Die Frage kann man gar nicht pauschal beantworten, denn das System ist statt von Recht und Logik von Willkür geprägt. Deshalb lautet das oberste ärztliche Prinzip: Nur nicht auffallen!
Wenn es der KV ein Dorn im Auge ist, wie ein einzelner Arzt behandelt und verschreibt, dann kann sie ein Prüfverfahren einleiten. Alles was überdurchschnittlich ist – sei es Qualität oder Kosten – ruft potentiell die Prüfinstanzen auf den Plan, denn Ziel ist die Durchschnittlichkeit. Wer darüber hinausgeht, ist sogar mit Verweis auf die Berufsordnung „unkollegial“ und zusätzlich potentiell von einem Berufsverfahren durch die Ärztekammer bedroht.
Ein Arzt, der sich aus fachlichen und ethischen Überzeugungen über den Durchschnitt seiner 08/15 Kollegen hinwegsetzt und die überdurchschnittlichen Leistungen auf Versichertenkarte erbringt, steht wegen drohender Regresse mit einem Bein - bisweilen auch mit beiden – mitten in der Insolvenz. Dr. Klaus Oehler in einem Artikel der Zeitschrift Medizinisches Recht (1999, S.367 f.):
„Gute Qualität wird durch Pauschalprüfung bestraft, schlechte Qualität belohnt.“ Das sind typische Auswüchse der Selbstverwaltung.
Die Alternative der privatärztlichen Behandlung von Kassenmitgliedern ist rechtlich ebenfalls kritisch. Geht ein Kassenarzt nämlich derartig vor, stellt er das System der gesetzlichen Krankenversicherungen bloß, das suggerieren möchte, jede notwendige medizinische Leistung würde getragen.
Den Artikel
„Jeder kriegt, was er braucht. Von wegen!“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 2. Mai 2010, kommentierte Dr. Axel Brunngraber unter faz.net folgendermaßen:
...als langjähriger Richter für "Kassenarztrecht" am hiesigen Sozialgericht (die Selbstverwaltung entsendet ärztliche Fachrichter) darf ich auf das uns Richter bindende "WANZ"-Prinzip hinweisen: nicht Patienten-Bedürfnisse, nicht Versicherten-Willen sind Richtschnur. Vielmehr "Wirtschaftlich/ Angemessen/ Notwendig/ Zweckmäßig", eben WANZ. Diese scheinbar "klaren Kriterien" der Arztentscheidung sind höchst wirksame Stellschrauben staatlicher Priorisierung und Rationierung. WANZ ist die "Latte" im ärztlichen Hochsprung, die zu reißen die eigene Existenz kosten kann. Diese absurde Haftung für Umsätze fremder "Lieferanten" (z.B. Pharmazie, Physiotherapeuten) kann zu Honorarabzügen in sechsstelligem Bereich führen!
Hier wird die persönliche ärztliche Loyalität gegenüber dem Kranken systematisch außer Kraft gesetzt. Und all das rechtlich sanktioniert! Wir haben das vor Bundes-Sozialrichtern verglichen mit "der Situation eines weißen Richters in den 50er Jahren in Alabama. Der - an diskriminierende Gesetze gebunden - einen schwarzen Mitbürger verurteilen muß wegen Nutzung eines für Weiße reservierten Busunterstandes bei Regen". Wohl legal, aber niemals legitim... Diese verborgene Entscheidungsstruktur muss aufgedeckt werden. Danke dafür!“
Der Schein soll gewahrt bleiben, weshalb der quertreibende Arzt nach außen als Abzocker oder Abrechnungsbetrüger diffamiert und verfolgt wird. Dass der zugrunde liegende Maßstab das eigentliche Übel ist, wird dabei großzügig verschwiegen. Die KV hat sogar solch eine Machtfülle, dass sie die (eh schon grenzwertigen) Empfehlung der medizinischen Fachgesellschaften missachten kann. Dies sogar mit Verweis auf das Alter! Euthanasie?
Zitat eines Präsidenten eines deutschen Landessozialgerichts:
Es kommt nicht auf Recht oder Unrecht an. Wer das Kassensystem stört, fliegt raus!
Aus dieser grundsätzlichen Problemstellung heraus geben viele überdurchschnittlich arbeitende Ärzte übrigens früher oder später ihre Kassenzulassung ab. Das beruht auf einer abrechnungstechnischen Zwickmühle und nicht auf Gier, wie man bei oberflächlicher Betrachtung vorschnell urteilen könnte.
Grüsse!