Spät- Und Chronische Lyme-borreliose

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SPÄT- UND CHRONISCHE LYME-BORRELIOSE

Dr. med. Sam T. Donta, Professor der Medizin, Direktor der Abteilung
für Infektionskrankheiten und Biomolekular-Medizin, Bereich Lyme-
Borreliose am Boston University Medical Center, Boston, Massachusetts,
USA.

Sam T Donta MD
Boston Medical Center
650, Albany Street, 8th floor
Boston MA 02118
USA
Tel. 001-617- 638-6017
Fax 001-617-638-6009 (fax)
Email: [email protected]
ÜBERSETZUNG
von Maya Mayruff , Email: [email protected]

Einführung
Nach dem Eindringen des Borrelia burgdorferi in die Haut durch eine
infizierte Zecke fangen die Organismen an, sich zu verteilen - sowohl
lokal als auch systemisch. Typischerweise vergehen einige Tage bevor
erste Anzeichen der Infektion erscheinen, d. h. ein Erythema Chronicum
Migrans (ECM), oder andere weniger typische Ausschläge/Rötungen (29).
Die Rötung erscheint bei weniger als 50 % der Patienten mit Lyme
Borreliose (8,10) aber die tatsächliche Häufigkeit von Lyme-Borreliose
bei Fehlen einer Rötung ist unbekannt. Das Vorkommen von multiplen
Rötungen ist ein Anzeichen einer systemischen Streuung des Erregers.
Multiple Rötungen erscheinen normalerweise erst 2 - 4 Wochen nach dem
anfänglichen Zeckenbiss. In der gleichen Zeit wandern die Organismen in
ihr bevorzugtes Gewebe und in die Zellen. Die Häufigkeit von multiplen
Rötungen wurde ursprünglich in mindestens 50 % der Fälle berichtet, ist
aber seit 20 Jahren weniger häufig, wahrscheinlich aufgrund des
häufigen Gebrauchs von Antibiotika.
Etwa 4 -6 Wochen nach dem Zeckenbiss treten bei einigen Patienten erste
systemische Symptome (andere als multiple Rötungen) auf, gewöhnlich in
Form einer "Grippe" (15). Diese Symptome umfassen Halsschmerzen, starke
Kopf- und Nackenschmerzen und ausgeprägte Müdigkeit. Rhinitis,
Sinusitis und Husten sind gewöhnlich nicht vorhanden, was
diese "Grippe" von anderen grippe-ähnlichen Krankheiten unterscheidet.
Die Lyme-Grippe-Symptome können spontan zurückgehen, die Patienten
können aber auch an (ständig) wiederkehrender "Grippe" leiden.
Schon bald nach dem Beginn der Lyme-Grippe können Müdigkeit,
Arthralgien und/oder Myalgien auftreten. Die Arthralgien scheinen
vorrangig die grossen Gelenke zu betreffen (d. h. Knie, Ellbogen,
Hüfte, Schulter) obwohl auch kleinere Gelenke (z. B. Handgelenk, Hände,
Finger, Zehen) davon betroffen sein können (29). Manche Patienten haben
eine akute Arthritis, häufig oligoartikulär, Männer häufiger als
Frauen. Frühere Schätzungen sprachen davon, daß 50 - 75 % der Patienten
die eine Spätborreliose entwickeln Arthritis haben, aber neuere
Untersuchungen legen nahe, dass die Häufigkeit von akuter Arthritis bei
Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose oder mit Spätborreliose bei
weniger als 25 % liegt (33). Nackensteifigkeit ist verbreitet. Die
Schmerzen werden beschrieben als heftig, von Gelenk zu Gelenk springend
und eventuell nur kurzfristig. Zahnschmerzen oder Schmerzen in den
Kiefergelenken sind nicht unüblich. Rippen- und Brustschmerzen
erscheinen häufig und veranlassen einige Patienten, Hilfe bei den
Notaufnahmen zu suchen, um eventuelle kardiologische Erkrankungen
auszuschliessen.
Ebenfalls häufig sind Parästhesien wie Brennen, Taubheit, Prickeln und
Jucken. Manche Patienten erleben Krabbelgefühle, Zittern/Beben oder
elektroschockähnliche Empfindungen. Selten werden akute Lähmungen der
betroffenen Gebiete beobachtet, was eher auf eine neurosensorische als
auf eine motorische Erkrankungen schliessen lässt. Zusätzlich zu den
Parästhesien sind reine neurologische Symptome und Zeichen
einschliesslich Kopfschmerzen, aseptischer Meningitis, Fazialis-
Nervenlähmung (= Bells Palsy) und Enzephalitis oder Enzephalopathien,
die sich als kognitive Störungen speziell als Störungen des
Kurzzeitgedächtnisses manifestieren, und psychiatrische Symptome wie
Panik, Angstzustände oder Depression (14). Die aseptische Meningitis
und Bells Palsy tauchen meist innerhalb der ersten Monate nach dem
Zeckenbiss auf, können aber auch Teil einer Reinfektion sein (9).
Andere Symptome können sein Fieber (üblicherweise niedriges, doch es
kann auch hoch sein), Schwitzen (kann stark sein), Sehstörungen
(vorrangig beschrieben als unscharfes Sehen, aber auch als optische
Neuritis oder Uveitis), Tinnitus, Geräuschempfindlichkeit oder
Hörverlust. Kurzatmigkeit, Herzklopfen und/oder Tachykardien,
Bauchschmerzen, Durchfall oder Reizdarm, Hoden- oder
Unterleibsschmerzen, häufiges Harnlassen oder Harndrang, fehlendes
Gleichgewicht und Krämpfe sind ebenfalls häufige Symptome. Einige der
Fehlfunktionen des autonomen Nervensystems können mit Pannikulitis und
Hepatitis in Verbindung gebracht werden. Ebenso selten sind kongenitale
und intrauterine Infektionen, in diesem Fall erscheinen sie einer
Toxoplasmose und Rötelnerkrankung ähnlich, d. h. als eine Erstinfektion
während des ersten Trimesters. Das Vorkommen von optischer Neuritis
oder Uveitis zeigt andere Möglichkeiten wie MS, aber es könnte sich
auch um Erscheinungen von Lyme-Borreliose handeln. Der Verlauf der
Erkrankung wird am besten mit persisitierend beschrieben, aber mit
Perioden in den sich die Symptome verschlechtern, häufig in Zyklen alle
paar Wochen oder monatlich. Ausgesprochen beunruhigend sind
persisitierende Symptome wie Kopfschmerzen und Müdigkeit bis zur
Erschöpfung. Einige Patienten weisen mehr Symptome auf als andere, was
genetisch bestimmte Unterschiede im Ansprechen auf oder das Ausmass der
Infektion widerspiegelt. Die Krankheit scheint nicht progressiv und
nicht destruktiv zu sein, wie etwa Krebs, noch verläuft sie tödlich.
Aber sie kann sehr schwächend sein.
Das Vorhandensein einer asymptomatischen Infektion ist bisher nicht
adäquat beschrieben worden. Es gibt eine beträchtliche Zahl von
Patienten, die keine Symptome aufweisen (asymptomatisch bleiben), bei
denen die Erkrankung aber Monate oder Jahre später ausbricht - nach
einem Trauma, einer Schwangerschaft, einer Erkrankung für die
Antibotika verschrieben wurde oder nach anderen Belastungen inklusive
psychischer Belastungen (9). Der Borreliose-Impfstoff Osp A
reaktivierte bei einigen Personen eine bereits bekannte Lyme-
Borreliose, aber auch unbekannte Borreliose. Die Mechanismen, die für
das Wiederaufflammen der Krankheit verantwortlich sind wurden noch
nicht definiert, könnten aber sowohl molekulares Mimikry als auch eine
unterschwellige Infektion sein.

Pathogenese
Die Pathogenese der Lyme Borreliose bleibt zu bestimmen. Aus den
verfügbaren Untersuchungen ersieht man, dass die Organismen nutritiv
sind - entweder für die endothelialen Zellen der Blutgefässe, die das
Nervensystem versorgen, oder für die glialen oder neuralen Zellen
selbst (4, 24/26, 31): Zunehmende Beweise unterstützen die Hypothese
einer persistierenden Infektion als Ursache der persistierenden oder
wiederkehrenden Symptome (26, 31). Ob molekulares Mimikry an der
Pathogenese mancher Symptome beteiligt ist bleibt spekulativ (18).
Obwohl Arthritis bei Lyme-Borreliose entstehen kann werden nur selten
Erreger im Synovialgewebe gefunden. Und da viele Arthralgien bei dieser
Erkrankung nicht sehr gut auf entzündungshemmende Mittel ansprechen,
handelt es sich bei der Erkrankung eher um eine infektiöse Neuropathie
als um einen akuten Befall von synovialem oder bursalem Gewebe.

Diagnose
Der Diagnoseschwerpunkt liegt bei den klinischen Symptomen. Im Falle
von klinischen Zeichen wie z. B. Rötungen, aseptischer Meningitis,
optischer Neuritis, Arthritis muss eine sorgfältige
Differentialdiagnose erfolgen. Auf einer klinischen Ebene kann "CFS"
(Chronic Fatigue Syndrom = Chronisches Müdigkeitssyndrom)
oder "Fibromyalgie" nicht eindeutig von chronischer Lyme-Borreliose
unterschieden werden. In der Tat gibt es zunehmend Hinweise darauf,
dass Lyme-Borreliose ein häufiger Auslöser für Fibromyalgie oder CFS
ist (8, 12). Andere Bakterien sind als auslösendes Moment von multiplen
Störungen, die als CFS und Fibromyalgie bezeichnet werden im Gespräch,
speziell die erst kürzlich entdeckten Mykoplasmen-Arten M.fermetans und
M.genitalium, aber ein endgültiger Beweis von Ursache und Wirkung ist
bis nicht erfolgt (6, 23). Es gibt einen Versuch, "späte" Lyme-
Borreliose von "chronischer" Lyme-Borreliose zu unterscheiden; erstere
manifestiert sich als Arthritis oder neurologische Erkrankung (32):
Einige leugnen die Existenz einer chronischen Erkrankungen indem sie
behaupten, diese Patienten leiden an psychiatrischen Störungen, einige
benutzen den Ausdruck "chronisch" als Ausdruck für das "Post Lyme-
Syndrom", in dem sie annehmen, die Infektion ist behandelt worden und
die verbleibenden Symptome gehören zu denselben, die Patienten mit CFS
oder Fibromyalgie haben (27, 30).
Diese Behauptungen sind spekulativ und bleiben unbewiesen. Dass
chronische Lyme-Borreliose existiert, und dies ist die am weitesten
verbreitete Form dieser Erkrankung, ist durch epidemiologische Studien
bewiesen die zeigten, dass 30 - 50 % der behandelten und der
unbehandelten Patienten in der Folge multisymptomale Störungen
entwickeln, die typisch sind für und nicht unterscheidbar sind von
Fibromyalgie und CFS (1, 28). So wie bei anderen multisymptomalen
Störungen ist Lyme-Borreliose ein klinisches Syndrom aus Müdigkeit,
Arthralgien und Myalgien und anderen Störungen des Nervensystems (7).
Weiter scheinen die Ergebnisse der Behandlungsstudien die Annahme zu
bestätigen, dass die persistierende Infektion für die chronischen
Symptome verantwortlich ist. Es ist wahrscheinlich, dass Lyme-
Borreliose als nützliches Modell für andere chronische multisymptomale
Störungen dient. Ob die Pathogenese der "Spätborreliose" sich von der
chronischen Form unterscheidet, bleibt zu beweisen.
Routinebluttests sind bei Lyme-Borreliose weit verbreitet. Die
Blutsenkung ist sehr häufig normal, was sie von einigen der
entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder Lupus
unterscheidet. Das Anzüchten von Borrelia ist bei dieser Erkrankung
schon früh möglich, normalerweise aus Biopsien des Erythema Migrans,
jedoch sind die meisten Labors nicht in der Lage, die Erreger
anzuzüchten.
Der momentan einzige verfügbare aussagefähige Labortest ist der
immunologische ELISA und Western Blot-Untersuchungen. Die Empfehlung,
wonach man ein zweifach gestuftes Testsystem anwenden sollte, in dem
der Western Blot erst nach positivem ELISA eingesetzt werden soll,
stammt aus dem Jahr 1994 (5). Diese Empfehlung basierte vorrangig auf
den Ergebnissen von Untersuchungen bei Patienten mit Arthritis (13),
berücksichtigte aber nicht die chronische Form der Erkrankung und
erging trotz der fehlerhaften Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bei
verschiedenen Labors (2, 16). Der ELISA hat sich als unzuverlässiger
Test für viele Patienten mit Lyme-Borreliose herausgestellt - sowohl in
frühen als auch in späteren Stadien (8, 10). Ein Grund für die
mangelhafte Sensitivität des ELISA ist die Verwendung von kompletten
Organismen, was zu einer starken Hintergrundabsorption führt. Nach
Korrektur des starken Hintergrunds kann nur ein kleiner Prozentsatz von
Positiven gefunden werden. Weil der Western Blot die Proteine der
Borrelien trennt, kann man spezifische Reaktionen beobachten und
genauere Interpretationen des Ergebnisses sind möglich. Über 75 % der
Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose haben einen negativen ELISA
während der Westernblot positiv ist (8,10). Patienten mit
oligoarthikularer Arthritis haben häufiger stabilere IgG-Antworten und
positive ELISA-Test und IgG-Westernblots (13).
Beim Westernblot zeigen sich die ersten Immunreaktionen bei Lyme-
Borreliose beim 41kd Flagellin Protein und dem 23 kd OspC Protein.
Bezeichnenderweise gibt es während der Zeit des Erythema Migrans eine
IgM-Reaktion auf das 23 kd und 41 kd Protein, aber keine IgG-Reaktion.
Innerhalb der nächsten Wochen bleibt die IgM-Reaktion bestehen,
manchmal begleitet von weniger spezifischen Reaktionen auf 60 kd und 66
kd Proteine, und nun werden IgG-Reaktionen auf 23 kd und 41 kd Proteine
sichtbar. Daher ist das Auftreten einer Immunantwort auf das 23 kd und
41 kd Protein bei gleichzeitigem entsprechendem klinischen Bild der
Diagnosebeweis für Lyme-Borreliose. Während das 41 kd Protein nicht nur
bei Borrelia burgdorferi auftritt, tritt das 23 kd Protein jedoch nur
bei Borrelia burgdorferi auf. Ebenso eindeutige Proteine von Borrelia
burgdorferi sind 31 kd (Osp A) und 34 kd (Osp B) und die Proteine 35
kd, 37 kd, 39 kd sowie 83/93 kd Proteine. Reaktionen des 31 kd Proteins
werden gewöhnlich nicht vor Ablauf eines Jahres oder mehr nach Ausbruch
der Krankheit beobachtet. Nicht alle Patienten, die Symptome seit mehr
als einem Jahr aufweisen, zeigen Reaktionen auf die Proteine der
äusseren Membran (Osp). Die meisten Patienten zeigen spezifische
Reaktionen im IgM-Westernblot (8, 10). Mit dem Rückgang der Symptome
verschwinden die IgM-Reaktionen oder sie schwächen sich ab, die IgG-
Antworten können jedoch bleiben, verschwinden aber meistens oder
schwächen sich ab unter erfolgreicher Therapie. Bei etwa 20 % der
Patienten, die Symptome zeigen, bleibt der Westernblot jedoch negativ
(8, 10). Wenn die Borrelien sich intrazellulär aufhalten ohne dass sie
sich danach erneut extrazellulär zeigen, könnte dies die fehlende
Immunantwort erklären.
PCR (Polymerase Chain Reaction = Polymerasekettenreaktion) ist ein
hochempfindliches Mittel, um bakterielle DNA oder RNA zu entdecken und
man hoffte, dass diese Technik eine wichtige Rolle bei der Diagnose der
Lyme-Borreliose spielen würde. Bisher jedoch, trotz der Genauigkeit der
Methode, konnte Borrelien-DNA bis jetzt nicht zuverlässig im Blut, Urin
oder Spinalflüssigkeit von Patienten mit frühen und späten Formen von
Lyme-Borreliose gefunden werden und die Befunde stützen wieder ein
intrazelluläres Reservoir für Borrelia burgdorferi. Man sollte einen
besseren, aussagefähigeren ELISA für Lyme-Borreliose entwickeln, der
die rekombinanten 41 kd, 23 kd, 31 kd und/oder 34 kd Proteine nutzt
(und eventuell andere Borrelia-spezifische Proteine). Momentan jedoch
ist der Westernblot-Test die zuverlässigste immunologische
Untersuchung.

Behandlung
In vitro reagiert Borrelia burgdorferi empfindlich auf verschiedene
Antibiotika (20, 25). Diese Annahme ist jedoch schwierig, weil man
aufgrund der langen Inkubationszeiten die minimale Hemmkonzentration
(MHK) bestimmen muss, da die Borrelien eine Verdoppelungszeit von 20 -
24 Stunden haben. Mit diesen Einschränkungen zeigen die Ergebnisse
einiger Untersuchungen minimale bakterizide Konzentrationen (MBK) für
Penicillin 8 µg/ml, Ampicillin 2 µg/ml, Tetracyclin 1-2 µg/ml,
Doxycyclin 2 µg/ml, Ceftriaxon 0,5 µg/ml, Cefotaxim 1-2 µg/ml,
Cefuroxim 1-2 µg/ml, Cefixim 8 µg/ml, Erythromycin 0,5 µg/ml,
Clarithromycin 0,5 µg/ml, Azithromycin 0,5 µg/ml und Ciprofloxacin 4
µg/ml.
Einigen veröffentlichten Studien zufolge ist während der ersten Rötung
jedes Antibiotikum wirksam, wenn es für zwei Wochen gegeben wird.
Jedoch entwickelte eine Anzahl so behandelter Patienten in der Folge
Symptome wie Arthralgien, Müdigkeit und Parästhesien, mit positiven
Westernblots. Diese Patienten wurden danach erfolgreich mit längeren
Gaben von Antibiotika behandelt (8, 10). Die Empfehlung lautet daher,
dass Tetracyclin, Doxycyclin oder Amoxicillin für einen Monat gegeben
werden sollen, falls das Erythema Migrans das einzige Symptom der Lyme-
Borreliose ist. Wenn jedoch irgendein anderes Symptom hinzukommt, hat
die Behandlung von Lyme-Borreliose für nur zwei bis vier Wochen sehr
oft Misserfolge und Rückfälle zur Folge (8, 10). Aus diesen gemachten
Erfahrungen geht hervor, dass eine dreimonatige Behandlung mit
Tetracyclinen zu mehr Erfolg führt (8). Bei Patienten, die seit mehr
als sechs Monaten Symptome zeigen, ist die Verlängerung der
Behandlungsdauer notwendig oder es wird ein erneuter Behandlungszyklus
von variierender Länge notwendig. Bei Patienten, die seit mehr als
einem Jahr Symptome haben, sind 12 bis 18 Monate Behandlung notwendig,
um einen kompletten Rückgang der Symptome zu erreichen. Die Gründe für
eine längere Behandlung basieren auf umfangreichen Beobachtungen (8,
10) sowie der Analogie, dass bei Tuberkulose, Lepra, Q-Fieber und
bestimmten Pilzerkrankungen eine längere Behandlungsdauer notwendig
ist. Bei Lyme-Borreliose scheint die niedrige Wachstumsrate und die
Stoffwechselaktivitäten der Borrelie mit einer längeren
Behandlungsperiode zu korrelieren.
Wenn die Patienten erst nach den ersten Infektionszeichen behandelt
werden, verschlimmern sich ihre Symptome häufig in den ersten Tagen
oder sogar in den ersten Wochen der Therapie. Bei Patienen, die seit
mehr als ein paar Monaten Symptome haben, kann es vier bis sechs Wochen
Therapie dauern, bis sich alle Symptome gebessert haben (8, 10).
Normalerweise gibt es kurze Perioden der Besserung, gefolgt von
Rückfällen oder wandernden Symptomen; bei andauernder Therapie sind die
symptomfreien Perioden länger. Einige Arthralgien brauchen drei oder
mehr Monate um sich zurückzubilden, und die Müdigkeit ist das Symptom,
das als letztes verschwindet. Die Bevorzugung von Tetrazyklinen
entstand aus der grossen Zahl von Misserfolgen, die man bei Patienten
feststellte die mit Ampicillin und Doxycyclin behandelt wurden. Im
allgemeinen reagieren Patienten ganz gut auf Doxycyclin, aber die
Wirkung hält meistens nicht lange an. Tetracycline sind effektiver als
Doxycyclin, einfach aufgrund der höheren Dosierung, d. h. 100 mg
Doxycyclin 2 x täglich entspricht nicht 500 mg Tetracyclin 3 x täglich,
ausserdem ist Doxycyclin im Vergleich zu Tetrazyklin stark an Protein
(im Blutserum) gebunden, was die Verfügbarkeit des Antibiotikums im
Gewebe und in den Zellen einschränkt. Einige Ärzte verordnen Doxycyclin
in Dosierungen zu 300 - 400 mg täglich, um ein erfolgreiches Ergebnis
zu erreichen. Ein genauer Vergleich zwischen Doxycyclin und Tetrazyklin
ist bis jetzt nicht durchgeführt worden. Minocyclin wird ebenfalls von
einigen Ärzten verwendet - mit unterschiedlichem Erfolg - aber sie
stehen den gleichen Problemen hinsichtlich Dosierung und Protein-
Bindung gegenüber. Von den ß-Lactamasen, die für die Behandlung von
Lyme-Borreliose genutzt werden, ist Ceftriaxon das wirksamste. In
begrenzten vergleichenden Studien war Cefotaxim gleichwertig und auch
hochdosiertes IV-Penicillin ist wirksam. Im Frühstadium der Lyme-
Borreliose ist Amoxicillin oral ebenso wirksam wie Doxycyclin. In
späteren Stadien der Erkrankung werden häufige Misserfolge beobachtet
trotz der Gabe von täglich drei Gramm Amoxicillin, mit Probenicid.
Cefixim ist wenig effektiv. Cefuroxim-Axetil wird nur bei Behandlung
von Lyme-Borreliose im frühen Stadium eingesetzt und ist mit Doxycyclin
vergleichbar. Berichte über seinen Einsatz in späteren Stadien zeigen,
dass es nicht wirksam ist. Die Rolle, die die neueren Makrolide bei der
Behandlung von Lyme-Borreliose spielen, muss weiter untersucht werden.
Erythromycin wird als unwirksam angesehen trotz der guten in-vitro-
Empfindlichkeit. Azithromycin ist weniger wirksam als Amoxicillin (21)
bei der Behandlung der Lyme-Borreliose in frühen Stadien. Einige Ärzte
verwenden Clarithromycin und Azithromycin in höheren Dosierungen und
über längere Zeiträume, aber es gibt keine Berichte über mehr Erfolge
mit diesen Medikamenten als mit den Tetrazyklinen oder den ß-
Lactamasen. Unserer Erfahrung nach sind alle Makrolide wirksam, wenn
sie mit einem lysosomotropischen Mittel, vor allem mit
Hydroxychloroquin kombiniert werden (siehe unten) (10). In Abwägung
aller möglichen Faktoren ist es so, dass die Antibiotika, die eine
intrazelluläre Konzentration und Aktivität erreichen die wirksamsten
sind. Die Ergebnisse von Klempners Laboruntersuchungen an einem
Gewebekultur-Modell von Lyme-Borreliose zeigten, dass Ceftriaxon
unwirksam war bei der Eradizierung intrazellulärer Erreger (17);
ähnliche Untersuchungen in Raoults Labor an einem Endothelialzellen-
Modell zeigten, dass Tetrazykline und Erythromycin wirksam waren, die ß-
Lactam-Antibiotika jedoch nicht (3). Diese Ergebnisse sind vergleichbar
mit unseren Erfahrungen, dass die Tetrazykline und Makrolide den
grössten Erfolg erzielen. Im Gegensatz zu den ß-Lactamasen sind die
Antibiotika der Tetrazyklin- und Makrolid-Klasse sehr gut in der Lage,
ihre Wirksamkeit intrazellulär zu entfalten. Die Erfahrungen mit den
Makrolid-Antibiotika sind jedoch enttäuschend, verglichen mit ihrer in-
vitro-Wirksamkeit bei Lyme-Borreliose und mit der bekannten Wirkung von
Makroliden bei anderen intrazellulären Parasiten wie Chlamydien,
Legionellen, Mycobacterium-avium intrazellulare und Toxoplasmen. Für
den Fall, dass sich Lyme-Borrelien in den intrazellulären Vesikeln
aufhalten die sauer sind, würde die Wirksamkeit der Makrolide stark
nachlassen aufgrund des niedrigen pH-Wertes. Dies steht im Gegensatz zu
den Tetrazyklinen, die bei saurem pH-Wert noch wirksam sind, und selbst
die Wirksamkeit von Doxycyclin steigt noch an, wenn der pH-Wert steigt.
In einem Gewebekulturmodell einer Ehrlichia-Infektion steigerte der
Einsatz von lysosomotropischen Mitteln wie Amantidine, NH4Cl und
Chloroquin die Wirksamkeit von Doxycyclin (22). Aufgrund dieser
Untersuchungen und der Hypothese, dass Symptome einer Lyme-Borreliose
im Spätstadium die Folge einer persistierenden intrazellulären
Infektion ist, haben wir Patienten erfolgreich mit einer Kombination
von einem Makrolid und Hydroxychloroquin behandelt (10). Mit Hinblick
auf ZNS-Erkrankungen gibt es keinen Beweis dafür, dass Ceftriaxon
wirksamer ist als entweder die Tetrazykline oder die Kombination von
Makrolid und Hydroxychloroquin, wenn unsere Annahme korrekt ist, dass
die Pathogenese dieser Erkrankung zur Folge hat, dass das Bakterium in
den endothelialen Zellen der Blutgefässe angesiedelt ist, die das
Nervensystem versorgen, oder in den Glia- oder Nervenzellen, dann
bräuchte man kein Medikament, das die Blut-Hirn-Schranke überwinden
kann um wirksam zu sein. Tatsächlich überwinden die Tetrazykline die
Blut-Hirn-Schranke bis zu einem gewissen Grad, und sie werden mit
gewissem Erfolg zu Beginn der klinischen Behandlung einer Meningitis
eingesetzt. Makrolid-Antibiotika überwinden die Blut-Hirn-Schranke
nicht, sind aber wirksam bei der Behandlung anderer ZNS-Infektionen (z.
B. Toxoplasmose) und unserer Erfahrung nach auch bei der Rückbildung
der neuropsychiatrischen Symptome und Zeichen (z. B. SPECT-Scans) bei
Lyme-Borreliose (10). Mit Hinblick auf das Problem bakterizid oder
bakteriostatisch wurde in-vivo kein Effekt beschrieben. Schliesslich
gab es bisher keine Berichte, die Änderungen bei den
Antibiotikaresistenzen zeigen. Letzten Endes hängt die Wirksamkeit der
Therapie von der klinischen Antwort ab.

Weitere Aussichten
Die Diagnose und Behandlung von Lyme-Borreliose werden von
unzureichenden Diagnosemethoden und unangemessenen Vergleichen von
Antibiotika-Anwendungen behindert. Spezifische auf Antigenen basierende
ELISA-Tests müssten genauer sein, aber die Aussagefähigkeit jeden Tests
der auf den Messwerten der Immunantwort des Wirts beruht ist von
begrenztem Wert, wenn die Borrelie intrazellulär bleibt. Am
nützlichsten wäre die Entwicklung eines Testverfahrens, das die
Anwesenheit und Ausdehnung jeglicher residualer Lyme-Borreliose
bestimmen kann. Um die Fragen nach Dauer und Klasse der anzuwendenden
Antibiotika zu klären, sind Doppel-Blind-, Plazebo-kontrollierte und
vergleichende Studien notwendig. Der offensichtliche Misserfolg einer
einmonatigen IV-Behandlung mit Ceftriaxon, gefolgt von bis zu zwei
Monaten Doxycyclin oral, um die Symptome bei Patienten mit chronischer
Lyme-Borreliose zu verbessern, war nicht überraschend - gestützt auf
die Beobachtung, dass kein zeitlich begrenztes Antibiotikaregime
geeignet war, dem Patienten Besserung zu verschaffen (8, 10, 33).
Zusätzliche Untersuchungen sind notwendig um herauszufinden, ob längere
Behandlungsdauer, der Gebrauch von Tetrazyklin selbst oder die
neuartige Kombination eines Makrolides und eines lysosomotrophischen
Mittels wirksame Behandlungen wären.
 
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