Die neuen Wege der Piraterie-Mafia

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Gefälschte Medikamente


Sendeanstalt und Sendedatum:
BR, Dienstag, 4. August 2009 im Ersten

Plus Minus


Eine brisante Fracht kommt an, am Flughafen Frankfurt/Main. Es sind Säcke voller Post, die auf ´s erste harmlos aussehen. Bestellt von Bürgern in Deutschland, die meinen durch Schnäppchen ihren Geldbeutel zu schonen. Doch die Ware in diesen Umschlägen ist zum Teil gefährlich - Medizin aus Indien und China, bestellt in Online-Apotheken.

Viele Funde durch den Zoll

Andreas Urbaniak, Sprecher des Zolls am Frankfurter Flughafen, stellt seit geraumer Zeit fest, "dass Medikamente über den Frankfurter Flughafen eingeführt werden, die zum Beispiel dem Bereich Schmerzmittel zuzuordnen sind, was uns in der Tat etwas erstaunt…."
Gerade hat die EU Zahlen in ihrem Bericht "Medifake" vorgelegt: 32 Millionen illegaler Packungen hat der Zoll in einer vier Monate andauernden Schwerpunkt-Kontrolle beschlagnahmt, darunter Schmerzmittel, Antibiotika, ja sogar Mittel gegen Krebs. Der Anteil konfiszierter Medikamente gegen lebensbedrohliche Erkrankungen betrug dabei bereits 23 Prozent. Eine äußerst gefährliche Entwicklung.

Die Produktpiraten sind gut organisiert
Plusminus trifft Testkäuferin Julia Manner. Sie weiß das, denn sie arbeitet für eine Markenschutzfirma, bestellt Medikamente aus dubiosen Online-Apotheken.
Heute bestellt sie den Cholesterinsenker Lipitor zum Viertel des Preises, wie in einer herkömmlichen Apotheke. Dass das Medikament echt ist, bezweifelt sie. Drei Wochen später: Termin in der Zentrale, denn die Pillen sind da. Diesmal kam ein Couvert aus Indien! Hauptaufgabe der Firma jetzt: Das illegale Pharmanetzwerk zu analysieren. Wichtig ist alles, was Hinweise auf die Täter gibt, Umschlag, Briefmarke, Absender. "Es gibt Produzenten, es gibt Logistik-Abwickler, es gibt die Leute, die die online Shops hosten, die die Werbung schalten, die vielleicht auch ein Zwischenlager darstellen - also es sind wahnsinnig viele verschiedene Personen und Unternehmen beteiligt," erklärt Tobias Kopp von OpSec Security.
Plusminus fragt beim Originalhersteller nach: Handelt es sich bei diesem online bestellten Medikament um "Lipitor"? Oder ist das eine Fälschung?

Experten warnen eindringlich
Die Antwort von Unternehmenssprecher Martin Fensch von der Pfizer Deutschland GmbH lässt keinen Zweifel offen: "Das ist sicherlich kein Originalpräparat. Das ist ein nachgemachtes Präparat, das in dieser Form so nicht in Deutschland zugelassen ist. Es ist ein illegales Präparat. Ich kann also vor einer Einnahme dieses Präparats hier nur schärfstens warnen."
Laboruntersuchungen im Auftrag von Plusminus ergeben: Der Wirkstoffgehalt dieser Tabletten beträgt nur 90 Prozent. Drei Prozent sind sogar Fremdstoffe. Plusminus erhält Bilder von Privatermittlern der Pharmaindustrie. Sie zeigen schmutzige Labors in Hinterhöfen, wo gefälschte Medikamente zusammen gepantscht werden. Zum Beispiel, statt Wirkstoff nur blaue Farbe und Zement. Die Hauptproduzentenländer illegaler Präparate sind derzeit Indien und China. Ein Milliardengeschäft für die Pharmamafia.

Weltweit organisiertes Verbrechen
Das Beispiel des Osteoporosemittels Fosamax aus einem der Fälscher-Shops enttarnt die Schmuggelrouten. Christophe Zimmermann von der Weltzollorganisation WCO in Brüssel hat die Wege nachgezeichnet. "Die Ladung kam aus China, 450 Kilogramm wurden von China nach Hongkong geschickt." Von dort ging die Ladung im Transit über Dubai, Großbritannien bis auf die Bahamas. Eine Online-Apotheke, angesiedelt in Kanada, sammelte Bestellungen, die kamen von den Bahamas via Großbritannien in die USA. "Da sieht man ein Beispiel der Globalisierung des Verbrechens." Die Fälscher würden weltweit agieren, erklärt Christophe Zimmermann.
Die Grenzkontrollen zu verstärken sei zu wenig, so Generalsekretär der Weltzollorganisation Kunio Mikuriya. "Viele Nationalstaaten versuchen jetzt die Rechte des Zolls auszubauen, die Gesetze zu verschärfen, um die eigenen Bürger besser schützen zu können." Doch das würde nicht reichen, meint der Kunio Mikuriya.
Die Fälscher sind den Ermittlern immer einen Schritt voraus. Das zeigt das folgende Beispiel: Plusminus hat bestellt und erhält ein Päckchen aus der Maria-Hilferstraße in Wien: Illegale Schmerzmittel. Komisch, in Wien hatten wir gar nicht bestellt! Wer verbirgt sich hinter der Adresse?

Zwischenlager in der EU
Schnell steht fest: Die Fälscher nutzen eine Tarnadresse, hier gibt es keine Pharmafirma. Die Fälscher wollen damit die neuesten Zollbeschränkungen umgehen. Denn seit dem 23. Juli 2009 dürfen laut Arzneimittelgesetz AMG Pillen von außerhalb der EU hierher verschickt werden. Sogar dem Besteller kann eine Strafanzeige drohen. Deshalb geben die Fälscher im Internet bereits jetzt Adressen in der EU an und die verwenden sie auch als Absender. Sie schmuggeln en gros dubiose Medikamente aus Drittländern in die EU, bevor sie sie hier versandfertig machen. Mit unverdächtigem Absender. In unserem Fall: Wien.
Besorgniserregend ist auch dies: Das Anti-Virusmittel TAMIFLU taucht neuerdings als Fälschung ohne Wirkstoff auf. Jetzt, wo sich die neue Grippe ausbreitet, ist das eine ernste Gefahr, mahnt Sabine Kopp von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf. "Der Bedarf ist da, internationales Netzwerk ist wichtig, die Menschen haben Angst, sie bezahlen, egal welchen Preis und sie versuchen, egal woher, die Medikamente zu bekommen. Das sind alles grundsätzliche, klassische Fakten, die zum Handel mit Fälschungen führen." Fazit: Finger weg von Medikamenten aus dubiosen Online-Pharmashops!

(Bericht: Sabina Wolf/ Hendrik Loven)
 
Hallo Ron,

der Bericht ist sehr interessant und informativ. Vielen Dank.

Liebe Grüße Manuela:wave:
 
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