Hallo, James, Hallo, Ezra,

Wie wäre es denn, wenn Ihr beiden ganz genau auflisten würde, was genau getan werden müsste, um den Aufenthalt erträglicher zu gestalten, also währenddessen und eben auch hinterher.

Die Traumata lassen sich extrem gut mit EMDR verarbeiten, denn es ist ja vorbei, es muss nur anders im Gehirn abgelegt werden, damit es heute nicht mehr (sehr) belastet und behindert. Auch im NLP gibt es Strategien zur Traumaheilung. Einen gewieften Therapeuten bräuchte man dazu (oder man lernt es selber, wenn man die entsprechende Grundlage dafür hat, so hab ich's gemacht).

Da man ja alles hört, wäre ein Anfang gemacht, wenn Gespräche des Personals unterblieben (siehe Beitrag Rota) und außerdem sollte alles, was gemacht wird, liebevoll und ruhig angekündigt werden, auch, dass man so vorsichtig wie möglich ist. Da man ja auch erklären kann, dass man komische Sachen sehen kann, dass das aber vorbei geht, sollte man so viel wie möglich tun.

Das wäre ein weites Feld im Bereich Fortbildung in der Intensivmedizin und ich bin 100% sicher, dass es sich positiv auf den Verlauf auswirken würde, es würde also sogar Kosten sparen.

Wie kann man dieses Wissen weiter verbreiten? Selbsthilfegruppe?

Liebe Grüße von Datura

PS: Und danke für Eure Berichte!
 
Hallo Datura,

danke für den Vorschlag und Deine Hinweise!

Das Problem scheint darin zu liegen, dass vermutlich jeder Patient solche Situation etwas anders erlebt und auch das Erinnerungsvermögen sicher unterschiedlich ausgeprägt ist.
Bei mir war die Sedierung (der Begriff "künstliches Koma" ist ja unrichtig) mit Sicherheit sehr flach. Ich kann es verstehen und finde es auch richtig, dass man diese möglichst flach hält - besonders wenn die Dauer nicht absehbar ist. Es ist nicht nur die schädigende Wirkung auf das Gehirn und Gedächtnis. Bei mir fehlten in der Erinnerung zumindest 2 ganz Jahre, konnte mich nicht mehr an 2, jeweils 14-tägige Bootsurlaube in Holland erinnern. Erst durch das Betrachten der Fotos kam dann später etwas zurück. Neben solchen Schäden hatte ich lange Zeit Wortfindungsstörungen.
Eine andere Nebenwirkung ist der Gewöhnungseffekt. Der Körper spricht nach gewisser Zeit nicht mehr tief genug auf ein Mittel an. Es muß entweder höher dosiert oder ein anderes Mittel eingesetzt werden. Letztlich kommt es trotz Ausschleichen zu Entzugserscheinungen. Sicher werden auch noch andere schädliche Nebenwirkungen (Leber, Niere usw.) auftreten. Aus diesem Grunde halte ich eine flache Sedierung für das kleinere Übel. Es erfordert nach meiner Meinung dann aber ein entsprechendes Verhalten am Bett sowohl vom Personal als auch von Besuchern. Auch letztere sollten aufgeklärt werden, dass das Gehör auch beim Fehlen jeder Regung noch funktionieren kann und teilweise sogar die Sicht möglich ist.
Völlig unerheblich schien mir in dieser Situation die Dauer der Behandlung zu sein. Bei mir war das Zeitempfinden völlig eingefroren, es gab auch keine "Lange Weile", während das Schmerzempfinden manchmal stark ausgeprägt war. Ich erinnere mich noch an einen sehr unangenehmen Schmerz im Hals, als dort mit einem größeren Gegenstand (ich sah einen Winkelschleifer - nehme an, dass es ein Tubus war) manipuliert wurde. Auch Ekel wurde empfunden, den ich heute mit dem Absaugen von Schleim aus der Lunge erkläre. Alle Erinnerungen sind episodenhaft.
So bemerkte ich einmal, dass ich nass im Bett lag. Nach meiner Meinung hatte ich ins Bett gemacht und schämte mich, dass mir so etwas passiert. In Wirklichkeit hatte ich einen Katheter, es war also gar nicht möglich.
Ich lag angeschnallt in einem Rotationsbett, welches wirklich extrem steile Winkel annehmen kann. In fast senkrechter Stellung hielt ich mich für ein "Ausstellungsstück", welches zusammen mit anderen "Bildern" zur Werbung benutzt und von Passanten begafft wurde. Da der Chefarzt dabei war, denke ich heute dass es eine Visite war.
Kurz vor der Verlegung kam eine Pflegerin in das Zimmer und wollte sich mir vorstellen. Ich fiel ihr ins Wort und sagte; "Aber Schwester ..., wir haben uns doch neulich unterhalten, weil ich fragte woher sie stammen". "Und woher komme ich?" "Na, aus Süd-Korea, das kleine Dorf ....in den Bergen. Da liegt im Winter bis zu 2 Meter Schnee". Weiter kam ich nicht, denn die Schwester schrie auf, machte auf dem Absatz kehrt und die Tür knallte zu. Völlig verwundert fragte ich mich, was ich wohl so schreckliches gesagt haben könnte...Kurze Zeit später kam eine andere Schwester herein und sagte" Was haben sie denn blos mit Schwester ... gemacht?. Die sitzt im Dienstzimmer und heult!". Ich war mir keiner Schuld bewusst und gab das kurze Gespräch wieder. Großes Kopfschütteln, denn die asiatische Pflegerin war zuvor noch nie auf der Intensivstation, sie war vertretungsweise aus der Gyn gekommen. Ich hatte keinen Kontakt mit ihr. Sie hat sich dann geweigert auf der Intensiv zu arbeiten, weil dort ein "Hexer" sein Unwesen treibt.
Da ich selbst nicht an solche Dinge glaube, nehme ich an, dass ich die Fakten (die alle stimmten!) aus einem Gespräch zwischen Pflegepersonen entnommen habe.
In einer anderen Situation glaubte ich, dass ich tot sei, denn einer meiner Hunde, der vor Jahren gestorben war lag an meinem Fußende. Es stimmt also doch, dachte ich verwundert, dass die Seele unsterblich ist, machte mir aber zugleich Sorgen, wie meine Leute aus Familie und Betrieb ohne mich zurecht kommen sollen...
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So viel braucht also gar nicht geändert werden, zumal man von ärztlicher Seite kaum vorher einen Patienten aufklären kann. Ich halte besonders 2 Dinge für notwendig:
1. Das Verhalten am Bett von Personal und Besuch muß der Situation entsprechen:
keine "negativen" Gespräche und laute Geräusche. Da Besuch sehr anstrengt und man schnell erschöpft ist, möglichst wenige Personen und kurze Sprechdauer. Den Patienten immer mit Namen ansprechen und möglichst ankündigen, dass man was macht (Verband wechseln, drehen...).
2. Nach dem Aufwachen und Verlegung in den Normalbereich mit dem Patienten sprechen und wenn nötig aufklären, so dass eine Verarbeitung eines möglichen Horrortrips beginnen kann und wenn so ein Zusammenhang erkennbar ist einen Psychologen hinzuziehen.

Eventuell kann Ezra oder ebenfalls Betroffene hier noch ihre Meinung und ihre Erfahrungen zufügen. Wir könnten auch zum Thema eine Wiki-Seite anlegen. Es geht ja besonders auch um die Tatsache, dass Menschen (sei es selbst erlebt oder Angehörige) diese Dinge abrufen und sich informieren können.
 
Angehörig diese Dinge abrufen und sich informieren können.

Ja, denn man selbst kann ja nicht mehr sagenn, hört auf zu quatschen oder gehts auch ein bisschen ruhiger und freundlicher? Wenn möglich, und wenn Angehörige mehr wissen, können diese womöglich tatsächlich mit entsprechendem Hintergrundwissen einwirken.

Wird denn z.B angekündigt "so, wir bewegen Sie jetzt, sie sind dann fast senkrecht, keine Angst bekommen", denn wenn man Sprache mitbekommt, dann bekommt man auch beruhigende Sprache mit.

Womöglich wären sogar Meditationen/ Fantasiereisen beruhigend und hilfreich.

Viele Grüße!
 
Das ist genau das, was ich sagen wollte. In der Praxis läuft das nämlich ganz anders: Entweder wird man wie ein kleines Kind angesprochen oder - was noch schlimmer ist - bedauert und gejammert "schaut bloß mal wie schlecht er aussieht" , "Oh, ist ja viel schlimmer als ich das mir je vorstellen konnte" , "Ich glaube, wir sollten uns auf das Schlimmste gefasst machen"....usw statt Mut zu machen und Kraft zu geben. Viel besser wäre es kurz über eher erfreuliche Dinge zu informieren oder einfach nur die Hand halten und zeigen, dass Nähe da ist.
Gerade auch weil ganz schnell Erschöpfung entsteht, kämpft man mit dem Schlaf. Wenn dann durch Zuwendung Ängste gemildert werden, hat man als Angehöriger viel für den Betroffenen getan und dieser kann schlafen. Mein Eindruck war, dass nämlich ein ganz starker Schlafmangel besteht auch wenn das für Außenstehende kaum zu begreifen ist.

Ankündigungen bei Behandlung und Manipulationen halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Wenn man mit Namen angesprochen und etwas angekündigt wird kann man das Geschehen besser nachvollziehen und zuordnen. Dadurch reduzieren sich zumindest Ängste. Ich meine sogar, dass dadurch wilde Horror-Phantasien zu verhindern sind. Sicher kann das auch jeder nachvollziehen wenn man plötzlich etwas klarer wird und merkt, dass man senkrecht im Bett "steht", sich aber weder abstützen noch festhalten kann würde man auch als gesunder Mensch sich sträubende Nackenhaare bekommen. Dass man angeschnallt ist und dadurch nicht fallen kann, kommt dabei keinem in den Sinn.
Solche Rotationen sind aber ein wichtiger Bestandteil einer Langzeit-Intensivbehandlung, da man ähnlich wie bei Astronauten durch die fehlende Belastung wahnsinnig schnell unverzichtbare Muskelmasse verliert, deren Wiederaufbau extrem schwierig und langsam ist. Es gibt auch noch andere Betten, die...um Druckgeschwüre zu vermeiden...mit Luftdruck ständig in der Auflagefläche verändert werden. Da hat man das Gefühl, als ob sich im Bett noch ein anderes Lebewesen breit macht.

Positiv gestimmte Fantasiereisen sind hilfreich. Mir ging es besser, als sich die "Seele" meines Hundes am Fußende des Bettes eingerichtet hatte. Das vermittelte das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Gut kann ich mich auch noch an eine Traumreise erinnern, in der ich ohne Hilfsmittel fliegen konnte.
 
Hallo, James, hier sollte eine Handreichung entstehen, für Angehörige und Personal, Du hast schon soviel geschrieben, was hilfreich sein könnte.

In einer Meditation könnte Heilung programmiert werden, Ruhe, Freude auf das Leben statt Angst und schrecken.

Einfach nur ruhige Musik oder das, was jemand gerne hört, könnte - dosiert - gespielt werden.

Für mich bitte "Can you feel the love to n ight" gesungen von Helene Fischer.
Mensch, ich hab mir für den Winter schon so viel vorgenommen. Aber ich sammele mal die Stichpunkte aus dem, was mir einfällt und was Ihr geschrieben habt, morgen.

Das wäre mal Medizin nach meinem Herzen, menschliche Intensivmedizin!

Grüße von Datura
 
Hallo, James, hier sollte eine Handreichung entstehen, für Angehörige und Personal, Du hast schon soviel geschrieben, was hilfreich sein könnte.

In einer Meditation könnte Heilung programmiert werden, Ruhe, Freude auf das Leben statt Angst und schrecken.

Einfach nur ruhige Musik oder das, was jemand gerne hört, könnte - dosiert - gespielt werden.

Für mich bitte "Can you feel the love to n ight" gesungen von Helene Fischer.
Mensch, ich hab mir für den Winter schon so viel vorgenommen. Aber ich sammele mal die Stichpunkte aus dem, was mir einfällt und was Ihr geschrieben habt, morgen.

Das wäre mal Medizin nach meinem Herzen, menschliche Intensivmedizin!

Grüße von Datura

Ich liefere noch schnell den Song nach:

 
Hallo james und Ezra ,

So stelle ich mir Drogentrips vor und es ist ja im Prinzip auch so.
ja , es ist wohl im prinzip nichts anderes .

ich hätte gerne eine frage , hattet ihr angstgefühle im koma ?.

wenn ich mir vorstelle das ich meiner mutter die medikamente verabreichte die sie , in nicht ganz so tiefer tiefe brachte wie ein koma-patient , aber doch so tief das sie nicht mehr sie war.
sich vorzustellen das die lichter ,die kinder und die fremden menschen um meine mutter herum ihr eventuell angst machten , sie sich aber nicht wirklich mitteilen konnte , verunsichert mich im nachhinein .

lg ory
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist aus meiner Sicht schwierig zu beurteilen. Ich persönlich hatte Angst und manche "Drogentrips" reiner Horror. Anfänglich habe ich hier ja geschrieben, dass ich glaubte in einer Tiefgarage gefesselt im Bett zu liegen. Das verband ich mit der Vorstellung, dass man mich von der Stasi entführt hätte um meine Körperteile zum Bau von Robotern zu gewinnen....Natürlich hat man dann Angst.
Da ich einschlägige Erfahrungen mit "Zuführungen zur Klärung eines Sachverhaltes" -so nannte man in der DDR Verhaftungen ohne richterliche Anordnung durch die Stasi- hatte, die viele Jahre zuvor lagen aber offensichtlich nicht von mir verarbeitet waren, kann ich mir den Ort erklären. Nicht erklärlich sind die Roboter, da weder Filme noch Literatur aus diesem Genre meine Sache sind.
Es kommt eben darauf an, denn das "Spiel auf der Wurlitzer-Kinoorgel" (an diese Phantasie kann ich mich mehrmals erinnern) war einfach nur schön. Warum sich dabei kleine gemalte Indianer zur Musik im Takt bewegten, wird wohl ein Geheimnis bleiben.
Angst vor dem Tode hatte ich überhaupt nicht. Im Gegeteil - manchmal kam der Wunsch auf. Ich bin 2 mal reanimiert worden. Ein mal auf Intensiv (daran habe ich keine Erinnerung) und einmal auf der Normalstation. Da bin ich im Rollstuhl auf dem Flur direkt vor dem Schwesternzimmer zusammengeklappt, dann kam ein schwarzes Loch, eine weibliche Stimme sagte "der ist wieder da!" und im Bett mit schmerzenden Rippen wieder wach geworden.
 
Hallo Ory,

Es wurde ja viel geschrieben in meiner Abwesenheit.
Angst hatt ich im künstlichen Koma nicht, jedoch zum Teil emotional aufwühlende hyperrealistische Träume. Wie weiss allerdings auch nicht, ob sie mir angstlösende Medis (Anxiolytika) mitverabreicht hatten.

Liebe Grüsse
Ezra
 
Hallo Datura

Grundsätzlich aus medizinischer Sicht ist es halt so, dass, wenn man einmal in der Intensivstation gelandet ist, das primäre Ziel ist, den Patienten am Leben zu erhalten, was dann halt auch Schäden psychologischer aber auch medizinischer Art nach sich ziehen kann, die nachbehandelt werden müssen.
Zudem hat sich vermutlich die Intensivmedizin, im Zeitraum als James in der Intensivstation war, bis jetzt stark weiterentwickelt.

Ich finde in der Betreuung der Patienten durch das Pflegepersonal und der Aerzte hat sich viel getan. Eine Pflegerin hat mir erzählt, dass angenommen wird, dass der Patient im künstlichen Koma viel mitbekommen kann und darum angesprochen wird, wie wenn er wach wäre. Dies war auch der Fall, wie mir meine Angehörigen bestätigt haben.

Bei mir war das Problem eher nach dem Aufwachen. Ich finde hier wäre eine bessere Aufklärung vonnöten gewesen: wo bin ich, warum bin ich hier, was ist passiert? Auch die Eingriffe wurden nie erklärt, sondern einfach durchgeführt, d.h. man weiss nie genau, was warum gemacht wird, etwas das mich sehr gestört hat. Es wurde mir auch nicht erklärt, warum ich nicht sprechen kann. Ansonsten war das Personal (Betreuer und Aerzte) immer sehr hilfsbereit, nett und machten mir Mut.

Wichtig nach der Intensivstation ist auch eine sofortige psychologische Aufarbeitung. Glücklicherweise wies mein Spitalbericht auch darauf hin, so dass ich von der ersten Rehawoche eine klinische Psychologin zur Seite hatte, was auch sehr hilfreich war. Sie übte mit mir auch verschiedene Entspannungstechniken wie autogenes Training. Der ganze Aufenthalt bleibt trotzdem traumatisch, aber darüber reden, schreiben und sich mit anderen auszutauschen kann ich nur empfehlen.

Viele Grüsse
Ezra
 
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