Trompetergebiss

  • Themenstarter Bodo
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Bodo

Teil 1

Am Donnerstag verließ ich frohen Mutes und mit einem Liedchen auf den Lippen
gegen 10:00 Uhr das Haus um ein paar Besorgungen zu tätigen.

Mit frischen Brötchen, 2 Gläsern Oliven und 3 Flaschen Brottrunk stand ich dann
um 10:45 Uhr, diesmal ein anderes Liedchen flötend, wieder vor der Eingangstüre.

Routiniert wanderte meine Hand Richtung Hosentasche. Da traf mich der Schlag:
Wo war die erwartete Beule, die der erwartete Schlüssel sonst ausformte?
Sie existierte nicht. Auch auf der anderen Hosenseite beulte nix, was auch nur
im Entferntesten Ähnlichkeit mit einem Schlüsselbund hatte.

Jetzt hieß es Ruhe bewahren. Ich hatte noch nie meine Schlüssel vergessen oder
verloren. Sollte also eine diesbezügliche Premiere eingetreten sein?
Nein nein. Sicher nicht. Der Schlüsselbund war höchstwahrscheinlich im Jutebeutel,
frönte dort sein Dasein neben Brötchen, Gläsern und Flaschen. Der Blick hinein
entsetzte: Außer dem Einkauf und einer Packung Tempos nix auszumachen.

Also alle Sachen raus aus dem Beutel und einzeln abgestellt, Sack auf links gedreht.
Nix. Kein erhoffter Schlüsselbund. Dafür drückt mir die freundliche Briefträgerin jetzt
die Post in die Hand und wir wünschen uns einen schönen Tag. Etwas irritiert
zieht sie des Weges und schaut mir mit meinem kleinen Warenlager auf der Treppe nach.

Betrübt konstatiere ich, dass der nun bereits schmerzlich vermisste Gegenstand
sich weder am Mann noch im Sack befindet. Also muss er sich im Laden befinden.
Musste ja dort sein, denn ich verliere oder vergesse keine Schlüssel, dass war klar.

Alle Sachen in den Beutel und noch mal zum Einkaufsladen. Auch das Sönnchen
kommt nun raus, wie nett. Dort angekommen wende ich mich an das Frollein an der Kasse:
"Entschuldigung, ist bei Ihnen oder einer Kollegin ein Schlüsselbund abgegeben worden?"
"Nein, junger Mann, hier ist nichts abgegeben worden."
"Auch kein Schlüsselbund, das hat so ein kleines Bärchen als Anhänger . . ."
"Nein, auch kein Schlüsselbund mit einem kleinen Bärchen."

Einige Anstehende schauen mich etwas mitleidig an und schmunzeln freundlich.
 
nette geschichte, bodo :eek:)

nur hier...
Wo war die erwartete Beule
...hab ich im ersten moment an was anderes gedacht, ich gebs zu :D

ich hatte am freitag auch ein absonderliches einkaufserlebnis. ich bin von einer quasseltante mit dem einkaufswagen angefahren worden, dass es mich fast über die weintrauben geschleudert hätte :rolleyes:

grüßle
alanis
 
Teil 2

Nun dämmert mir, dass das für Undenkbar gehaltene eingetreten ist. Was ist zu tun?
Keine Schlüssel, kein Handy, die Eltern im Urlaub. Und Hunger. Ich latsche also
erneut zum Haus und klingele nun bei dem Vermieter. Das ist mir etwas unangenehm,
denn unser Verhältnis ist suboptimal. Es wird mir geöffnet, die Dame des Hauses
kocht Fisch, was man leider riecht. Wir tauschen scheißfreundlich Bergrüßungsfloskeln
aus und man bittet mich hinein.

"Ich habe meine Schlüssel vergessen. Haben Sie einen Zweitschlüssel für die Wohnungstüre?
"Nein, den haben wir nicht. Das lehnten Sie damals ab. Ihre Vormieter waren da intelligenter . . ."

Die Stimmung ist kühl aber sachlich.

"Herr Freitag (Name geändert), ich schaue mal kurz rum ums Haus, ob ein Fenster offen steht.
Vielleicht kann ich ja dann über eine Leiter dort einsteigen."
"Tun sie das."
"Herr Freitag, weder zur Straßenseite noch zum Garten hin steht ein Fenster offen."
"Das wär eh zu gefährlich, dort rumzukraxeln. Hier haben sie ein Telefonbuch.
Dort suchen Sie sich jetzt mal einen Schlüsseldienst aus."


Für mich ist klar, dass ich erst als letzte Maßnahme einen Schlüsseldienst beauftragen werde.
Die sind unverschämt teuer und machen gerne die Türe kaputt. Muss nicht sein.
Also versuche ich Zeit zu gewinnen und durchstöber falschkonzentriert die Anbieteradressen.

"Herr Freitag, die sind alle teuer und machen gerne was kaputt. Dürft ich trotzdem Ihr Telefon benutzen?"

Die Frage wird bejaht und so rufe ich also bei meinem Bruder an. Der ist auf Arbeit
und wird erst gegen 18:00 Uhr zurück sein, bedeutet mir die Mutter meiner Schwägerin,
welche momentan auf meinen Neffen aufpasst. Die Schwägerin selbst ist in der Schule
und unterrichtet dort ihre I-Dötzchen, kommt erst um 16:00 Uhr zurück.

Dies teile ich dem Vermieter mit und mache mich auf den Weg in die Stadt.
Jetzt gilt es Zeit totzuschlagen und ein Treffen mit Frau Schwägerin nebst
Zweitschlüssel zu organisieren. Ich suche ein Wirtshaus auf und mache es mir
bequem. Es ist nun um 12:30. Ich bestelle einen Kaffee und esse eine Kleinigkeit.
Dann wird Zeitung gelesen und den angeregten Diskussionen der bereits leicht
angetrunkenen Gäste gelauscht.

Dabei fallen mir Sätze ins Ohr, die mir ob Ihres Inhaltes und der trockenen Formulierung imponieren und behagen.

Ich lausche versonnen und wende mich nach einiger Zeit an den Wortführer:

"Werte Herren, ich finde Gefallen an Ihrem Gespräch und muss die Zeit überbrücken.
Ist es Ihnen genehm, wenn ich mich zu Ihnen setze und ein wenig mitplaudere?"

"Ja, gerne."

Also sitze ich nun mit zwei altbiertrinkenden Herren älteren Semesters gemeinsam am Tisch
und es wird gemeinsam über Innenpolitik, Außenpolitik, Frauen und Fußball schwadroniert.
Sehr nett, hat etwas von gepflegtem Stammtisch.

Schnell stellt sich heraus, dass der Eine ein bekannter Anwalt ist. Ich sage:

"Dann kennen Sie meinen Vater."

Ich nenne seinen Namen und mein Sitznachbar strahlt.

"Mit dem habe ich gemeinsam in Köln studiert. Dann sind Sie also der Filius."

Jetzt fragt mich der zweite Herr, ob ich denn auch den damaligen und heutigen
Spitznamen des Studienkollegen kennen würde, was ich verneine.

"Trompetergebiss. Darf ich erzählen, wie es dazu kam?"

Sein Freund hat nix dagegen. Und so erfahre ich, wieso ein Anwalt Trompetergebiss genannt wird.

"Als Student lief S. einen Mann über den Haufen, weil er es eilig hatte und ihn übersah.
Er half ihm auf und entschuldigte sich. Allerdings hatte das Umlaufen böse Folgen:
Der Umgelaufene verlor 2 Zähne. Trotzdem machte er kein großes Theater und
man ging wieder auseinander. Dies allerdings lies unserem S. keine Ruhe. Er ließ
also seinen Zug sausen und lief zum Geschädigten zurück, um ihm seine Anschrift
zu hinterlassen. Das hätte er besser bleiben gelassen. Später stellte sich heraus,
dass das Gebiss sehr teuer saniert wurde, da es sich um ein "Trompetergebiss"
handelte. Der Mann war Musiker und konnte ohne aufwändige Zahnreparatur
nicht mehr vernünftig blasen.
Die Versicherung wendete sich daraufhin an S., der für den Schaden aufzukommen hatte
und einen angestrengten Prozess auf Abweisung der Zahlung verlor.
Seit dieser Zeit heißt er eigentlich nur noch Trompetergebiss."

Wir drei lachten und es wurde ein schöner Abend. Später lieh mir Trompetergebiss
sein Handy, mit dem ich Frau Schwägerin anrief.
Sie erschien dann gegen 18:00 Uhr und brachte mir die Zweitschlüssel.

Gut gelaunt setzte ich mich dann in den Bus und fuhr Heim. Die Zweitschlüssel passten.
 
ich sag´s ja immer wieder.

bodo, du bist der NETTE hier, gratuliere!


grüße
rudi

Bitte genau lesen! Wenn schon, denn schon. Alanis schrieb: "Nette Geschichte, Bodo."

Und nicht etwa: "Du bist wirklich nett Bodo, weil Du solch prima Geschichte erzählst."

Felix Rudi, Bodo :wave:
 
Hallo Bodo

Das ist ja ein sehr langer Einkauf geworden ;)

Mir fehlt Teil 3, resp. die Auflösung, wo denn Schlüssel samt Bärchen abgeblieben waren?!

Liebe Grüsse
pita
 
...jetzt sag bloss, die Tür war gar nicht abgeschlossen?????
:D

Liebe Grüsse
pita
 
Nein. Nicht zugeschlossen war die Tür, aber im Schloss. Sie konnte ja nicht
verschlossen sein, da ich ohne Schlüsselbärchenanhänger sie hinter mir ins
Schloss drückte.

Das hatte aber nichts daran geändert, dass ich nicht mehr hinein kam.

Eine Tür mit Sicherheitsschloss bleibt auch zu, wenn man sie nicht verschließt.
Dementsprechend war ich also auf den Zweitschlüssel angewiesen.

LG, Bodo
 
...hätte sich aber als Pointe der Geschichte ganz gut gemacht ;)

Liebe Grüsse
pita
 
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