Kassenärztliche Vereinigung

Ja, so ist das!

Ein besonders prägnantes Beispiel der „gierigen Ärzte“ fand sich in der Vergangenheit, wie nicht anders zu erwarten, in Nordrhein-Westfalen. Dr. Winfried Schorre (Neuropsychiater aus Köln), der von ´92 bis ´99 den Vorsitz der KV Nordrhein innehatte, kassierte für dieses Ehrenamt ein jährliches Honorar von 300.000 DM. Dies wurde damit begründet, dass er einen Full-Time-Job leiste und auch seine Praxis müsse durch kostspielige Vertretung nebenher weiterlaufen. Als Franz Müntefering, seinerzeit NRW Gesundheitsminister, davon erfuhr, setzte er per Aufsichtsanordnung die Aufwandsentschädigung Schorres auf 3.000 DM pro Monat herunter. (Deutsches Ärzteblatt, 17. Februar 1995) Schorre verteidigte sich mit der Äußerung, der Vorsitzende einer KV sei de facto Berufspolitiker (sic!). Bei einer Klage vor dem Sozialgericht in Düsseldorf kam heraus, dass Schorre nach wie vor die Hälfte seiner Zeit mit Praxistätigkeit verbringe. Und was das Fass endgültig zum Überlaufen brachte, ist die Tatsache, dass er sogar noch für ein weiteres Ehrenamt Zeit fand. Auch hierfür kassierte er ein Honorar in Höhe von 170.000 DM. (Quelle: ARD Panorama)

Schorre machte auch bundesweit im Fall „Schottdorf“ Schlagzeilen, weil er als Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in einem Laborbetrugsskandal jahrelang untätig blieb. Nach Presseberichten ging es um die Veruntreuung von einer Milliarde DM und die Drähte des bundesweiten Laborkartells reichten bis in die KBV. Der Vorsitzende der bayerischen Hausärzte Wolfgang Hoppenthaler sprach seinerzeit sogar von mafiösen Strukturen in der KBV. Schorre trat im Dezember 1999 von allen Ämtern „aus persönlichen Gründen“ äußerst überraschend zurück.


Staatsanwaltschaft in der KV Nordrhein
Geht's den Funktionären an den Kragen?

DÜSSELDORF - Nach den mutmaßlichen Großbetrügern im Laborbereich gehen die Staatsanwälte nun auf die KVen los. Diese wollen vom Abrechungsbetrug jahrelang nur wenig mitbekommen haben. Wuppertaler Staatsanwälte prüfen jetzt, ob die KV Nordrhein Plausibilitätskontrollen vorsätzlich vernachlässigt hat und zogen deshalb eine Durchsuchung in der KV Nordrhein durch.

Wenn einige von dem Honorarkuchen, der zu verteilen sei, unrechtmäßig viel wegnähmen, dann sei die Staatsanwaltschaft aufgerufen, das zu verhindern, erst recht dann, ,,wenn die KV dies nicht selbst tut", so der Staatsanwalt.

Von besonderem Wert seien für die Staatsanwaltschaft die Erkenntnisse, die der frühere Prüfarzt Dr. ROLF KEMPEN gesammelt habe, bis er von der KV Nordrhein auf intensives Betreiben des damaligen Vorsitzenden Dr. WINFRIED SCHORRE vor zwei Jahren gefeuert worden ist. Dr. Kemper hatte während seiner Prüfarzttätigkeit umfangreiche Unterlagen angelegt, die nach seiner Aussage ,,Unregelmäßigkeiten in erheblichen Umfang" zeigen.

Aber schon bald zeigte sich, dass die Durchsetzung der Prüfungen auf enorme Widerstände besonders in den oberen KV-Etagen stieß. So kam es, dass nur zwei Bezirksstellen, die Bezirksstelle Bergisch-Land und die Bezirksstelle Essen, ernsthaft und konsequent den Vertreterbeschluss zur Verschärfung der Plausibilitätsprüfungen in die Tat umsetzten. Zahlreiche Schreiben, die der damalige Verwaltungsrat der Bezirksstelle Bergisch-Land, dessen damaliger Prüfarzt Dr. ROLF KEMPEN sowie die Arbeitsgemeinschaft Wuppertaler Ärzte zwischen 1996 und 1999 immer wieder an den Vorstand der KV Nordrhein gesandt hatten, er solle doch endlich dafür sorgen, dass die beschlossenen Plausi-Prüfungen auch durchgesetzt werden, blieben unberücksichtigt. Stattdessen wurde der Prüfarzt Dr. Kemper im Jahre 1991 an seinem Arbeitsplatz monatelang kalt gestellt, so klagte er vor dem Düsseldorfer Arbeitsgericht. Schließlich wurde er gefeuert. In einem außergerichtlichen Vergleich mit der KV ließ sich Dr. Kemper im Mai 1998 außerdem einen Maulkorb umhängen.

Die Verzögerungstaktik der KV ging bis Sommer 1999 voll auf. Noch im Dezember 1998 hatte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft Dr. Clausens Anzeige gegen den KV-Vorstand wegen Betrugs und Untreue abgeschmettert. Erst Dr. Clausens Beschwerde beim Generalstaatsanwalt führte dazu, dass schließlich die Wuppertaler Schwerpunktstaatsanwaltschaft mit dem Verfahren betraut wurde. Sie ermittelt nun seit Juni 1999 gegen den gesamten KV Vorstand, einschließlich seines inzwischen zurückgetretenen Chefs Dr. Schorre. Besonders heikel könnte es für die KV Nordrhein werden, wenn Dr. Kemper von der Staatsanwaltschaft vorgeladen wird. Denn dort ist er trotz Maulkorb zur Aussage verpflichtet."

(Bericht der Medical Tribune)

Interessant auch, wie die Medical Tribune in der Ausgabe vom 24. März 2000 das Kürzel "KV" übersetzt: als "Kriminelle Vereinigung" - siehe Anhang.

Grüsse!
 

Anhänge

  • Medical Tribune.pdf
    814.6 KB · Aufrufe: 5
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bleibt nachzureichen, dass die KVen maßgeblich in die Behandlungskonzepte ihrer Mitglieder eingreifen, indem sie überdurchschnittlich arbeitende Kassenärzte nach Gutdünken mit Regressen bestrafen können. So wird jeder Arzt zu durchschnittlichen Leistungen gezwungen. Andernfalls droht der Ruin.

Wenn die erfolgreichen Ärzte für CFIDS/ME fast durchweg Privatärzte sind, dann geht das auf dieses gesundheitspolitische Raisonnierungsinstrument zurück. Der Griff in die Kasse ist also nicht das Schlimmste; viel schlimmer ist die Einmischung in Diagnostik- und Therapiekonzepte zum unermesslichen Schaden der gesetzlich versicherten Patienten!

Grüsse!
 
[FONT=Trebuchet MS, Arial, Helvetica]RA Dr. jur. Hugo Lanz in

MEDIZINISCHE ETHIK IM 21. JAHRHUNDERT - ZUR ANTHROPOTECHNIK DER MENSCHLICHKEIT (Link)
[/FONT]
[FONT=Trebuchet MS, Arial, Helvetica] 3. Ist der Kassenarzt zum Lügen verpflichtet?

Die ganze Perfidität des Systems kommt da zum Ausdruck, wo man rationalisiert und dies dem Patienten verheimlicht. So zitiert die Ärztezeitung vom 09.12.1999 einen britischen Onkologen:

"Wenn ich weiß, dass mein Budget die Verschreibung eines teuren onkologischen Präparats nicht zulässt, dann erzähle ich meinem Patienten einfach, dass es keine Heilung gibt."

Das ist meiner Ansicht nach Mord. Man kann es aber auch als „sozialverträgliches Frühableben" bezeichnen. In Deutschland ist es noch schlimmer. Hier bedrohen Sozialrichter Kassenärzte mit dem Verlust ihrer Zulassung, wenn sie nicht bereit sind, ihre Patienten durch Verschweigen umzubringen:

Eine niederbayerische Ärztin behandelt eine ältere Patientin, so wie es die Fachgesellschaften vorschreiben. Nachdem sie Kritik an Funktionären der Kassenärztlichen Vereinigung übt, wird sie mit einem Prüfverfahren überzogen. Der Prüfungsausschuss meint, es müsse im Hinblick auf des hohe Alter der Patientin geprüft werden, inwieweit der Einsatz dieser Medikamente überhaupt sinnvoll und zweckmäßig ist.

Im Sozialgerichtsverfahren erklärte (laut Medical Tribune vom 30. April 1999) der Münchner Sozialrichter der Kassenärztin:

„Wenn Sie weiterhin Ihre Patienten nach den Vorgaben der medizinischen Fachgesellschaften behandeln und nicht nach den Budgetgrenzen von KV und Kassen, müssen Sie damit rechnen, dass ein Antrag auf Entzug Ihrer Kassenzulassung gestellt wird."

Versuch einer Anstiftung zum Totschlag würde ich sagen. Die zuständige Staatsanwaltschaft dagegen findet das alles ganz harmlos. Darauf der Anwalt der Kassenärztin:

„Dann ist die Ärztin ja gezwungen, ihren Kassenpatienten Privatrezepte auszustellen. Aber dann verliert sie ihre Zulassung auch." Darauf der Sozialrichter trocken: „Ja, das ist so."

Versuchte Anstiftung zum Mord würde ich sagen. Denn es ist heimtückisch, wenn ein Arzt seinem Patienten Heilungsmöglichkeiten verschweigt, da der Patient regelmäßig seinem Arzt vertraut.


[/FONT]​
[FONT=Trebuchet MS, Arial, Helvetica]Je mehr man sich mit den Strukturen und Auswirkungen beschäftigt, umso klarer wird, warum das Gesundheitssystem in Deutschland selbstverwaltet ist. Das ist so ein schmutziges Geschäft, dass selbst Politiker möglichst wenig damit zu schaffen haben möchten. Outsourcing von Verantwortung durch Verfassungsorgane könnte man das auch nennen.


Grüsse!

[/FONT]
[FONT=Trebuchet MS, Arial, Helvetica]
[/FONT]
 
„Dann ist die Ärztin ja gezwungen, ihren Kassenpatienten Privatrezepte auszustellen. Aber dann verliert sie ihre Zulassung auch." Darauf der Sozialrichter trocken: „Ja, das ist so."

Das versteh ich jetzt nicht ganz. Ich bekomme öfter mal Privatrezepte vom
kassenärztlichen Hausarzt.
Oder gilt das explizit für Medikamente, die die Kasse übernehmen müßte?
 
Die Frage kann man gar nicht pauschal beantworten, denn das System ist statt von Recht und Logik von Willkür geprägt. Deshalb lautet das oberste ärztliche Prinzip: Nur nicht auffallen!

Wenn es der KV ein Dorn im Auge ist, wie ein einzelner Arzt behandelt und verschreibt, dann kann sie ein Prüfverfahren einleiten. Alles was überdurchschnittlich ist – sei es Qualität oder Kosten – ruft potentiell die Prüfinstanzen auf den Plan, denn Ziel ist die Durchschnittlichkeit. Wer darüber hinausgeht, ist sogar mit Verweis auf die Berufsordnung „unkollegial“ und zusätzlich potentiell von einem Berufsverfahren durch die Ärztekammer bedroht.

Ein Arzt, der sich aus fachlichen und ethischen Überzeugungen über den Durchschnitt seiner 08/15 Kollegen hinwegsetzt und die überdurchschnittlichen Leistungen auf Versichertenkarte erbringt, steht wegen drohender Regresse mit einem Bein - bisweilen auch mit beiden – mitten in der Insolvenz. Dr. Klaus Oehler in einem Artikel der Zeitschrift Medizinisches Recht (1999, S.367 f.): „Gute Qualität wird durch Pauschalprüfung bestraft, schlechte Qualität belohnt.“ Das sind typische Auswüchse der Selbstverwaltung.

Die Alternative der privatärztlichen Behandlung von Kassenmitgliedern ist rechtlich ebenfalls kritisch. Geht ein Kassenarzt nämlich derartig vor, stellt er das System der gesetzlichen Krankenversicherungen bloß, das suggerieren möchte, jede notwendige medizinische Leistung würde getragen.

Den Artikel „Jeder kriegt, was er braucht. Von wegen!“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 2. Mai 2010, kommentierte Dr. Axel Brunngraber unter faz.net folgendermaßen:

...als langjähriger Richter für "Kassenarztrecht" am hiesigen Sozialgericht (die Selbstverwaltung entsendet ärztliche Fachrichter) darf ich auf das uns Richter bindende "WANZ"-Prinzip hinweisen: nicht Patienten-Bedürfnisse, nicht Versicherten-Willen sind Richtschnur. Vielmehr "Wirtschaftlich/ Angemessen/ Notwendig/ Zweckmäßig", eben WANZ. Diese scheinbar "klaren Kriterien" der Arztentscheidung sind höchst wirksame Stellschrauben staatlicher Priorisierung und Rationierung. WANZ ist die "Latte" im ärztlichen Hochsprung, die zu reißen die eigene Existenz kosten kann. Diese absurde Haftung für Umsätze fremder "Lieferanten" (z.B. Pharmazie, Physiotherapeuten) kann zu Honorarabzügen in sechsstelligem Bereich führen!

Hier wird die persönliche ärztliche Loyalität gegenüber dem Kranken systematisch außer Kraft gesetzt. Und all das rechtlich sanktioniert! Wir haben das vor Bundes-Sozialrichtern verglichen mit "der Situation eines weißen Richters in den 50er Jahren in Alabama. Der - an diskriminierende Gesetze gebunden - einen schwarzen Mitbürger verurteilen muß wegen Nutzung eines für Weiße reservierten Busunterstandes bei Regen". Wohl legal, aber niemals legitim... Diese verborgene Entscheidungsstruktur muss aufgedeckt werden. Danke dafür!“


Der Schein soll gewahrt bleiben, weshalb der quertreibende Arzt nach außen als Abzocker oder Abrechnungsbetrüger diffamiert und verfolgt wird. Dass der zugrunde liegende Maßstab das eigentliche Übel ist, wird dabei großzügig verschwiegen. Die KV hat sogar solch eine Machtfülle, dass sie die (eh schon grenzwertigen) Empfehlung der medizinischen Fachgesellschaften missachten kann. Dies sogar mit Verweis auf das Alter! Euthanasie?

Zitat eines Präsidenten eines deutschen Landessozialgerichts:
Es kommt nicht auf Recht oder Unrecht an. Wer das Kassensystem stört, fliegt raus!

Aus dieser grundsätzlichen Problemstellung heraus geben viele überdurchschnittlich arbeitende Ärzte übrigens früher oder später ihre Kassenzulassung ab. Das beruht auf einer abrechnungstechnischen Zwickmühle und nicht auf Gier, wie man bei oberflächlicher Betrachtung vorschnell urteilen könnte.

Grüsse!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das Ganze ist kaum noch mit dem hippokratischen Eid zu vereinbaren.
Mir hat mal ein Kassenarzt gesagt, dass er mir in seinem Rahmen nicht helfen kann, ich soll besser zum Privatarzt gehen.
Das ist wenigstens ehrlich, besser als so belogen und diffamiert zu werden.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Oben