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19.03.06
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Hallo, einen Gruß an Alle;

die relativ jungen Begriffe ADS und ADHS stehen für eine ganze Reihe von Symptomen, die in Familie, Schulen und anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen oft als problematisch erlebt werden. Aus meiner Sicht ist nicht das Verhalten an sich das Problem, sondern das des Zusammenpassens, bzw. dessen was von der Majorität gewollt ist.

Um es mal flapsig zu formulieren: wenn ein lebendiges, lebensfrohes und temperamentvolles Schulkind auf eine Klasse mit ruhebereiten Trantüten :D trifft und möglichst noch auf einen preußisch-rigiden Lehrkörper, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Oder wie der schweizer Psychologe Dr. Rudolf Buchmann es viel feiner formuliert:;)

.....Das Problem der Passung
Da kommt ein sehr behütetes Kind, dem die ruhige Art seiner Eltern entspricht, in eine Klasse
von feurigen Rabauken. Es fühlte sich die ersten Lebensjahre sehr bestärkt, seine Vorliebe
für Ruhe auszubauen. Nun soll es plötzlich mit einer Lebhaftigkeit fertig werden, die es
ängstigt? Hat es Glück, teilt die Lehrkraft seine Vorliebe und dämpft und bändigt die Krakeler.
Hat es Pech, findet die Lehrkraft seine Art zu scheu und „verdrückt“. Sie findet Freude an der lärmigen Lebhaftigkeit.

Das umgekehrte Beispiel ist schnell erzählt: Das lebenslustige und lebenshungrige Kind trifft
auf eine Klasse mit hauptsächlich Ruhe schätzenden oder rückzugsbereiten Kameraden. Ist
hier eine strenge Lehrkraft, die nur die geordneten Bahnen schätzt und der alles Überschiessende
ein Gräuel ist, wird sich das Kind bald einmal entsprechend fühlen.....
https://www.praxis-buchmann.ch/linkbase/file.php?id=47

Für mich ist weniger die Frage nach der Symptomatik, bei der Lösung von "Problemen" im Zusammenhang mit den Begriffen ADS und ADHS wichtig, als die nach der Fähigkeit von Systemen - Familie, Kindergarten, Schule etc., sich darauf einzustellen.

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leòn

Ich sehe das ähnlich wie du.
Heute wird einfach alles "pathogenisiert". Für jede Charaktereigenschaft, die ein wenig von der Normalität (sprich: dem Durchschnitt) abweicht muss eine Krankheit gefunden werden.

Zudem ist es einfacher, ein Kind mit Ritalin voll zu stopfen als ihm mehr Betreuung zu geben.

Es gibt aber meiner Meinung nach durch aus Kinder, bei denen eine Behandlung Sinn macht. Nämlich dann, wenn sie aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit dem Schulstoff oder anderen Tätigkeiten nicht mehr folgen können, und sie dadurch in ihrer (wohlgemerkt! nicht die, der Eltern, Betreuer etc.) Lebensqualität eingeschränkt sind.

Gruss
Johanna
 
Hallo Johanna,

ich danke Dir für Deine Antwort.
....Es gibt aber meiner Meinung nach durch aus Kinder, bei denen eine Behandlung Sinn macht. Nämlich dann, wenn sie aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit dem Schulstoff oder anderen Tätigkeiten nicht mehr folgen können, und sie dadurch in ihrer (wohlgemerkt! nicht die, der Eltern, Betreuer etc.) Lebensqualität eingeschränkt sind. ...

Das sehe ich auch so. Ich arbeite beruflich häufig mit einer Schulleiterin zusammen, die mir gesagt hat: "Ich würde all den Kindern gerne das "Zeug" ersparen. Wir müssten personell besser ausgestattet sein!"
Da sehe ich aktuell - und strukturell - das Problem. Geeignete Schulformen, mit angepassten (sozial)pädagogischen Konzepten (die sogenannten E- oder V-Schulen) werden eher abgebaut, was ich nicht sooo verkehrt finde, da ich auch nicht viel von Seggregation halte. Aber es fehlt nach wie vor eine Stärkung der Regelschulen, mit geeigneten, entsprechend ausgebildeten Lehrkräften und es fehlt der notwendige und für die angesprochenen Kinder angemessene Rahmen.
Allein eine Fixierung auf 45 Minuten Unterricht ist, aus meiner Sicht, schon ein "Unding".

Herzliche Grüße von
Leòn
 
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