Wie werdet ihr psychisch mit der Erkrankung fertig?

Hallo!

Ich kann Eure Einwaende und Bedenken bzgl. der Faehigkeit den Weg ueberhaupt zu bewaeltigen, die Therapiesitzung kraftmaessig konstruktiv nutzen zu koennen und moegliche Ausfaelle nicht vermeiden zu koennen sehr gut verstehen.

Ich kann nur schildern, wie ich es geschafft habe und das es mich vorwaerts gebracht hat...

Fuer mich lag alle Konzentration auf der Therapie, nachdem sich mein gesundheitlicher Zustand nach ca. 2 Jahren etwas besserte.

Ich lebe alleine, habe keine Kinder etc. und somit die Moeglichkeit strikt 2 Tage vor und nach der Therapie keinerlei Pflichten zu haben.
Mein Umfeld weiss, dass ich i.d. Regel an Therapietagen nicht telefoniere usw.
Ich werde zu jeder Therapie gefahren und abgeholt, auch mit nem Fahrstuhl.

Wenn ich in einer Woche andere Pflichten habe, wie Aemter oder Arzttermine, sage ich die Therapie fruehzeitig ab.
Wenn es nicht anders geht, dann kurzfristig.

Meiner Erfahrung nach und nach Erzaehlungen einer anderen CFS-Betroffenen, mit der ich in Kontakt stehe, unterscheidet ein Therapeut, warum ein Klient seinen Termin absagt.

Wenn ein koerperlich schwer kranker Klient als solcher eine Psychotherapie beginnt, kann schon eine Individuelle Absprache bezueglich Terminabsagen getroffen werde, ohne das "Geldstrafen" drohen.
Wenn ein Therapeut bereit ist, sich auf das Risiko haeufigerer Absagen einzulassen, besteht manchmal auch die Moeglichkeit sich einen eher flexiblen Termin geben zu lassen.
Ich denke das A und O ist hier die transparente Absprache..und ein Psychotherapeut arbeitet auch aus anderen Motiven als solcher, als ein Finanzverwalter.

Ich habe inzwischen das Glueck, meine Gedanken wieder formulieren zu koennen, aber 1x die Woche durch die Gegend zur Therapie kutschiert zu werden - als einzigen Ausflug - auch ich bin ansonsten in meinem Privatgefaengnis - empfinde ich nicht als "leichtes" cfs.

Jedoch ist das Empfinden von leicht und schwer subjektiv
und steht auch in Relation zum Verlust, zur individuellen Symptomatik, zum Verstaendnis im Umfeld usw...

Zum Glueck bin ich nicht mehr bettlaegerig und wer es ist hat es definitiv wesentlich schwerer als derjenige, der viel sitzen kann.
Aber ich denke, hier ist nicht der Ort, um darueber zu streiten, wer es leichter oder schwerer hat.

Leicht hat es hier in diesem Themenbereich sicherlich niemand, aber alle haben es verdient, Erleichterung zu finden.

Liebe Gruesse
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich lebe alleine, habe keine Kinder etc. Ich werde zu jeder Therapie gefahren und abgeholt, auch mit nem Fahrstuhl ... aber 1x die Woche durch die Gegend zur Therapie kutschiert zu werden - als einzigen Ausflug - empfinde ich nicht als "leichtes" cfs.
Solltest Du es geschafft haben, daß der Behindertenfahrdienst sich um Dich kümmert, oder wer fährt einen "Alleinlebenden" mit dem Auto zur Therapie ?

Jedoch ist das Empfinden von leicht und schwer subjektiv und steht auch in Relation zum Verlust. Leicht hat es hier in diesem Themenbereich sicherlich niemand, aber alle haben es verdient, Erleichterung zu finden. Ich habe inzwischen das Glueck, meine Gedanken wieder formulieren zu koennen,
Liebe Gruesse
Wenn Du unter "in Relation zum Verlust" den Verlust an sozialen Fähigkeiten verstehst, dann ist das sicherlich richtig. Soziale Isolation führt zu weiteren Behinderungen, wie Angsterkrankung, die Hemmung Kontakt aufzunehmen, Verlust der Sprachfähigkeit (die passenden Wörter werden nicht mehr gefunden, Sätze werden verdreht, Fremdwörter werden nicht mehr verwendet, oder es kann nicht mehr ädaquat oder schlagfertig geantwortet werden). Insofern kann ich Dein: "Gedanken wieder formulieren zu koennen" gut nachvollziehen. Auch werden nach vorangegangenen frustrierenden Erlebnissen, weitere Termine oder Telefonate hinausgezögert, da das negativ Erlebte wesentlich länger im Bewußtsein bleibt, als wenn noch genug anderweitige soziale Ablenkung vorhanden ist. CFS-Kranke werden nach einiger Zeit auch immer empfindlicher (Motto: Jetzt reiß dich doch mal etwas zusammen, dann kannst Du das auch). Diese Überempfindlichkeit kann dann wieder zum Verlust von noch bestehenden Beziehungen führen. Insofern muß Therapie nicht einmal "nützlich" sein. Es reicht schon aus dadurch "regelmäßig sozial angeregt und gefordert zu werden".

Das Problem ist und bleibt jedoch, daß alle Termine "gemanagt" werden müssen. Gerade in diesem Staat gibt es viel zu viele bürokratische Pflichttermine. Viel zu viele Anträge, die vorrangig fristgerecht bei Ämtern eingereicht werden müssen. Genau diese "Mühsal" wird anderen Personengruppen (Strafentlassene, Behinderte, Drogensüchtige, Demenzkranke, Ausländer) oft von Sozialarbeitern bzw. Sozialtherapeuten abgenommen. Der CFS-Kranke muß aber alles selbst erledigen, was ihm sehr oft die Kraft raubt sich auch noch mit einer Therapie zu belasten.

Insofern werde ich nie Verständnis dafür haben, daß alle möglichen Sozialtherapeuten oder Sozialarbeiter regelmäßig Personen betreuen / besuchen die körperlich und geistig topfitt sind, daß aber Personen, die ihr ganzes Leben Steuern gezahlt und in die Krankenversicherung einbezahlt haben, überhaupt keine Hilfe bekommen. Das ist eine unglaubliche Verschwendung von Resourcen, denn viele CFS-Kranke haben vorher ein Studium abgeschlossen und gelten somit als hoch Qualifizierte. Außerdem kann ich das nur noch als Diskriminierung / Euthanasie von Umwelterkrankten ansehen.

Diesbezüglich erinnere ich mich noch an den Deutsch-Türken Murat Kurnaz der ins US-Gefangenenlager Guantanamo verschleppt wurde. Als er dann wieder entlassen wurde, bekam er wie ein CFS Kranker keinerlei Hilfe (er war ja kein Strafgefangener mehr, kein Drogenabhängiger und auch kein Ausländer). Letztlich blieb ihm nichts anderes übrig, wie Benzin in eine Mülltonne zu schütten und diese Anzuzünden, um wieder "zur Kenntnis genommen" zu werden. Sollten nun die CFS Kranken auch ein paar Brandbomben werfen, um nicht länger diskriminiert und ignoriert zu werden ?
 
@ Manno

Nein, kein Behindertendienst kutschiert mich.
Gehbehinderung wurde mir leider nicht anerkannt, obwohl klar da.

Einige Monate konnte mich eine Freundin fahren, zur Zeit meine Eltern, die ganz in meiner Naehe wohnen und mich zu allen Terminen fahren, sowie Einkaeufe erledigen usw.

Tja, was soll ich zu Deinen weiteren Ausfuehrungen sagen..
Die Augen davor verschliessen ist sicher nicht der richtige Weg, aber ich habe keine Ressourcen mich so deutlich der Misere zu stellen, dass CFS keine Lobby hat. So wie der Guantanamo-Haeftling.

Wie schon zuvor von Castor angesprochen, laeuft man Gefahr, den Psychostempel zu bekommen, bzw aufrecht zu halten.
Ja - ich hab diesen Stempel auch und gebe dem ganzen sicher noch mehr Futter, wenn ich eine Psychotherapie mache.

Fuer die, die es so interpretieren wollen.

Aber ich weiss, was die Wahrheit ist, ihr wisst, was die Wahrheit ist..und ich bin zuversichtlich, dass sie sich irgendwann durchsetzt.
 
Sollten nun die CFS Kranken auch ein paar Brandbomben werfen, um nicht länger diskriminiert und ignoriert zu werden ?

Tja, Aufmerksamkeit würde das sicher bringen. Allerdings würden die Schlüsse, die die "Ofiziellen" daraus ziehen, höchst kontaproduktiv sein. Sofort würde der CFIDS-Kranke, der das macht, als Psychopath bezeichnet werden. Und alle Mitbetroffenen nähme man in Sippenhaft. Das wäre nur Wasser auf die Mühlen der Gesundheitsfunktionäre, die immer wieder neue Beweise für ihre unwissenschaftlichen Psycho-Thesen bezüglich chronischer Erkrankungen suchen.

Wenn z.B. amoklaufende Schüler in den Medien zerrissen werden, wird meist großzügig übersehen, dass sich viele von ihnen in psychotherapeutischer Behandlung befanden und mit Psychopharmaka vollgepumpt waren. Viele Antidepressiva (z.B. mit dem Wirkstoff Fluoxetin) steigern die Suizidbereitschaft und wirken enthemmend. Das als (Mit-)Ursache zu erkennen, kommt den Verantwortlichen jedoch zuletzt in den Sinn. Dabei resultiert das oftmals initiierende Schulversagen, verursacht durch ADS (das wiederum lt. Kuklinski vielfach mit schlichter Substitution von Vitamin B6 und Zink beseitigt werden könnte), aus einer miserablen medizinischen Versorgung und Kenntnislücken der Fachärzte.

Grüsse!
 
Wut

Einige von Euch erzaehlen von einer riesen-Wut..

Ich hatte auch ueber Monate eine extreme Wut in mir, die scheinbar aus dem Nichts kam, die ich nicht immer klar zuordnen konnte.
Meist versuchte ich der Wut durch Betriebsamkeit zu entkommen, indem ich mich voellig ueberanstrengte, bis ich schliesslich in Traenen ausbrach.
(Totale Ueberanstrengung bedeutet in meinem Fall z.B. das Bett an einem Stueck neu zu beziehen).

Irgendwann war mir bewusst, dass die Wut gegen psychologisierende Aerzte; gut gemeinte Ratschlaege, die verdeutlichten, dass derjenige einfach nicht begriff, wie es mir geht und was vor sich geht (Stichwort "trainieren, Sport machen, sich aufraffen"); und vor allem gegen meinen Koerper gerichtet war, der einfach nicht tat was ich wollte.

Meine Psychotherapeutin machte mir klar, dass hinter meiner Wut (ich kann hier nur fuer mich sprechen!) ganz viel Trauer, Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit verborgen lag.

Das war mir zwar schon bewusst, aber ich dachte, wenn ich all diesen anderen Gefuehlen Raum lasse, komme ich da nicht mehr raus.
Mir wurde in der Psychotherapie verdeutlicht, dass diese Gefuehle ihre Daseinsberechtigung haben und sich immer wieder einen Weg suchen wuerden, um beachtet zu werden.., bis ich sie zulasse.

Dann bekam ich die Aufgabe, mir ca. 45 Minuten bis 1 Stunde Zeit zu nehmen, in der mein Koerper mir einen Brief schreibt.
Spaeter sollte ich / bzw. mein "Kopf" meinem Koerper einen Brief schreiben.
Zudem sollte ich minimum den Rest des Tages nichts als Ruhe einplanen, da dieser Prozess sehr anstrengen koenne.
(Ich dachte "wie soll das gehen? Ich bekomme nach 5 Zeilen schreiben schon Kraempfe in den Haenden", aber fuer diese Aufgabe biss ich mich Haende-schuettelnd durch).

Ich fand es unglaublich, was mein Koerper mir alles zu sagen hatte.
Fuer mich / meinen Kopf war er inzwischen dieses bloede Ding, dass nicht mehr funktionierte, viel Geld kostete....und mir mein ganzes Leben versaute...

Mein Koerper aber tat alles, was in seiner Macht stand, um mein Leben auf diesem Planeten fortfuehren zu koennen und bat darum, dass seine Signale ernst genommen werden und ich ihn nicht als meinen Sklaven behandel...
Dass wir ein Team sind, bzw. wieder eins werden muessen....

In diesen Briefen nahm ich auch Abschied von all meinen Verlusten.
Alles was ich frueher konnte und mochte zog an mir vorbei und wurde letztlich als "Leben Teil 1" begraben.
Mein jetziges Leben mit CFS ist nun "Leben Teil 2" und ich bin dafuer, dass es auch noch "Leben Teil 3 gibt"...

Letztlich fuehrte dieser persoenliche Briefwechsel zu einer regelrechten Versoehnung, die sich in mir ausbreitete.
Nicht nur, dass ich mich mit meinem Koerper versoehnte, sondern all die Wut gegenueber anderen verschwand.
Vielleicht, weil ich nun wieder mit mir im Reinen war.

Es kommt immernoch vor, dass ich mit dem Kopf durch die Wand will.
Vor allem, wenn das Wetter schoen ist und die ganze Welt draussen und frei zu sein scheint..nur ich liege in meinem Gefaengnis..
Aber an diesen Tagen darf mein Kopf, meine Seele trauern.
Es ist schliesslich nicht leicht..und eines Tages wird es wieder regnen..und dann bin ich froh, ein Dach ueber dem Kopf zu haben ;)
 
Wuhu,
...
In diesen Briefen nahm ich auch Abschied von all meinen Verlusten.
Alles was ich frueher konnte und mochte zog an mir vorbei und wurde letztlich als "Leben Teil 1" begraben.
Mein jetziges Leben mit CFS ist nun "Leben Teil 2" und ich bin dafuer, dass es auch noch "Leben Teil 3 gibt"...
das mit den Briefen gefällt mir. Sie sind ein gutes Hilfsmittel, denn man kann auch ohne solche Briefe zur Erkenntnis kommen... Dass man resigniert (Leben 1) und realisiert (Leben 2) sowie hofft (Leben 3)... Hofft, dass es nicht (wieder) schlimmer wird bzw es doch irgendwann Heilung geben könnte...

Wut ist zwiespältig; Zum Erkennen zB gut, um nicht alles hinnehmen zu müssen; Wenn man sie allerdings nicht kanalisieren kann, dann stellt sie gar noch einen möglichen Trigger dar... Manche schimpfen sichs von der Seele (macht zB meine Schweser), andere gehen aufs Dach und schreien sich runter, wieder andere legen eine "Tränen-Session" ein... Auch das kann befreiend wirken...
 
Wuhu,das mit den Briefen gefällt mir. Sie sind ein gutes Hilfsmittel, denn man kann auch ohne solche Briefe zur Erkenntnis kommen... Dass man resigniert (Leben 1) und realisiert (Leben 2) sowie hofft (Leben 3)... Hofft, dass es nicht (wieder) schlimmer wird bzw es doch irgendwann Heilung geben könnte...

Ich meine mit Leben1 eher mein Leben vor CFS mit all den Zukunftsplaenen, wovon ich mich dadurch, dass Leben2 = CFS in mein Leben trat, verabschieden musste.

Sicher, dazu gehoerte eine gewaltige Portion Realisation, was ich durch Abschied nehmen von Leben 1 durchlebt habe.

Mit Leben3 meine ich Leben ohne CFS, oder mit leichtem CFS, oder zumindest einen gesundheitlichen Zustand, mit dem ich wieder Plaene schmieden kann.
Vielleicht bedeutet es auch, noch besser mit CFS / der individuellen Symptomatik umgehen zu koennen und so die Lebensqualitaet zu steigern?

Heilung waere natuerlich das Optimum...:fans:
 
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Wuhu,
so hab ich Dich schon verstanden; Quasi "Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" ;)
 
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