruch der Krankheit mitbestimmt hat. Doch hier folgt das Erkrankungsrisiko einem ganz anderen Rhythmus als bei der MS – das höchste Risiko besteht für die Babys aus Winter und Frühjahr.