Lamas, die nicht spucken - Stella über Tibet und China

Themenstarter
Beitritt
19.03.06
Beiträge
9.021
Von Lamas und Tibet und China

China ist ein großes Land. Tibet auch. Tibet war früher ein mächtiges Reich. Heute ist China reicher. Und Tibet gehört heute zu China. So ungefähr seit sechzig Jahren. Das war nicht, weil die Tibeter das wollten, sondern die Chinesen wollten das. Die sind da einmarschiert, zack bumm! – Mein Papa meint, das ist ungefähr so, als wenn die Kölner heute sagen würden: ‚Düsseldorf, du würdest ganz prima zu uns passen und – zack bumm – ist Düsseldorf eingemeindet und ein Vorort von Köln.’
Das würde denen aber stinken, den Düsseldorfern! Und wenn die dann nicht mehr ihr Alt – Bier trinken dürften, sondern Kölsch süffeln müssten, und sie auf ihren Düsseldorfer Senf verzichten sollten, dann wären die erst recht sauer. Das nennt man nämlich Vorenthaltung der eigenen Kultur. Und das ist dann auch verboten, meinen die Vereinten Nationen, sagt Papa. Aber das machen die Chinesen in Tibet. Und die Vereinten Nationen vereinen sich wohl gerade woanders.

Ich weiß gar nicht, was die sich dabei denken, die Chinesen: Vielleicht meinen die: 'Das sind die Tibeter ja gewohnt! – Die kennen das gar nicht anders!' – Denn früher, das ist schon viele hundert Jahre her, also sogar noch bevor Papa auf die Welt kam, da haben die Mongolen Tibet erobert. Danach haben sie aber die Tibeter wieder in Ruhe gelassen und dann kamen die Lamas, aber nicht die lustigen Tiere, die spucken, wenn man sie ärgert (ich würde auch gerne spucken, wenn mein Bruder mich ärgert, aber das darf ich nicht, sagt Papa). Also die Lamas, das sind so irgendwie so Herrscher und Päpste zugleich. Dalai Lama heißen die richtig. Buddhisten sind das, sagt Papa. So genau weiß ich das nicht. Die haben dann jedenfalls lange dort geherrscht. Und dann kamen irgendwann die Briten. Was die da genau wollten weiß ich auch nicht. Papa sagt, die britische Küche sei nicht so besonders. Die tibetische soll aber ganz toll sein. Vielleicht wollten die sich ein paar Anregungen holen?

Von da an hat man es den Dalai Lamas und den Tibetern ganz schön schwer gemacht. Die mussten dauernd umziehen. Ich musste auch schon mal umziehen, das ist richtig doof. Auch der jetzige Dalai Lama, das ist schon der vierzehnte, musste irgendwann abhauen. Der wohnt jetzt in Indien. (In Indien gibt es keine Indianer, verstehe das wer will. Aber das ist jetzt nicht so wichtig!)
Jedenfalls, als die Chinesen Tibet eroberten, musste er sich bald davon machen. Den Dalai Lama kenne ich, aber nur von Bildern. Der guckt immer so lieb und Papa meint, das wäre ein ganz kluger Mann. Und außerdem ein Demokrat.
Trotzdem hat er sich mit der Angela getroffen. Papa sagt immer „die Schreckschraube“, wenn er von Angela spricht. Aber das soll ich eigentlich nicht erzählen. Also Papa hat gesagt: „Was ich der Angela hoch anrechne ist, dass sie sich mit dem Dalai Lama getroffen hat.“. Danach waren natürlich die Chinesen sauer. Das war jetzt nicht so schlimm. Die tollen chinesischen Spielzeuge kriegen wir immer noch. Die wollen ja auch weiter was verdienen, die Chinesen.

Und jetzt gibt es ja mächtig Ärger, wegen der Olympiade. Und wegen der Diktatur in China. Aber die Olympiade hat ja wenig mit China zu tun, sondern mehr mit Griechenland. Und Griechenland ist seine Diktatur ja auch losgeworden, sagt Papa. So genau weiß ich das nicht. Aber in der nächsten Klasse habe ich Geschichte. Und dann erzähle ich Euch mehr davon.


Stella, 9 Jahre

(Erfunden von Leòn)
 
Zuletzt bearbeitet:
wundermittel
Arme Stella,

ja, das ist schwer zu verstehen für ein Kind. Weißt du, Tibet ist ein großes Land, aber es leben nicht so viele Menschen dort. Das Land besteht ja auch fast nur aus Bergen. Die fangen erst dort an, wo bei uns die Zugspitze aufhört. Und auf der Zugspitze wohnen ja auch nicht so viele Leute.
Und rund herum sind riesige Länder. Die bräuchten so was wie Tibet gar nicht, aber bevor sich`s ein anderer holt, holen sie sich`s lieber selber. Wie dein Papa schon gesagt hat, die Mongolen haben damit angefangen, die Russen wollten auch mal, aber die hatten mit Sibirien noch genug am Hals, die Briten konnten ohnehin nie an einem Stück Land vorbeigehen, ohne es zu beschützen. Protectorat haben sie es deshalb genannt und die Chinesen dachten sich, Schlitzaugen aller Welt vereinigt euch.

Dass die Tibeter nicht beschützt werden wollten, darum konnten sich die Beschützer wirklich nicht auch noch kümmern. Da konnten die Vereinten Nationen nix tun. Denn Tibet ist ja kein Staat, den man schützen könnte. Der Staat heißt ja China und in China sich einzumischen ist irgendwie blöd, weil es so viele Chinesen gibt. Außerdem bringt das Schützen immer Ärger. Kaum hatten die Amerikaner die Irakis beschützt, schon waren die undankbar und ballerten wild durch die Gegend.

Weil die Menschen stets nur das Gute wollen, Stella, und beschützen eine der vornehmsten Aufgaben der Menschen ist, beschützen die Chinesen die Tibeter gegen wild gewordenen Mönche, so wie Birmanische Militärs vor ein paar Monaten ihr Land vor Mönchen beschützt haben. Die Dänen beschützen die Grönländer, die Russen beschützen die Abchasier vor den Georgiern, die Australier beschützen sich vor der Wut der Aboriginies, wie die Neuseeländer vor der Wut der Maoris. Und jetzt beschützen die Chinesen, die neben den Tibetern auch Millionen zornige Menschen in Sinkiang-Uigur beschützen, auch die olympische Flamme. Ja, da tränen unsere europäischen Augen, wie sich friedliebende Chinesen dieser uralten europäischen Idee des Beschützens annehmen, für eine gewisse Zeit so zu tun, als wären wir friedlich.

Viele Grüße, Horaz
 
Oben